Tübingen
Nach Party-Wochenende: Stadt plant Alkoholverbot
Nachdem am Wochenende Hunderte auf dem Tübinger Holzmarkt in die Nacht feierten, greift die Stadt nun wieder ein und bereitet eine Allgemeinverfügung vor, die den Ausschank und den Konsum von Alkohol außerhalb der Außengastronomie auf öffentlichen Plätzen im Stadtzentrum untersagen soll.
Bilder, die in den sozialen Medien herumgingen, zeigten: Abstände und Maskengebot wurden kaum eingehalten, die Feiernden ließen Müll und Scherben auf den Treppen zurück. Es sei „eine sehr aggressive Stimmung“ gegenüber den Beamten gewesen, so die Polizeisprecherin. Die Einsatzkräfte seien vereinzelt aus der Menge heraus, teils sogar in Sprechchören beleidigt worden. Körperliche Übergriffe auf die Beamten habe es allerdings nicht gegeben.
Von „einigen Auseinandersetzungen in der Mühlstraße und der restlichen Altstadt“ berichten junge Tübingerinnen und Tübinger, die in den Nächten auf Samstag und Sonntag unterwegs waren. Auf dem Holzmarkt selbst habe sich eine „besorgniserregende Zahl Feierwütiger“ versammelt, schildert ein 33-jähriger Arzt, der vor Ort war und anonym bleiben will. „Es war, so weit das Auge reichte, kaum noch ein Plätzchen frei.“ Auf der Treppe zur Stiftskirche „sowieso nicht“ – dort sei „kaum Stehen, geschweige denn Gehen“ möglich gewesen.
„Auf dem ganzen Holzmarkt war alles voll.“ Er selbst habe den Schauplatz – trotz vollständiger Impfung – gegen 23 Uhr verlassen: „Es war alles voller Menschen, dazwischen vielleicht mal ein Meter Platz.“ Einige Polizeistreifen, Security-Kräfte und Mitarbeiter des Ordnungsamts seien immer wieder über den Platz gelaufen, hätten zunächst aber nicht eingegriffen. Die Stimmung sei friedlich gewesen. Ein mulmiges Gefühl sei also nicht durch Aggressionen entstanden, sondern „eher durch Gedanken an Inzidenzen und die Pandemie“ ausgelöst worden.
Eine 30-jährige Studentin aus Tübingen war mit ihren Freundinnen in der Nacht auf Sonntag auf dem Holzmarkt. Dort sei es ebenfalls sehr „ausgelassen und eng“ zugegangen, schildert sie. Mit ihren Freundinnen musste sie um 21 Uhr ihren Tisch vor einer Bar in der Hafengasse verlassen: „Wir wurden gebeten auszutrinken.“ Eine Freundin habe noch zwei geschlossene Flaschen Wein erstanden, um auf dem Holzmarkt weiterzufeiern. „Es war uns dann bald zu voll und wir sind in eine Privatwohnung weitergezogen.“
Schon in der Nacht auf Donnerstag droht wieder Andrang, schließlich wird der Feiertag von mehr als 20 Grad am Mittwoch eingeläutet. Deshalb reagieren die Verantwortlichen: Wie Oberbürgermeister Boris Palmer sagte, werde ein Alkoholkonsumverbot auf öffentlichen Plätzen im Tübinger Zentrum geplant. Wie genau die Umsetzung aussehen, wann und wo das Verbot gelten wird, will die Stadt noch mitteilen.
Ein kreisweites Verbot des Alkoholkonsums auf öffentlichen Plätzen, das es von Anfang bis Mitte Mai gegeben hatte, sei dagegen nicht geplant, sagte ein Sprecher des Tübinger Landratsamtes. Nach dem Infektionsschutzgesetz wechsle die Zuständigkeit von Mittwoch an ohnehin wieder zu den Ortspolizeibehörden, sollte die Inzidenz im Landkreis Tübingen weiterhin und somit sieben Tage in Folge unter 50 bleiben.
Bürgermeister für Aufhebung der Sperrstunde
In einer gemeinsamen Pressemitteilung sprechen sich die Oberbürgermeister Boris Palmer, Frank Nopper (Stuttgart), Matthias Klopfer (Schorndorf) und Richard Arnold (Schwäbisch Gmünd) dafür aus, die Regelung, dass die Gastronomie um 21 (bald 22) Uhr schließen muss, zu kippen: „Die Schließung der Gastronomie reduziert die soziale Kontrolle und fördert aggressive Zusammenballungen. Der Wirt erhebt Daten und kontrolliert den Ausschank. Ruhigeres Publikum verlässt wegen der Schließzeit die Stadt schon um neun. Wer bleibt, bringt den Alkohol selbst mit, und dabei verlieren offenbar allzu viele die Kontrolle.“ In einem ersten Schritt müsse die Öffnung der Gastronomie bis 23 Uhr möglich sein. Außerdem fordern die vier OB mehr Polizeipräsenz, um ein erneutes Stress-Wochenende für Bewohner und Hauseigentümer in den Innenstädten zu vermeiden.