Entringen · Gutenachtgeschichte

Nach Sizilien und Afghanistan

Gelungene Premiere auf der Freibadwiese.

29.08.2020

Von Andreas Straub

Auf der Wiese am Entringer Freibad nahm Sabine Kappeler im Lesesessel Platz (rechts). Bild: Anne Faden

Auf der Wiese am Entringer Freibad nahm Sabine Kappeler im Lesesessel Platz (rechts). Bild: Anne Faden

Mit zwei ganz unterschiedlichen Geschichten feierte die Gutenachtgeschichte des TAGBLATTs am Donnerstag eine gelungene Premiere auf der Entringer Freibadwiese. Einige Leute gingen schon routiniert zum leeren Schwimmbecken, das zuletzt mit Konzerten bespielt wurde. Diesmal spielte die Musik aber auf der Wiese. Zu Beginn, zwischendurch und am Ende spielte Johannes Bauer mit einem eigens zusammengestellten Bläserensemble. Die Hälfte der rund 80 Zuhörer hatte sich vorab angemeldet, die andere Hälfte war spontan gekommen. „Vom kurzentschlossenen Vorbeikommen lebt die Gutenachtgeschichte. Normalerweise sind wir an 15 verschiedenen Orten im Landkreis Tübingen“, berichtete die für die Organisation zuständige Verlagsmitarbeiterin Eva-Maria Schneider. Dieses Jahr sei es, nachdem die Regeln klar waren, schwierig gewesen, geeignete Orte zu finden. „Wir sind froh, dass die Gutenachtgeschichte überhaupt stattfinden kann.“ Auf der idyllischen Freibadwiese ließen sich Abstände problemlos einhalten.

Zuerst nahm der Entringer Elektriker Georg Hofer im Lesesessel Platz. Der 70-Jährige reist gerne mit dem Motorrad durch Europa. Dieses Jahr fuhr er nur an den Bodensee. Literarisch nahm er das Publikum mit auf eine Reise nach Sizilien: Hofer las aus dem launigen Kriminalroman „Tante Poldi und der Gesang der Sirenen“ von Mario Giordano. Hauptfigur und Hobbyermittlerin Poldi heiratet Commissario Montana. Das ist jedenfalls der Plan. Die Hochzeitsvorbereitungen laufen, die Nerven liegen blank. Und selbstverständlich kommt etwas dazwischen. Ein unbeliebter und zwielichtiger Unternehmer verschwindet. Mit dem Mafiosi fehlt Bargeld in Millionenhöhe.

Im Buch heißt es, spurlos verschwinden könne man beispielsweise, indem die Leiche in Säure aufgelöst werde. Eine andere Variante sei, selbst abzutauchen. Und das ist noch nicht einmal verboten, wenn nicht gerade viele Leute nach einem suchen. Später wird auf der Isola Bella vor Taormina die Leiche einer jungen Norwegerin angespült. Für die Poldi steht fest: Es war Mord, und beide Fälle hängen zusammen.

Hofer versuchte sich immer wieder in italienischen und bayerischen Aussprüchen. „Ich mag Italien wegen der Spaghetti, wegen dem Wein und wegen der Landschaften“, sagte er. Auch einen Witz hatte er parat. Der Herrgott habe von der ganzen Welt die schönsten Stücke zusammengesucht und Sizilien daraus gebaut. Als die Engel protestierten, dass es zu schön werde, habe er die Sizilianer erfunden und auf die Insel gebracht.

Einen anspruchsvollen Roman hatte sich Vorleserin Sabine Kappeler ausgesucht. Die 57-jährige Apothekerin las aus Khaled Hosseinis „Drachenläufer“. Darin geht es um eine Kindheit in Afghanistan. „Das ist eines meiner Lieblingsbücher“, sagte sie. Es zeigt den Wandel in Afghanistan und beginnt an einem Wintertag 1975. Kappeler las klar und gut, aber wer das Buch nicht kannte, tat sich schwer mit den Zeitsprüngen und den vielen unterschiedlichen Namen. Erzählt wird von der Freundschaft zwischen Amir und Hassan, zwei Jungen aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Kabul. Assef ist Amirs Gegenspieler, der in seiner Kindheit Hassan vergewaltigte. Kappeler las eine Stelle, in der ein Mullah den Islam lehrt und den Vorgaben mit einer Weidenrute Nachdruck verleiht. Baba, Amirs Vater meint, der Mullah verwechsle Schule mit „tatsächlicher Bildung“ und gießt sich einen Whiskey ein. Weil Alkohol eigentlich verboten war, holten viele Afghanen ihren Scotch in Apotheken. Schon die braunen Papiertüten, so Apothekerin Kappeler, sorgten für argwöhnische Blicke.

Info Die TAGBLATT-Gutenachtgeschichte kostet keinen Eintritt. Die Spenden aus dem Hut gingen am Donnerstag hälftig an den in Gründung befindlichen Förderverein des Entringer Freibads und an den Pflegedienstförderverein Ammerbuch. Den nächsten Halt macht die Gutenachtgeschichte unterwegs am Donnerstag, 3. September, in Tübingen hinter der Stiftskirche (19 Uhr). Am 10. September ist sie in Weilheim zu Gast.

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Erstellt:
29.08.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 50sec
zuletzt aktualisiert: 29.08.2020, 01:00 Uhr

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