Klimaschutz

„Nicht jeder muss gleich Veganer werden“

Was wir essen, hat Folgen für die Umwelt. Verbote aber lösen oft Unmut aus. Ein junger Forscher und eine Bloggerin suchen andere Wege und geben Tipps.

02.10.2021

Von JULIA HORN

Saisonales Obst und Gemüse zu kaufen, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer klimafreundlichen Ernährung. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Saisonales Obst und Gemüse zu kaufen, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer klimafreundlichen Ernährung. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Heidelberg/Hamburg. Julian Senns Wunsch, etwas zu verändern, entstand im peruanischen Regenwald. Dort machte der heute 29-Jährige ein Praktikum und sah, wie Bäume gerodet wurden, um Kakao anzubauen. Er realisierte: Die Wahl unserer Lebensmittel und deren Produktion hat einen Effekt auf die Umwelt. „Mir wurde bewusst, dass die Welt so zugrunde geht“, erinnert er sich, „und ich wollte dazu beitragen, dass sich das wieder in eine andere Richtung entwickelt.“

Heute, vier Jahre später, hat Senn einen Master in Nachhaltigkeitswissenschaften und arbeitet im Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg. Er beschäftigt sich dort mit der Ökobilanz von Lebensmitteln. Sein Team hat einen CO2-Rechner für verschiedene Produkte entwickelt. Legt man Rindfleisch und Butter-Spätzle auf den virtuellen Teller des Tools und vergleicht diesen mit einem Tofu-Kartoffel-Gericht, wird klar: Es macht einen Unterschied, was wir essen. Tierische Produkte führen zu einer deutlich höheren CO2-Bilanz – und tragen schlussendlich zur Erwärmung des Klimas bei.

Fleischlose Rezepte mit wenig Eiern, Käse und Co. stellt Kea Blum auf ihrem Blog „Nutri Agent“ vor. Die 31-Jährige ist studierte Ökotrophologin und arbeitet als Gesundheitsjournalistin in Hamburg. Sie möchte ihren Lesern näher bringen, wie man sich nachhaltig ernährt. Ein wichtiger Aspekt: Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima.

Kea Blum bloggt zum Thema „Nachhaltige Ernährung“. Foto: @ Kea Blum

Kea Blum bloggt zum Thema „Nachhaltige Ernährung“. Foto: @ Kea Blum

„Das Allerwichtigste ist, seinen Fleischkonsum zu reduzieren“, sagt Blum. Auf ihrem Blog erklärt sie, dass 40 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgase auf das Konto von Fleischerzeugnissen gehen. Besonders problematisch: Rinder. Sie setzen durch ihre Verdauung Methan frei. Heimische Wildschweine oder Rehe, die durch Jagd erlegt werden, haben dagegen einen geringeren CO2-Fußabdruck, sagt Senn.

Sobald die Tiere aber in Gatterhaltung leben, steige die CO2-Bilanz: Für den Anbau von Futtermitteln wird Fläche und Wasser benötigt. „Besonders in trockenen Anbauregionen kann ein hoher Wasserverbrauch zum Sinken des Grundwasser-Spiegels führen“, sagt Senn. Eine der Folgen sind zerstörte Ökosysteme. Daher empfiehlt sie: wenn Fleisch, dann in Bio-Qualität und aus der Region.

Das gelte auch für Obst und Gemüse. In den meisten Fällen gilt: Je kürzer die Transportwege, desto weniger Energie und Rohstoffe werden verbraucht, erklärt Blum. Allerdings muss man auch darauf achten, welche Obst- und Gemüsesorten gerade Saison haben – in Gewächshäusern gezogen oder lange gelagert, kann auch so manches regionale Obst und Gemüse die Klimabilanz verderben. Auch auf verarbeitete Lebensmittel und Fertigprodukte zu verzichten, spart oft Energie.

Julian Senn untersucht die Ökobilanz von Lebensmitteln. Foto: Nanna Evers / ifeu

Julian Senn untersucht die Ökobilanz von Lebensmitteln. Foto: Nanna Evers / ifeu

Ein weiterer Punkt auf Blums To-do-Liste: Müll vermeiden und Reste verwerten. „Darauf hat man vielleicht nicht immer Lust, es bringt einen aber auch nicht um“, sagt sie. Der Reis vom Vortag wird bei ihr angebraten oder mit Joghurt und Zimt zum Frühstücks-Milchreis aufgepimpt.

Kompromisse statt Verbote

Blums Grundsatz: pragmatisch sein und eine Balance finden. „Nicht jeder muss gleich Veganer werden.“ Von Verboten hält sie nichts. „Gibt es keinen Unverpackt-Laden in der Nähe, dann picke ich mir eben passende Lebensmittel im Supermarkt raus. Und auch beim Thema Bio gibt es Mittelwege, ganz nach dem Motto: so viel wie möglich.“ Klimafreundliche Ernährung muss alltagstauglich sein, findet die 31-Jährige. Und gut schmecken. „Nur dann setzen es viele Leute um und ändern ihre Gewohnheiten langfristig.“

Julian Senn sieht das ähnlich. „Ich musste da auch nach und nach reinwachsen“, sagt er. Zuerst ernährte er sich vegetarisch, dann vegan. Heute ordnet er sich als Klimatarier ein. Das bedeutet, dass er sich an den Grundsätzen nachhaltiger Ernährung orientiert. „Der Begriff hat sich in der Gesellschaft noch nicht wirklich durchgesetzt“, sagt er. Viel wichtiger sei ohnehin: loslegen und ausprobieren. „Jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein guter Schritt.“

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Erstellt:
02.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 50sec
zuletzt aktualisiert: 02.10.2021, 06:00 Uhr

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