Schatz des Monats · Malanggan

Nach dem Fest weggeworfen

Malanggan – die Südsee-Kunstwerke wurden zur Erinnerung an die Verstorbenen geschnitzt.

28.12.2017

Von Susanne Beck

Auf der Insel Neuirland, die vor der Nordostküste von Neuguinea liegt, werden die dort zur Ahnenverehrung gehörenden Totenerinnerungsfeiern „Malanggan“ genannt. Malanggan heißen auch die Kunstwerke, mit denen die für die Feiern errichteten Festplätze geschmückt wurden. Diese bestehen zum größten Teil aus so komplexen Schnitzwerken, wie die hier abgebildeten säulenförmigen Malanggane.

Der Form nach Baumstämme

Auf den Festplätzen werden diese Malanggane, die in ihrer äußeren Gestalt die Form der Baumstämme aufnehmen, aus denen sie geschaffen wurden, in so genannten Malanggan-Häusern den Fest-Teilnehmern präsentiert. In der „Weltkulturen“-Ausstellung des Museums der Universität (MUT) im Fünfeckturm des Schlosses wurde versucht, durch Verwendung der gleichen Blatt-Materialien, wie sie auch auf Neuirland zum Einsatz kommen, in einer Wandnische die Ansicht der Rückwände solcher Häuser zu simulieren.

Totenerinnerungsfeiern dieser Art, die jeweils von einem Clan für besonders angesehene Clan-Mitglieder ausgerichtet wurden, fanden nur etwa im Abstand von zehn bis fünfzehn Jahren statt. Sie konnten auch nicht unmittelbar nach dem Tode des betroffenen Clan-Mitgliedes durchgeführt werden. Das lag zum einen daran, dass die Arbeiten an den Malanggan-
Schnitzwerken, von den Künstlern jeweils neu für ein Fest ausgeführt, sich über mehrere Monate hinzogen. Zum anderen wurde aber auch mindestens ein Jahr benötigt, um die Aufzucht und Mast von Schweinen sowie die Steigerung des Ertrags, insbesondere von Bodenfrüchten, so weit zu treiben, dass beides in ausreichender Menge sowohl für die Bezahlung der Künstler als auch für die Bewirtung der Gäste während des Festes zur Verfügung stand.

Neben den Malangganen in Säulenform gibt es auch solche, die in Brett- oder Fries-Form geschnitzt werden. Präsentiert werden sie auf den Festplätzen in ähnlicher Weise wie die säulenförmigen, allerdings werden sie dabei, übereinander angeordnet, direkt auf die Blätter-Rückwände montiert. Die eigens dafür errichteten Häuser wurden entsprechend flacher und nur mit einem verkürzten Schutzdach gebaut.

Besondere Eigenarten

Der Sinn der Malanggan-
Schnitzwerke in beiden Formen bestand darin, durch die Ausgestaltung der Figuren mit verschiedenen Motiven und ihrer Kombination besondere Eigenarten der mit dem Malanggan-Fest geehrten Verstorbenen zu symbolisieren. Damit war die Vorstellung verbunden, dass die Verstorbenen in dieser Gestalt den Feierlichkeiten beiwohnten. Bei der Herstellung der Kunstwerke wurde dies am Prozess der Bemalung in dem Sinne festgemacht, dass damit eine fortschreitende Verlebendigung einherginge. Diese fand ihren Höhepunkt und Abschluss mit dem Einsetzen der Augen, die aus dem Deckel-Verschluss einer im Pazifik heimischen Seeschnecken-Art bestehen.

Endgültig verabschiedet

Ihre Bestätigung fanden diese Vorstellungen nach dem Ende der sich über mehrere Tage erstreckenden Feierlichkeiten. Von den mit dem Fest geehrten Verstorbenen wurde nun angenommen, dass sie sich mit Ende des Fests endgültig aus dem Bereich der Lebenden verabschiedet hätten. Sie hätten sich aus den Figuren zurückgezogen und diese selbst wurden nun als leblos erachtet. Als solche wurden sie achtlos fortgeworfen und dem Verfall in dem vorherrschenden feuchtheißen Klima überlassen. Dr. Volker Harms

Die Sammlungen des Museums der Universität

Das Museum der Universität Tübingen (MUT) präsentiert etwa 4000 Objekte von der Urgeschichte bis zur Klassischen Antike. In der Reihe „Schatz des Monats“ stellen die Kustod(inn)en des Schlosses die Highlights der Dauerausstellung vor. Die Sammlungen im Schloss Hohentübingen sind mittwochs bis sonntags von 10–17 Uhr und donnerstags von 10–19 Uhr geöffnet. Führungen: 0 70 71 / 2977 384 oder www.unimuseum.de.