Am Donnerstag wird am Uni-Klinikum gestreikt

Nächster Streik: Am 25. Januar werden im gesamten Tübinger Uni-Klinikum nur Notfälle versorgt

Die Notversorgung ist auf jeden Fall sichergestellt“: Das verspricht Benjamin Stein, Bezirksgeschäftsführer der Gewerkschaft Verdi. Doch ansonsten rät er allen Patienten, das Universitätsklinikum am Donnerstag, 25. Januar, nach Möglichkeit zu meiden.

20.01.2018

Von Ulrich Janßen

Immer weniger Zeit für den Patienten bleibt den Pflegekräften im Tübinger Universitätsklinikum, sagt die Gewerkschaft. Archivbild: Ulrich Metz

Immer weniger Zeit für den Patienten bleibt den Pflegekräften im Tübinger Universitätsklinikum, sagt die Gewerkschaft. Archivbild: Ulrich Metz

„Wenn die Arbeitgeberseite nur millimeterweise vorrückt“, erklärte Stein am Freitag auf einer Pressekonferenz im Uniklinikum, „müssen wir sie in ihrem Denkprozess bestärken.“ Und das geschehe am wirkungsvollsten mit einem Streik. „Die Arbeitgeber glauben, dass die Beschäftigten keinen Streik wollen, aber da täuschen sie sich.“ Die letzte Verhandlungsrunde am 15. Januar verlief ohne Ergebnis, bislang sind weitere Gespräche nicht in Sicht, jetzt wird an allen vier Kliniken gestreikt.

Angela Hauser hatte den Journalisten einen dicken Stapel von Überlastanzeigen mitgebracht, um zu dokumentieren, wie groß der Druck ist, unter dem die Pflegekräfte der baden-württembergischen Universitätskliniken stehen. In den Überlastanzeigen beschreiben Pflegekräfte besonders stressige Situationen und die Folgen für die Patienten. Ein Beispiel: „Patient ist verstorben, kein Mensch hat es gemerkt (Zeitmangel).“ Zwar werden die Anzeigen der Verwaltung getreulich übergeben, doch würden sie dort „nur abgeheftet“, glaubt die Personalratsvorsitzende des Tübinger Klinikums, die gestern als Mitglied der Verdi-Verhandlungskommission auftrat.

Die Folge der Missachtung beschrieb auf der Pressekonferenz die Krankenpflegerin Lena Weigold: „Die Kolleginnen und Kollegen sind frustriert und wütend.“ Anschaulich schilderte sie, wie eng es oft zugeht, wenn Pflegende krank sind und in der Not Auszubildende oder Servicekräfte einspringen müssen. „Wir schaffen es oft nicht einmal, die Hände so zu desinfizieren, wie wir das eigentlich müssten.“ Verdi betont deshalb, dass „wir nicht für uns, sondern für die Patienten streiken“. Dass es am Ende auch die Patienten und Versicherten sind, die über ihre Krankenkassenbeiträge die erhofften zusätzlichen Kräfte finanzieren, ist den Gewerkschaften klar.

Wie mehrfach berichtet, geht es bei den Auseinandersetzungen diesmal nicht um mehr Lohn. Die Gewerkschaft fordert vielmehr für alle Bereiche im Klinikum feste Schlüssel für das Verhältnis von Pflegekräften und Patienten: „Mindestbesetzungen in allen Pflegebereichen“, heißt das im Streikaufruf der Gewerkschaft. Außerdem will Verdi von den Arbeitgebern schriftlich zugesichert bekommen, was passiert, wenn die vorgeschriebene Personalausstattung nicht eingehalten wird. „Konsequenzenmanagement“ lautet das Stichwort.

Streiks für Mindestbesetzungen in der Pflege gab es in Deutschland noch nicht – mit einer Ausnahme. An der Charité in Berlin wurden 2016 nach einem wochenlangen Streik bestimmte Fachkräftezahlen für jede Station vereinbart. Ansonsten aber herrschen in allen deutschen Krankenhäusern nach Einschätzung von Hauser ähnlich frustrierende Zustände: „Die anderen werden deshalb sehr genau darauf gucken, was wir hinkriegen“.

In Baden-Württemberg haben sich die Arbeitgeber der vier großen Universitätskliniken zu einem Tarifverbund zusammengeschlossen. Sie argumentieren, dass die württembergischen Universitätskliniken jetzt schon „besser aufgestellt sind als viele andere Krankenhäuser“. Eine Mindestbesetzung lehnen die Arbeitgeber ab. „Wir wissen nicht, welcher Patient vom Notarztwagen zu uns gebracht wird – eine tarifliche Regelung mit starren Besetzungsschlüsseln halten wir daher nicht nur für nicht durchführbar, sondern keinesfalls im Sinne der Patienten“, erklärte die Kaufmännische Direktorin des Tübinger Klinikums Gabriele Sonntag. Angeboten haben die Arbeitgeber unter anderem die Einstellung von insgesamt 120 zusätzlichen Kräften (an allen vier Kliniken) und einen Springerpool für Ausfälle durch Krankheiten.

Die Arbeitgeber setzten auf Flexilisierung, meinen die Verdi-Leute dazu. Sie wollten, wenn es eng wird, schnell Personal einsetzen können. Das aber widerspreche den Interessen der Beschäftigten: „Wir wollen Dienstplansicherheit und keine Anrufe am Abend, ob man einspringen kann, weil die Kollegin krank ist.“

Der Streiktag am Universitätsklinikum

Vom Beginn der Frühschicht bis zum Ende der Spätschicht werden die gewerkschaftlich organisierten Pflegekräfte (wie viele es sind, sagt die Gewerkschaft nicht) am Donnerstag, 25. Januar, streiken. Es kann sein, dass sogar zwei Stationen komplett geschlossen werden müssen. In den Stationen bleiben die Patienten aber nicht allein: „Es gibt mindestens eine Wochenend-/Nachtdienstbesetzung.“ Aufwändige Behandlungen und Operationen, die nicht unbedingt nötig sind, werden aber verlegt werden müssen. Schon in den Tagen vorher kann die Neuaufnahme von Patienten eingeschränkt werden. Die Streikenden treffen sich ab 6 Uhr im Casino Berg, wo auch um 13 Uhr eine Kundgebung stattfindet. Um 7 Uhr fährt ein Bus nach Ulm zur Unterstützung der dort Streikenden.

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Erstellt:
20.01.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 20.01.2018, 01:00 Uhr

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René Alt 21.01.201820:21 Uhr

Als regelmäßiger "Gast" des Uniklinikums kann ich den Streikenden nur den Rücken stärken! Zu wenig Pflegepersonal ist für die Klinikmitarbeiter anstrengend und für uns Patienten oftmals auch sehr unbefriedingend. Eine maßvolle Erhöhung des Pflegepersonals sollte es uns allen Wert sein, da doch jeder mal in die Situation kommen wird, in der Klinik behandelt werden zu müssen.

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