Pandemie

Nachverfolgung der Kontakte klappt landesweit

Gesundheitsämter können Kontakte nachvollziehen – auch oberhalb des Grenzwerts der 50er-Inzidenz. Wegen der geltenden Beschränkungen sind Infektionsketten meist kurz.

24.02.2021

Von AXEL HABERMEHL UND JENS SCHMITZ

Eine Mitarbeiterin einer Schnellteststation führt in einem Container einen Schnelltest durch. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Eine Mitarbeiterin einer Schnellteststation führt in einem Container einen Schnelltest durch. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Stuttgart. Seit mehr als einer Woche liegt nun die 7-Tage-Inzidenz von Corona-Infektionen im baden-württembergischen Durchschnitt unter der als entscheidend eingestuften Grenze von 50. Die Lockdown-Maßnahmen haben die Ansteckungsquoten nach unten gedrückt. Zudem ist eine von der Landesregierung als zentral markierte Säule der Pandemie-Bekämpfung stabil: die Kontaktpersonen-Nachverfolgung (KPNV) von nachweislich Infizierten, das „Tracing“. Das geht aus einer Stichproben-Umfrage dieser Zeitung unter 16 von landesweit 44 Gesundheitsämtern hervor.

Alle Ämter erklären, die KPNV gewährleisten zu können, in städtischen wie ländlichen Regionen, ob aktuell mit eher hohen oder niedrigen Ansteckungsraten konfrontiert. Auch übergeordnete Stellen geben Entwarnung.

„Nach den uns vorliegenden Informationen können die Gesundheitsämter zur Zeit die Kontaktpersonennachverfolgung problemlos abbilden“, erklärt der Landkreistag. Fast alle Gesundheitsämter sind in den Landratsämtern angesiedelt. „Die Kontaktnachverfolgung ist in Baden-Württemberg derzeit in vollem Umfang möglich“, meldet auch das Landes-Gesundheitsministerium von Manfred Lucha (Grüne).

Das sah im Herbst, zu Beginn der zweiten Welle, anders aus. Ende Oktober, zwei Tage vor der Verhängung der später als „Lockdown light“ bezeichneten Maßnahmen, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unter Verweis auf das Robert Koch-Institut, 75 Prozent der Corona-Infektionen seien nicht mehr klar nachverfolgbar.

Damals lag die Inzidenz bei 95. Mitte November, die Inzidenz war inzwischen auf 134 gestiegen, schrieb das Gesundheitsministerium im Zusammenhang mit der Nachverfolgung von einer „zum Teil nicht mehr bewältigbaren Herausforderung“. Das bisherige Konzept der KPNV wurde überarbeitet, die Ämter durch interne Umschichtungen von Personal sowie durch Medizinstudenten und Soldaten der Bundeswehr verstärkt.

Auch den wenig später weiter verschärften Lockdown rechtfertigte die Landesregierung stets mit der KPNV. Nur bis etwa zu einer Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100?000 Einwohnern in einer Woche seien Gesundheitsämter personell in der Lage, die Nachverfolgung zu gewährleisten. Oberhalb der Grenze, die auch im reformierten Bundes-Infektionsschutzgesetz als Schwellenwert für „umfassende Schutzmaßnahmen“ fungiert, drohe man die Kontrolle zu verlieren, weil Kontaktpersonen nicht mehr rechtzeitig identifiziert, in Quarantäne geschickt und getestet werden könnten.

Doch inzwischen trauen sich personell verstärkte Gesundheitsämter mehr zu. „Das Landratsamt kann auch bei der aktuellen Inzidenz die Kontaktnachverfolgung gewährleisten“, betont eine Sprecherin des Landratsamtes Schwäbisch-Hall. Der Kreis hatte am Montag eine Inzidenz von 118, die höchste im Land.

Auch andere Ämter erklären, die Nachverfolgung sei auch oberhalb einer 50er-Inzidenz möglich. Nach Erfahrungen des Esslinger Amts liegt die Schwelle erst viel höher: „Bei einer Inzidenzzahl von deutlich über 100 bis 150 ist die Kontaktpersonennachverfolgung an Grenzen gestoßen.“

Ein Grund dafür liegt auf der Hand: der Lockdown. Menschen haben wenig Kontakte, also ist wenig nachzuvollziehen. Der Rhein-Neckar-Kreis meldet, meist gebe es pro Fall nur eine Kontaktperson. „Das erlaubt uns auch bei einer 7-Tages-Inzidenz von größer als 50, die Infektionsketten nachzuverfolgen“, schreibt ein Sprecher. Entsprechend loben viele Ämter die Kontaktbeschränkungen.

Alle berichten, betroffene Bürger kooperierten meist gut. Das lasse jedoch nach. Man habe „konkrete Hinweise“, dass Personen in einigen Fällen „nicht die ganze Wahrheit“ sagten, berichtet das Landratsamt Karlsruhe.

„Wenn Personen sich bei Kontakten, in die sie sich laut der geltenden Coronaregeln nicht hätten begeben sollen, angesteckt haben, ist die Motivation, dies dem Gesundheitsamt zu offenbaren, sicher geringer“, heißt es. Als Beispiele nennt das Amt Essens- oder Raucherpausen in Betrieben.

An der Belastbarkeit der Auskünfte von Infizierten aber hängt das ganze Konstrukt. Oder, wie es das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald formuliert: „Keine Angabe – keine Nachverfolgung möglich.“