Attraktion

Neues Museum in Baden-Baden

Das Haus widmet sich der Muße und der Literatur. Schließlich kurten einst viele Schriftsteller in der Stadt.

14.10.2021

Von LSW

Im neuen Museum wird auch Baden-Badener Glücksspiel in der Literatur präsentiert.   Foto: Uli Deck/dpa

Im neuen Museum wird auch Baden-Badener Glücksspiel in der Literatur präsentiert. Foto: Uli Deck/dpa

Baden-Baden. „Es ist eine geistlose Stadt, voll von Schein und Schwindel und mickerigem Betrug und Aufgeblasenheit.“ Am liebsten hätte der US-Autor Mark Twain etwas Ansteckendes zurückgelassen. Er mochte Baden-Baden nicht. Eine besondere Attraktion muss der Kurort am Schwarzwald gleichwohl gehabt haben. Was die Beziehung zwischen der Bäderstadt und Schriftstellern so besonders machte, beleuchtet nun ein neuartiges Muße-Literaturmuseum.

In die Sommerhauptstadt Europas des 19. Jahrhunderts pilgerten nicht nur Kaiser und Könige, sondern auch zahlreiche berühmte Künstler und Schriftsteller wie Alexandre Dumas, Honoré de Balzac, Victor Hugo, Clemens Brentano, Alfred Döblin oder Iwan Turgenjew. Letzterer wohnte hier sogar. Er liebte den Ort. Die Dichter kurten in den heißen Thermen, suchten im Schwarzwald Erholung und Muße, also freie Zeit und Ruhe.

Für Wissenschaftler der Freiburger Universität um Professorin Elisabeth Cheauré war das vor vier Jahren Anlass, die gesellschaftliche Bedeutung von Muße genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie wollten das Phänomen an einem Ort verdeutlichen, der mit seinem internationalen Flair Müßiggänger aller Nationen anzog und sie zu literarischem Schaffen anregte – Baden-Baden eben.

Ein Ort, mit dem aus Sicht von Germanistik-Professor Thomas Schmidt Muße und Literatur so unausweichlich verwoben sind, dass er ein eigenes Museum verdient. Der Leiter der Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Württemberg sieht das neue Museum in einer Reihe mit Institutionen wie dem Romantik-Museum in Frankfurt/Main, dem Literaturmuseum der Moderne in Marbach oder internationalen Erinnerungsorten für Hölderlin in Tübingen oder Hesse am Bodensee.

„Bloß keine Reizüberflutung“ war der Leitgedanke für Cheauré, die das Transferprojekt zwischen Uni und Stadt mit Sigrid Münch umgesetzt hat, der Leiterin der Stadtbibliothek Baden-Baden. Von Badelust und Badefrust, Männerzirkeln und lesesüchtigen Frauen bis hin zur Entdeckung der Natur: Bilder, Installationen und Überschriften sollen neugierig machen.

Wer mehr wissen will, kann auf überdimensionalen Seiten blättern, in Schubladen kuriose Preziosen und Zeitzeugnisse finden, Gedichte am Zauberwürfel umtexten und hinter Fensterläden einen spektakulären Mordfall entdecken. Oder sich einfach in den Sessel fläzen und Turgenjews Roman „Rauch“ lesen, der in Baden-Baden entstand. Der Übergang vom ehemaligen Literaturmuseum zur Stadtbibliothek ist fließend. Man kann Essen und Trinken mitbringen, überall zum Buch greifen und auf einen Spieltisch stoßen, der „Fortunas Reich – Baden-Badener Glücksspiel in der Literatur“ repräsentiert.

„Man erliest sich das Museum, aber in Muße, ohne Überforderung“, sagt Cheauré. „Im Grunde ist es ein begehbares Buch mit Kapiteln, die man für sich entdecken kann.“ Susanne Kupke