Innovative Wege in der Krebsbehandlung

Neues Tumorzentrum wird in Tübingen gebaut

Neben der Crona-Klinik wird ein „Nationales Centrum für Tumorerkrankungen“ gebaut. Es soll eine Vorreiterrolle in der Krebsbehandlung einnehmen.

02.02.2023

Von Lisa Maria Sporrer

Links vom Gesundheitszentrum des Universitätsklinikums (der ovalförmige Bau in der Bildmitte) wird das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen gebaut. Das dort noch stehende Gebäude wird abgerissen. Die angestrebte Bauzeit ist 2026 bis 2028. Bau und Einrichtungskosten: 82 Millionen Euro. Bild: Ulrich Metz

Links vom Gesundheitszentrum des Universitätsklinikums (der ovalförmige Bau in der Bildmitte) wird das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen gebaut. Das dort noch stehende Gebäude wird abgerissen. Die angestrebte Bauzeit ist 2026 bis 2028. Bau und Einrichtungskosten: 82 Millionen Euro. Bild: Ulrich Metz

Das ist das, was sich Patienten wünschen: Therapien, die dem neuesten Stand des Wissens entsprechen, und individualisierte Patientenversorgung: Tübingen bekommt einen eigenen Standort des „Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen“ (NCT) und dafür auch einen Neubau für 82 Millionen Euro (siehe Bild). Damit zählt Tübingen zu den bundesweit sechs festen NCT-Standorten, wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nun bekanntgab.

Es ist die größte finanzielle Netzwerk-Förderung für die nationale Krebsforschung in der Geschichte der Bundesrepublik: Das erweiterte, aus sechs Standorten bestehende NCT soll im Endausbau mit jährlich 98 Millionen Euro gefördert werden. Mit den jetzt sechs Standorten will die Bundesregierung dafür sorgen, dass Krebspatienten schneller Zugang zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen bekommen. Außerdem sollen Krebsvorbeugung und Früherkennung systematisch erforscht und ausgebaut werden.

Schon vor zwei Jahren vergab die damalige Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) den Zuschlag für ein Tumorzentrum an die onkologischen Kliniken aus Tübingen, Stuttgart und Ulm, die sich zusammen beworben hatten. Der neue Standort „NCT-SüdWest“ wird vom Universitätsklinikum Tübingen aus koordiniert. Hier hat seit 2005 das „Comprehensive Cancer Center Tübingen-Stuttgart“ (CCC) seinen Sitz, an dem außer dem Tübinger Klinikum auch das Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus beteiligt ist. Baden-Württemberg bekam damit als erstes und bislang einziges Bundesland den Zuschlag für einen zweiten NCT-Standort (neben Heidelberg). Was folgte, war eine zweijährige Strategiephase, in der die neu ausgewählten NCT-Standorte ein Konzept erarbeiten mussten. Nun wurde der gemeinsame Standort „NCT-SüdWest“ des erweiterten Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen in Tübingen bestätigt.

Patienten als Forschungspartner

Die Entscheidung verkündete Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Rahmen einer Veranstaltung der Nationalen Dekade gegen Krebs. „Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 500000 Menschen neu an Krebs – Tendenz steigend. Unsere beste Chance im Kampf gegen Krebs ist exzellente Forschung. Deshalb wollen wir die Krebsforschung auf neuen Wegen voranbringen: Erstens fördern wir künftig neue Ansätze zur risikoangepassten Prävention und Früherkennung von Krebs in einer öffentlich-privaten Partnerschaft mit der Deutschen Krebshilfe. Zweitens rufen wir eine ‚Grand Challenge‘ aus, um die großen bisher ungelösten Fragen der Krebsforschung gezielter anzugehen“, wird Stark-Watzinger in der Pressemitteilung des BMBF zitiert.

Prof. Lars Zender ist Ärztlicher Direktor der Medizinischen Onkologie und Pneumologie in Tübingen und mehrfach ausgezeichneter Krebsforscher. Er koordiniert den Verbund der südwestdeutschen Kliniken und freut sich über die Bestätigung des NCT-Standortes SüdWest und über den Zusammenschluss der Krebszentren Tübingen-Stuttgart und Ulm: „Die Entscheidung seitens des Internationalen Gutachtergremiums und des BMBF erfüllt uns mit Stolz und bestätigt uns in unserem gemeinsamen Ziel, die klinische Krebsforschung auf ein neues Level zu bringen.“

Das übergeordnete Ziel des erweiterten NCT und damit aller Standorte sei es, so die Pressestelle des Tübinger Uniklinikums, die klinische Krebsforschung in Deutschland zu unterstützen und mehr Patientinnen und Patienten schnelleren Zugang zu neuen innovativen Krebstherapien zu ermöglichen. Dazu soll die Zahl der klinischen Studien in der Onkologie deutlich gesteigert werden. Insbesondere solle durch die finanzielle Unterstützung erreicht werden, dass an den Universitätsklinika und Onkologischen Spitzenzentren selbst entwickelte Therapiekonzepte in die Phasen der klinischen Testung überführt werden können.

Das NCT-SüdWest nimmt in Deutschland eine Vorreiterrolle im Bereich akademisch entwickelter neuer zielgerichteter molekularer Therapien ein. Neue Therapeutika, welche im akademischen Wirkstoffzentrum TüCAD2 (Tübingen Centre for Academic Drug Discovery and Development) entwickelt wurden, sollen nun im Rahmen des NCT zusammen mit neuen Bildgebungsverfahren und neuen Immuntherapien klinisch getestet werden.

Markus Wartenberg, Sprecher des nationalen NCT-Patientenbeirats, sagt: „Gerade die nicht-kommerziellen wissenschaftsgetriebenen klinischen Studien, wie sie im NCT durchgeführt werden sollen, haben große Bedeutung für Patientinnen und Patienten. In der künftigen NCT-Forschungskultur ,Patienten als Forschungspartner‘ sollen daher Patienten schon früh in Konzeption und Entwicklung solcher Studien einbezogen werden.“

Krebsforschung in einem gemeinsamen Bündnis

Die 2019 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierte Nationale Dekade gegen Krebs vereint erstmals die zentralen Akteure der deutschen Krebsforschung in einem Bündnis. Dazu zählen neben dem BMBF, dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe auch zwei Organisationen der Patientenvertretung. Gemeinsam mit weiteren Akteuren bilden sie den Strategiekreis, der insgesamt 17 Partnerorganisationen umfasst und als Impulsgeber fungiert. Vorsitzender des Strategiekreises der Nationalen Dekade gegen Krebs ist der Parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Mario Brandenburg.