Rottenburg

Ausweisautomat: Nicht für lustige Bildchen da

Im Rottenburger Rathaus steht ein Selbstbedienungsterminal für Personalausweise und Reisepässe. Es ist eine weitere Errungenschaft, bei der der Kunde für seine Sache zusätzlich arbeiten darf.

22.03.2019

Von Gert Fleischer

Gisela Menke, die 1998 die erste Leiterin des Rottenburger Bürgerbüros war, kam zur 20-Jahr-Feier und übte sich am neuen Selbstbedienungsterminal für Personalausweise und Reisepässe. Rechts Silvia Seeliger, die Leiterin des städtischen Hauptamts. Bild: Stadtverwaltung

Gisela Menke, die 1998 die erste Leiterin des Rottenburger Bürgerbüros war, kam zur 20-Jahr-Feier und übte sich am neuen Selbstbedienungsterminal für Personalausweise und Reisepässe. Rechts Silvia Seeliger, die Leiterin des städtischen Hauptamts. Bild: Stadtverwaltung

Vor 20 Jahren richtete die Stadt Rottenburg ihr Bürgerbüro im Rathaus ein. Damals hatte es sechs Mitarbeiterinnen, heute sind es 14. Während das Bürgerbüro anfangs noch Arbeitslosenpässe ausstellte, Lohnsteuerkarten verschickte, Müllmarken für Neubürger oder Reisegewerbekarten ausgab, sind es heute besonders melderechtliche sowie Pass- und ausweisrechtliche Angelegenheiten sowie Dinge wie das Ausstellen von Parkausweisen für Schwerbehinderte.

Neuester Mitarbeiter ist ein Personalausweisautomat, genauer: ein Selbstbedienungsterminal der Bundesdruckerei. An diesem Gerät kann man die paar Daten, die für einen Personalausweis oder Reisepass erforderlich sind, eintippen. Dann lässt man sich von dem Automaten auch noch fotografieren, gibt, wenn nötig, seinen Fingerabdruck ab, unterschreibt und schickt die Daten ab.

Gleich eine technische Störung

Ins Bürgerbüro muss der Bürger allerdings immer noch. Denn es muss ein Mensch sein, der sich vergewissert, ob die Person, die den Automaten bediente, und die Person, die den Ausweis bekommt, identisch sind. „So wird der Prozess für die Beantragung von Ausweisdokumenten vor Ort merklich verkürzt“, schrieb die Stadt in einer Presseerklärung. Und: „Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies erheblich geringere Wartezeiten.“

Das TAGBLATT machte den Selbstversuch im Rathaus-Foyer und kam voller Skepsis zurück. Das, was auf Augenhöhe hängt und aussieht wie ein Monitor, ist so etwas wie Spiegel und Kamera zugleich. Es richtet sich automatisch auf die entsprechende Körpergröße aus. Das soll auch bei Rollstuhlfahrern funktionieren.

Als wir dort waren, fuhr der Kasten zuerst mal ganz nach oben, dann runter auf Kniehöhe. Vom dauernden Wunder der Technik beeindruckt, war uns der Grund für dieses Verhalten sofort klar: Der Automat misst automatisch die exakte Körpergröße. Als der bewegliche Kasten jedoch unten am Knie hängen blieb, beschlichen uns Zweifel. Im Bürgerbüro erfuhren wir, dass es sich um
eine Störung gehandelt haben muss. Wir erfuhren auch, dass
der Ausweis-Roboter des Messens gar nicht mächtig ist. Schade. Das wäre eine smarte Innovation
gewesen.

Wer im Internet stöbert, liest stets das Gleiche: Die Städte, die sich so ein Gerät bei der Bundesdruckerei kaufen oder mieten, schwärmen von der Arbeitszeitersparnis. Die gebe es auf Seiten der Verwaltung, weil deren Personal die Daten der Antragsteller nicht mehr aufnehmen muss, sondern per Tastendruck vom Selbstbedienungsterminal einschleust. Die Bürger sparen kostbare Lebenszeit, denn sie müssen erstens nicht mehr zum Fotografen oder Passbild-Automaten und zweitens nicht mehr lang vor der Amtsstube warten, was freilich in gut organisierten Bürgerbüros sowieso nicht der Fall sein sollte.

Also wieder eine der beliebten Win-Win-Situationen? Nicht ganz: Die Arbeit, die die Verwaltung mittels Self-Service-Terminal losgeworden ist, erledigt jetzt der Kunde. Da steckt das Win folglich nur bei der Verwaltung. Die Zeiten, da der Kunde König war, sind vorbei. Digitalisierung nennt sich das, es ist ein Trittstein hin zum e-Government. Der Kunde arbeitet übrigens noch effizienter am Terminal, wenn er einmal wöchentlich einen Perso oder Reisi beantragt und deshalb Arbeitsroutine entwickelt.

Der Fotograf ärgert sich

Einer in Rottenburg ärgert sich kräftig über den Automaten im Rathaus-Foyer: Fotograf Andreas Faiß. Er hat sein Geschäft nur 100 Meter vom Bürgerbüro entfernt. Passbilder gehören zum Grundgeschäft eines jeden Fotografen mit Ladengeschäft. Fotografenmeister Faiß verlangt 10.90 Euro für Passbilder. Beim Rathaus-Roboter kosten sie 9 Euro.

Also ist der neueste Mitarbeiter des Bürgerbüros kein gutes Beispiel von Gewerbeförderung, im Gegenteil. „Moment, Moment!“, heißt es dazu im Bürgerbüro: Der Automat produziere nur Fotos, wenn zugleich ein Personalausweis beantragt wird. „Der ist nicht da, um lustige Bildchen zu machen.“ Anders formuliert: Bei Faiß kann sich der Kunde Bildchen ausdrucken lassen und mit nach Haue nehmen, beispielsweise für die Online-Partnerschaftsbörse. Beim Automaten gibt‘s nichts, schon gar nichts Meisterhaftes.

Vernetzen könnte helfen

Kürzlich fragte Baisingens Ortsvorsteher Horst Schuh im Verwaltungsausschuss nach diesem Pass-Automaten. Im Westen der Stadt sei gar nicht bekannt, wie fortschrittlich die Rottenburger Verwaltung ist. Im Ergenzinger Rathaus, in dem ein Ableger des Bürgerbüros fungiert, gibt es keinen SST, keinen Self-Service-Terminal. Schuh forderte die Verwaltung auf, mehr für ihren neuen Service zu werben. Oberbürgermeister Stephan Neher verzog etwas das Gesicht und ließ Schuh wissen, dass es schon Kritik von Fotografen an der blutleeren Konkurrenz gegeben habe. Tübingen, erfuhren wir von der dortigen Pressestelle, hat so einen SST nicht und beabsichtigt derzeit auch nicht, sich einen zu besorgen. Reutlingen hat einen.

Vielleicht hilft Düsseldorf weiter. Dort heißt es auf der städtischen Homepage: „Viele Kundinnen und Kunden legen weiterhin großen Wert auf ein ausgedrucktes Passbild und auf eine individuelle Beratung vom Fotografen ihres Vertrauens. Aktuell wird daher parallel auch daran gearbeitet, die lokalen Passbildanbieter künftig in den digitalen Prozess einzubinden. Mit der Möglichkeit einer digitalen Übertragung des im Fotostudio erstellten Passbildes an das Einwohnermeldeamt könnte eine Einbindung der Düsseldorfer Fotografen gelingen.“ Das wäre für jede Stadt eine Stärkung des örtlichen Handwerks und ein Ausweis für Modernität zugleich.