Vertreterversammlung der Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg

Nagolds Oberbürgermeister stahl den Bankern die Schau

Bei der Vertreterversammlung der Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg warb Jürgen Großmann bei anderen Kommunen um Unterstützung für die Bundeswehr. Beim Kreditinstitut brachte das Jahr 2017 wieder ein ordentliches Ergebnis.

08.05.2018

Von Gert Fleischer

J. Großmann

J. Großmann

Der Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg (VBHNR) geht es gut, aber es könnte ihr besser gehen – wäre da nicht die anhaltende Niedrigzinsphase, die dem Institut nur knappe Verdienstmargen lässt. Alle Beschlüsse der dreistündigen Vertreterversammlung am Montagabend in der Nagolder Stadthalle fielen einstimmig und ohne
Enthaltung, auch der, der den Teilhabern 3 Prozent Dividende zukommen lässt.

Vorstandssprecher Jörg Stahl würdigte zunächst den Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der vor 200 Jahren geboren wurde und zu den Gründern des Genossenschaftswesens und damit auch der Volksbanken gehört. Weltweit seien heute mehr als eine Milliarde Menschen Mitglied in einer Genossenschaft. Am Ende der Versammlung sprach Roman Glaser, der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), einen anderen 200. Geburtstag an, der gerade gefeiert wird, den von Karl Marx. Er sagte: „Der eine hat ‚Das Kapital‘ geschrieben, der andere hat das Kapital in die Pflicht
genommen.“

Die Entwicklung der genossenschaftlichen Finanzgruppe, so Bankdirektor Stahl, sei trotz wachsender Regulatorik, niedriger Zinsen, veränderten Kundenverhaltens und Digitalisierung stabil und erfolgreich. Es sei erforderlich, den Strukturwandel fortzusetzen. Das heißt, die Zahl der Banken, ihrer Filialen und inzwischen auch der Geldautomaten gehe zurück. Nach einer Umfrage unter den eigenen Mitgliedern kommen 71 Prozent weniger als ein Mal oder gar nicht pro Monat in eine der Volksbank-Filialen. 55 Prozent nutzen das Online-Banking.

Miet- statt Zinseinnahmen

Die Bilanzsumme der VBHNR wuchs wegen des kräftig gewachsenen Kundenkreditgeschäfts um 57 Millionen oder 2,6 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. Das Kreditgeschäft sei auch der strategische Wachstumsschwerpunkt der nächsten Jahre. Um 107 Millionen Euro gestiegen auf rund 2,7 Milliarden Euro ist die Summe der betreuten Kundenanlagen. Dank des guten Ergebnisses konnte die Bank das Eigenkapital um 8 Millionen Euro stärken.

Weil der Zinsüberschuss weiter um 3 Prozent rückläufig war und noch 40,5 Millionen Euro erbrachte, steckte die VBHNR einen Teil ihres Geldes in Immobilien. Inzwischen wurden 25 Millionen investiert, und es kommen schon die ersten Mieteinnahmen.

Die guten Ergebnisse bei den Dienstleistungen (Versicherungen, Bausparverträge, Wertpapiere, Immobilen-Vermittlung, Hausverwaltung) ließen den Provisionsüberschuss voriges Jahr um 7 Prozent oder 900.000 Euro steigen.

Das Teilbetriebsergebnis ging um 1,2 Prozent zurück. Die Risikosituation bezeichnete Jürgen Stahl als „völlig entspannt“ – das ist eine der positiven Auswirkungen der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase. Der Bilanzgewinn betrug voriges Jahr 3,1 Millionen Euro, der Jahresüberschuss 4,04 Millionen. 255.000 Euro spendete die Bank an gemeinnützige Institutionen, Vereine, Schulen, Kindergärten.

Die Prüfung durch den BWGV brachte keine Einwendungen. Der aus Altersgründen scheidende Aufsichtsratsvorsitzende Walter Seeger empfahl den 165 anwesenden stimmberechtigten Vertretern, den Jahresabschluss festzustellen und den Bilanzgewinn wie vorgeschlagen zu verwenden. So geschah es auch.

Stuttgarts Enge als Chance

Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann nutzte die von ihm beantragte und von der Versammlung bewilligte Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für einen flammenden Appell an die Kommunen des VBHNR-Geschäftsgebiets, bei Gewerbeansiedlung und Wohnungsbau zusammenzuarbeiten, um Wertschöpfung zu behalten und hinzuzugewinnen. „Wir wachsen“, sagte er; zum einen aus eigenem Potenzial, zum anderen von außen, vor allem aus dem Ballungsraum Stuttgart. Großmanns Folgerung daraus: „Wir müssen bauen, bauen und nochmals bauen!“

Der OB wies auf die beiden großen Nagolder Gewerbegebiete „Wolfsberg“ (80 Hektar, so gut wie voll) und „INGPark“ auf dem ehemaligen Kasernenareal Eisberg (87 Hektar) hin. „Die Unternehmen im Raum Stuttgart haben keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr, das ist unsere Chance.“

In Großmanns Vision gibt es spätestens im Jahr 2028 den Stundentakt per Bahn von Stuttgart 21 nach Nagold. Er freue sich, dass die Schienenstrecke Nagold-Horb – „von der Öffentlichkeit kaum bemerkt“ – ins Elektrifizierungsprogramm des Landes aufgenommen wurde. Für ihn sei dies ein „klares Signal“. Genau so klar erläuterte er, was er meint: Diese Elektrifizierung sei „eine Kompensation“ dafür, dass der Landkreis Calw „Aufgaben der Sicherheit übernimmt“.

Bund und Land gegen Haiterbach

Es geht um die Sicherheit Deutschlands, es geht um die Bundeswehr. Das in Calw stationierte Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) will zusammen mit befreundeten amerikanischen Truppen an 120 Tagen im Jahr das Gelände des Flugsportvereins Nagold/Haiterbach als Absetzgelände für Fallschirmspringer nutzen. Die Haiterbacher lehnten das im September in einem von der Bürgerinitiative „Kein Fluglärm über Haiterbach“ herbeigeführten Bürgerentscheid mit knapp 60 Prozent ab. Doch die Landesregierung will die Bundeswehr weiter unterstützen. Auf ihrem Beteiligungsportal fügte sie schon im Juli ein: „Die Stadt Haiterbach hat beschlossen, einen Bürgerentscheid durchzuführen. Dieser bindet nur die Stadt selbst und nicht die Bundesbehörden.“ Gisela Erler (Grüne), Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung im Staatsministerium Baden-Württemberg, erklärte im Februar im SWR-Fernsehen, die Landesregierung halte Haiterbach weiterhin für den besten Standort und gehe davon aus, dass er „mit hoher Wahrscheinlichkeit genehmigt wird“.

Deshalb wirbt Nagolds OB Großmann, der von Anfang an wie auch der Haiterbacher Bürgermeister für das Bundeswehr-Ansinnen war, nun für Unterstützung aus den Nachbarkommunen. Auch die könnten vom S-Bahn-Stundentakt profitieren. „Wir brauchen Sie als Mitstreiter“, rief Großmann den Verwaltungsvertretern zu (für Rottenburg war Bürgermeister Hendrik Bednarz da). „Solch eine wichtige strategische Entscheidung können wir nur Schulter an Schulter schaffen.“

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Erstellt:
08.05.2018, 22:51 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 34sec
zuletzt aktualisiert: 08.05.2018, 22:51 Uhr

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