Bildung · Interview

Neue Kultusministerin Schopper: „Ein bisschen Normalität“

Die neue Kultusministerin Theresa Schopper über ihre Pläne für Schulöffnungen, Corona-Impfungen für Jugendliche und die Folgen der Pandemie.

22.05.2021

Von AXEL HABERMEHL

„Schule ist ein Lebensraum, nicht nur ein Ort des Lernens und der Klausuren“, sagt Kultusministerin Schopper. Foto: Marijan Murat/dpa

„Schule ist ein Lebensraum, nicht nur ein Ort des Lernens und der Klausuren“, sagt Kultusministerin Schopper. Foto: Marijan Murat/dpa

Stuttgart. Eingerichtet hat sich Theresa Schopper noch nicht. Das Chefbüro im neunten Stock des Kultusministeriums in Stuttgart sieht kaum anders aus als unter ihrer Vorgängerin. Eine gute Woche ist die Grünen-Politikerin (60) im Amt und gleich mittendrin im Aufreger-Thema Schule und Corona. Gleich steht ein Termin mit der Wissenschaftsministerin an, zur Frage, wie Lehramts-Studenten an Schulen helfen können. Doch eine halbe Stunde zum Antrittsinterview hat Schopper.

Frau Ministerin, worauf liegt zu Beginn der Amtszeit Ihre Priorität?

Theresa Schopper: Zum einen auf Corona: Was muss jetzt alles organisiert werden? Wie geht es nach Pfingsten weiter? Wie können wir Schulen weiter öffnen? Wir beschäftigen uns auch intensiv mit den Folgen der Pandemie und planen ein Programm zur Aufarbeitung von Lernrückständen. Dabei ist für mich klar, dass wir die Sommerferien nicht kürzen. Kinder und Jugendliche müssen auch mal emotional runterfahren, Freiheiten haben. Der zweite große Punkt, der mich umtreibt, ist die Digitalisierung. Corona hat viele Probleme aufgedeckt, aber auch Möglichkeiten gezeigt. Da müssen wir prüfen, was wir beibehalten können.

Die Corona-Schulpolitik steht seit Monaten stark in der Kritik. Was wollen Sie anders machen?

Die starke Polarisierung wird mit fallenden Inzidenzen hoffentlich nachlassen. Die große Belastung für Eltern durch Homeschooling und Betreuung plus Beruf wird zurückgehen, wenn Schule wieder verlässlich stattfindet. Auch für Lehrer wird die hohe Belastung zurückgehen. Wichtig ist der Austausch mit allen Beteiligten, darauf lege ich großen Wert.

Nach Pfingsten sind noch zwei Monate Unterricht. Was ist von diesem Schuljahr noch zu erwarten?

Ein bisschen Normalität. Natürlich wird zum einen Stoff vermittelt, es wird wiederholt und es werden Lernrückstände angegangen. Aber man darf den emotionalen Aspekt nicht vernachlässigen. Wir wollen, dass Ausflüge und Sport wieder möglich sind. Dass Schüler zusammen in der Schule hocken, ratschen, Gemeinschaft und Nähe erleben – das ist wichtig. Schule ist ein Lebensraum, nicht nur ein Ort des Lernens und der Klausuren.

Oft werden jetzt eng getaktet Arbeiten geschrieben. Ist das sinnvoll?

Es ist klar, dass Lehrkräfte die Chance nutzen, denn natürlich müssen sie schauen, wo und wie groß Lernlücken sind, damit man nachsteuern kann. Und Klausuren dienen nicht nur dazu, Noten zu geben, es sind auch Lernstanderhebungen. Damit es aber nicht zu viele Klausuren sind, ist ja die Mindestanzahl reduziert worden.

Sie planen ein Lernlückenprogramm. Gibt es ab Herbst Nachhilfe für alle?

Das Programm steht noch nicht im Detail, es gibt viel zu besprechen. Die Lernrückstände sind sehr unterschiedlich. Es gibt Schulen wie auch Schülerinnen und Schüler, bei denen es trotz Corona gut lief, auch weil Eltern und Lehrkräfte Großes geleistet haben. Andere hatten weniger Unterstützung, konnten dem Stoff nur schwer folgen, und manche waren monatelang abgetaucht. Da muss man differenzieren. Wir wollen nach Pfingsten anfangen, bei besonders betroffenen Schülern nachzusteuern, dann die Sommerferien für freiwillige Programme nutzen, aber auch im nächsten Schuljahr weitermachen – zusätzlich zum Unterricht und auch in den Unterricht integriert.

Wie soll das eigentlich gehen neben dem normalen Unterricht?

Man muss Abstriche machen. Wir werden den verpassten Stoff nicht eins zu eins aufholen können. Es sollte auch nicht für alle Schülerinnen und Schüler das gleiche Programm geben. Das muss individuell sein. Man kann aber auch nicht einfach im Klassenverband weitermachen, wenn manchen Schülern Grundlagen für neue Inhalte fehlen. Hier werden die Details in Gesprächen mit den Beteiligten erarbeitet.

Kinder werden nicht geimpft. Wieso sollte das neue Schuljahr eigentlich anders laufen als das aktuelle?

Es wird Impfmöglichkeiten für Kinder ab zwölf Jahren geben. Wir planen auch Impfangebote für Schüler, wenn die Freigabe kommt und es genug Impfstoff gibt. Wenn das klappt, können Schüler ab Zwölf – wenn sie und die Eltern es wollen – bis zum Beginn des nächsten Schuljahres geimpft werden. Zudem sind immer mehr Lehrkräfte geimpft.

Zigtausende Kinder sind unter zwölf.

Für mich ist klar, dass Unterricht auch für Jüngere und nicht Geimpfte nächstes Schuljahr verlässlich stattfinden soll. Wir haben ja auch noch Masken, Tests und Hygienepläne. Wir wissen zudem, dass Kinder grundsätzlich zum Glück leichtere Covid-Verläufe haben. Das alles stimmt optimistisch, dass wir ein normaleres Schuljahr vor uns haben. Das ist wichtig: Denn die schulischen Belange, das Recht auf Bildung, sind für mich ganz zentral.

Das könnte zu vielen Infektionen in diesen Altersgruppen führen. Können Sie das verantworten?

Die Verläufe bei Kindern und Jugendlichen sind laut bisherigen Erkenntnissen relativ verhalten. Man muss natürlich sehen, ob wir bis dahin mehr über Spätfolgen wie Long-Covid wissen. Aber grundsätzlich sehe ich die Schulen, bei entsprechendem Infektionsgeschehen, offen. Vielleicht muss man darüber reden, die Präsenzpflicht weiterhin auszusetzen, aber das kann man jetzt noch nicht abschließend bewerten.

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Erstellt:
22.05.2021, 20:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 24sec
zuletzt aktualisiert: 22.05.2021, 20:00 Uhr

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