Bahnverkehr

Neue Züge für die Neubaustrecke

Kabinett gibt grünes Licht für Beschaffung von 130 Doppelstock-Triebfahrzeugen. FDP: Rechnungshof soll Milliarden-Investition unter die Lupe nehmen.

29.07.2020

Von Roland Muschel

Stuttgart. Das grün-schwarze Kabinett hat am Dienstag den Weg für die wohl umfangreichste Fahrzeugbeschaffung im Schienenverkehr in der Landesgeschichte freigemacht. Danach wird das Land über die Landesanstalt für Schienenfahrzeuge für 1,57 Milliarden Euro bis zu 130 moderne Doppelstock-Triebfahrzeuge kaufen. Der Beschluss umfasst zudem die Option, bis zu 100 weitere Fahrzeuge nachzubestellen. Die Gesamtkosten werden mit 2,76 Milliarden Euro angegeben. Damit schaffe das Land die Voraussetzungen, um die Fahrgastzahlen im Schienenpersonennahverkehr bis 2030 im Vergleich zu 2010 zu verdoppeln, heißt es im bislang unveröffentlichten Beschluss.

Mit den neuen Doppelstockfahrzügen „wollen wir den neuen Durchgangsbahnhof in Stuttgart und die Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm ab dem Jahr 2025 bedienen“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) dieser Zeitung. Die Neuanschaffungen sollen bis zu 200 Kilometer pro Stunde schnell und mit der modernen digitalen Zugsteuerungs- und Zugsicherungstechnik ETCS versehen sein.

Die Deutsche Bahn will von 2025 an die Zugsicherungstechnik am Eisenbahnknoten Stuttgart als eines der ersten Pilotprojekte in Deutschland auf ETCS umstellen. „Das Land erhofft sich damit deutlich mehr Betriebsqualität bei einem hohen Angebot im Schienenpersonennahverkehr“, so Hermann. Bei den Vorgaben für die Fahrzeuge würden „neue Maßstäbe“ an Ausstattung und Fahrgastkomfort gesetzt.

Laut dem Beschluss kauft die Landesanstalt die Züge und schließt mit den Herstellern zugleich einen über 30 Jahre laufenden Vertrag über Instandhaltung und Wartung ab. Die Hersteller sollen zudem über die gesamte Zeitspanne den Energieverbrauch garantieren. „Durch diesen Ansatz haben die Hersteller einen Anreiz, qualitativ hochwertige Fahrzeuge zu liefern“, heißt es im Beschlusspapier.

Die Landesanstalt stellt die kreditfinanzierten Züge dann den Verkehrsunternehmen zur Verfügung, die ab 2025 die neu ausgeschriebenen Strecken in der Metropolregion Stuttgart und im Bereich Oberschwaben/Bodensee bedienen. Die Betreiber der Strecken leisten jährliche Zahlungen ans Land, das darüber den Kauf der Fahrzeuge refinanzieren will. Die Betreiber selbst wiederum sollen ihre Kosten über noch abzuschließende Verkehrsverträge aus Regionalisierungsmitteln des Bundes erstattet bekommen.

Deutliche Kritik an dem Beschluss übt die oppositionelle FDP. „Es gehört zum kaufmännischen Einmaleins, dass den genannten Vorteilen ein 30 Jahre währendes Risiko auf Kosten des Steuerzahlers gegenübersteht“, sagte der Verkehrsexperte der FDP-Fraktion, Jochen Haußmann dieser Zeitung. Da der Minister keine Notwendigkeit sehe, dass sich der Landtag mit dieser Milliarden-Investition beschäftige, „werde ich den Rechnungshof bitten, dass er diesen Lebenszykluskosten-Ansatz unter die Lupe nimmt“, kündigte Haußmann an. Tatsächlich ist eine Befassung des Parlaments mit dem Vorhaben laut einer noch unveröffentlichten Antwort von Hermann auf eine parlamentarische Anfrage der FDP nicht vorgesehen..

Aus Haußmanns Sicht geht das Land mit dem eingeschlagenen Weg „einen weiteren großen Schritt in Richtung Staatseisenbahn“. Wenn Tarife und jetzt auch noch die Fahrzeuge vorgeschrieben würden, bleibe den Eisenbahnverkehrsunternehmen kaum noch Gestaltungsspielraum.

Hermann Koalitionspartner, die CDU, dagegen trägt die Pläne mit – im Kabinett aktiv, in der Fraktion passiv: Die Abgeordneten haben die Vorschläge des Ministers demonstrativ nur „zur Kenntnis“ genommen. Sie monieren, Hermann hätte schon 2015 auf Doppelstock-Züge setzen sollen. Damals habe es weder eine Notwendigkeit noch einen Wettbewerb von Anbietern gegeben, hält der Grüne dagegen.

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Erstellt:
29.07.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 34sec
zuletzt aktualisiert: 29.07.2020, 06:00 Uhr

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