Naturfreibad Herrenberg · „Jetzt ist es fast wie Adriawasser“

Nach umfangreicher Sanierung funktioniert das Herrenberger Naturfreibad wieder ohne Probleme

Matthias Forner muss nicht mehr über den Zaun des Herrenberger Freibades steigen. Wenn er in den letzten zwei Sommern dort baden wollte, war es geschlossen. Deshalb ist er einmal über den Zaun, hinein ins Wasser – und gleich wieder raus: „In dem Giftcocktail bin ich nicht länger drin geblieben.“ Jetzt badet er dort ganz entspannt: „Das Wasser ist so klar wie nie.“

06.07.2017

Von Carolin Albers

Nach der aufwändigen Sanierung des Herrenberger Naturfreibades ist wieder unbegrenzter Badespaß angesagt. Bilder: Albers.

Nach der aufwändigen Sanierung des Herrenberger Naturfreibades ist wieder unbegrenzter Badespaß angesagt. Bilder: Albers.

Eine Erfolgsgeschichte kann das Naturfreibad Herrenberg bisher nicht aufweisen, seit es vor zwei Jahren eröffnet wurde. Von seiner Art her ist es einmalig in der Region: Statt mit Chlor wird das Wasser ökologisch aufbereitet. Doch schnell machte das grüne Becken Probleme: Eine überhöhte Bakterienkonzentration zwang die Herrenberger zur Schließung.

Erneuter Versuch 2016: Zuversichtlich ging es in eine neue Saison – doch auch letztes Jahr machte das Bakterium „Pseudomonas aeruginosa“ den Badenden einen Strich durch die Rechnung. Vorzeitig schloss das Freibad erneut wegen Grenzwertüberschreitung des Bakteriums.

Bisher ohne Probleme läuft der Betrieb in dieser Saison. Florian Müller, Chef der Stadtwerke Herrenberg, war bereits im letzten Jahr optimistisch, dieses Mal strahlt er „begründeten Optimismus“ aus: Die Ursache für die überhöhte Keimanzahl im Becken haben sie gefunden, die Sanierungsarbeiten sind beendet.

Bei den ersten Schließungen habe man kleinere Maßnahmen ergriffen, erklärt Florian Müller. Zum Beispiel die Rohre ausgewechselt. Das hat jedoch nicht gereicht, das zeigten die nächste Messung und die darauffolgende Schließung. Daraufhin schalteten die Stadtwerke einen Gutachter und einen Sachverständigen ein. Nun weiß man: Der Neptunfilter war die Ursache, genauer gesagt seine Granulatschicht.

Das Wasser aus dem Becken fließt zur Aufbereitung in einen Bereich, in dem viele kleine Mini-Sprenkler das Wasser auf den Filter sprühen, das Granulat. Wenn das Wasser durch das Granulat sickert, wird es gereinigt. Darunterliegende Rohre lassen das Wasser durch etwa einen MilIimeter große Öffnungen durchsickern. Das nun saubere Wasser fließt zurück ins Becken. So die Theorie.

Die Praxis und die überhöhte Bakterienzahl zeigten, dass irgendwo ein Fehler sein musste. Dass etwas mit dem Granulat nicht stimmen konnte, bemerkten die Stadtwerke, als sie sahen, dass das Wasser, das aus dem Becken zum Reinigen floss, sauberer war als das Wasser, das aus der Wasseraufbereitungsanlage zurück ins Becken strömte.

„Das Granulat hat seine Aufgabe als Filter nicht erfüllt“, sagt Florian Müller. Die Qualität war nicht gut, denn es enthielt viel Feinkorn. Das spülte das Wasser, das durch das Granulat fließt, einfach mit ins Becken. Im Becken heftete es sich an Algen, die auf den Boden sanken, da sie nun schwerer waren. Der Algenteppich auf dem Boden war ein perfekter Nährboden für Bakterien. Viel Bewegung – etwa Kinder, die ins Wasser sprangen – wirbelten das Wasser auf und verteilten die Bakterien somit im ganzen Becken. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Das Freibad musste vorzeitig schließen.

Letztes Jahr wurde das Granulat komplett ausgetauscht – 1800 Tonnen. Ungefähr 70 Mal musste ein 40-Tonnen-Lastwagen fahren, um das Granulat auszutauschen. „Das war eine große Nummer für uns“, sagt Florian Müller. Immerhin: Die Stadt Herrenberg zahlte nichts von den Kosten der Sanierungsarbeiten.

„Wir mussten einen Vertrauensverlust erleiden“, erzählt der Chef der Stadtwerke. Trotzdem hätten sie keine Verluste bei den Besucherzahlen und bekommen sehr viel Rückmeldung, überwiegend positive. „Wir haben hervorragende Besucherzahlen“, freut sich Florian Müller.

Anders sieht das Badegast Gisela Stützle. Sie findet, dass man merkt, dass weniger los sei im Becken. „Ich denke, die wissen gar nicht, was sie verpassen.“, sagt sie über die fehlenden Badegäste. Sie kommt vier bis fünf Mal die Woche zum Schwimmen ins Freibad. Wie auch die letzten zwei Jahre schon, hat sie eine Dauerkarte. „Ärgerlich war es schon“, sagt sie zur Schließung. „Ich bin letztes Jahr ins Hallenbad gegangen“.

Besitzer einer Dauerkarte bekamen eine Entschädigung ausgezahlt und dieses Jahr Rabatt auf die Saisonkarte. Auch Ute Krist besitzt eine Saisonkarte. Momentan nutzt sie ihre Mittagspause, um täglich ihre Bahnen zu ziehen. „Ich liebe es, nicht in purem Chlor zu schwimmen“, sagt sie über das Naturfreibad. Und findet es toll, dass eine Stadt wie Herrenberg überhaupt noch in Bäder investiert, wo der Trend doch sei, immer mehr Bäder zu schließen.

Dass alles gut läuft, freut auch Matthias Forner, der jeden Tag für ein paar Stunden ins Freibad kommt. „Früher hat das Freibad ausgesehen wie ein umgekippter Seerosenteich“, sagt er. „Eine dunkelgrüne, eiskalte Brühe war das, keine eineinhalb Meter weit hat man gesehen, wenn man reingesprungen ist. Jetzt ist es fast wie Adriawasser.“

Als das Bad vor einem Jahr schloss, war er auch gerade im Wasser. „Die Finanzbürgermeisterin von der Stadt kam und machte die Durchsage: Wegen zu hoher Bakterienkonzentration im Wasser muss das Freibad geschlossen werden und alle müssen sofort raus aus dem Wasser.“ Zehn Minuten später war dann niemand mehr im Wasser, berichtet er. „Ich habe damit gerechnet, dass sie das Freibad zumachen und auf Chlor umstellen. Die Frage ist, wieso es zwei Mal geschlossen werden musste, bis man herausgefunden hat, dass man ein anderes Granulat nehmen muss.“

Aber Hauptsache ist: Das Baden macht jetzt wieder Spaß. Der Stadtwerke-Chef Florian Müller ist da noch etwas vorsichtig: „Wir hoffen, dass es auch so bleiben wird. Eine Garantie – mit der Vorgeschichte – kann ich nicht geben.“

Der Nassfilter, ein separates Becken mit Filtersubstrat und Wasserpflanzen. Sie entkeimen das Wasser und befreien es von Schmutz.

Der Nassfilter, ein separates Becken mit Filtersubstrat und Wasserpflanzen. Sie entkeimen das Wasser und befreien es von Schmutz.

Barrierefrei und mit 50 Meter-Sportbecken

Am 15. Mai 2015 wurde das Naturfreibad in Herrenberg nach nur 13 Monaten Bauzeit beim bestehenden Hallenbad eröffnet. Es hat ein 50-Meter-Sportbecken und einen Fünf-Meter-Sprungturm, einen großen Kinderbereich mit Bachlauf und sogar eine Kletterwand. Alles ist barrierefrei angelegt. Die Stadt Herrenberg investierte 5,7 Millionen Euro in das neue Naturfreibad, das mit biologischer Wasseraufbereitung ausgestattet ist und ohne Chlor auskommt. In den ersten beiden Monaten nach der Eröffnung kamen weit über 50 000 Besucher. Doch schon Anfang August 2015 machten sich die Keime breit.

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Erstellt:
06.07.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 48sec
zuletzt aktualisiert: 06.07.2017, 01:00 Uhr

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