Hermann sorgt für Durchblick

Nach Optikern benannt, im Südwesten gefertigt: Brillenhersteller setzt auf Handarbeit

Die Manufaktur Spreitz in Metzingen stellt noch alle Teile einer Brillenfassung selbst her. Bei mehr als der Hälfte aller in Deutschland gefertigten Brillen hat das kleine Unternehmen seine Finger im Spiel.

26.01.2016

Von BIANCA FRIESS

Optikermeister Wolfgang Pupke (links) und Emil Spreitz (rechts) arbeiten bei ihrer eigenen Kollektion eng zusammen. Foto: Franke

Optikermeister Wolfgang Pupke (links) und Emil Spreitz (rechts) arbeiten bei ihrer eigenen Kollektion eng zusammen. Foto: Franke

Metzingen. Hermann hat Ecken und Kanten. Gerade mal acht Gramm bringt er auf die Waage. Das Brillenmodell ist aus Edelstahl gefertigt und wirkt schlicht und geradlinig. Seine ersten Tage verbrachte Hermann unter der Regie von Emil Spreitz und seinen Mitarbeitern in einer Brillenmanufaktur in Metzingen. Seit acht Jahren stellt Spreitz Brillen her.

Dabei war das Metier anfangs neu für den Geschäftsführer: Zuvor hat er als Verkaufsleiter in der Elektrobranche gearbeitet. Über eine Plattform der Industrie- und Handelskammer, die Nachfolger für Unternehmen vermittelt, stieß er auf die Brillenproduktion. Er übernahm den Betrieb. Das sei eine Bauchentscheidung gewesen. Die erste Kollektion war "absolut unverkäuflich", sagt Spreitz. "Da wären wir fast Pleite gegangen". Durch Ausprobieren wuchs aber die Erfahrung, die Fassungen wurden besser. Inzwischen produziert die Manufaktur mit zehn Mitarbeitern ungefähr 15 000 Brillen im Jahr.

"Außerdem liefern wir auch Brillenteile an die Großen der Branche", berichtet der Unternehmer. Bei ungefähr 60 Prozent aller in Deutschland gefertigten Brillen hätten sie ihre Finger im Spiel, schätzt er. Eine seiner Maschinen fertigt zum Beispiel Tag und Nacht so genannte Stegstützen: Dünne Metallteile, die die Pads, mit denen die Brille auf der Nase aufliegt, mit dem Gestell verbinden. Diese Teile werden dann auch an andere Hersteller weiterverkauft.

Brille Hermann nimmt ihren Anfang als aufgerollte Edelstahlplatte in einer Ecke der kleinen Produktionshalle. Daraus werden Flächen in etwa der Größe eines Taschenbuches ausgeschnitten, die anschließend in eine Lasermaschine wandern. Ein Fenster gewährt Einblick in die Maschine: Der Laser fährt leise über die silberne Platte, darunter sprühen ein paar Funken. Langsam entstehen Brillenbügel. Später sind dann die die Vorderteile an der Reihe.

Modell Hermann gehört zur Kollektion "Ludwigs". Diese Gestelle werden extra für Optik Metzger in Tübingen und Balingen gefertigt, benannt sind sie nach den Mitarbeitern. Seit Frühling vergangenen Jahres arbeitet der Optiker mit Spreitz zusammen. Seitdem konnten etwa 500 Fassungen der eigenen Kollektion verkauft werden. Entworfen werden die Modelle von den Optikern selbst.

Wolfgang Pupke, Optikermeister und Geschäftsführer, ist die Flexibilität wichtig. "Wenn ich einen Kunden mit einem Riesen-Kopf habe, kann ich die Brille hier einfach anders bestellen", sagt er. Außerdem werde hier alles noch in Baden-Württemberg gefertigt.

Das ist in der Branche selten geworden: Früher war Deutschland eine Brillen-Hochburg, berichtet Spreitz. Heute kämen die meisten Fassungen aus Fernost.

Hermann gelangt in Metzingen zur nächsten Station: In einem Nebenraum liegen Fässer aus Holz auf dem Boden. Die Luft ist warm und stickig, in zwei Fässern klappert es. Spreitz fasst in ein stillstehendes hinein und holt eine Hand voll kleiner Holzteile heraus. Darin werden die scharfkantigen Ränder der Brillen geglättet, erklärt er. Die Fassungen kommen hinein, dann drehen sich die Fässer. Die Brillenfassungen sind "eine gute halbe Woche nur beim Trommeln", sagt Spreitz.

Das "Trommeln" ist nur einer von bis zu 200 Produktionsschritten, die eine Brillenfassung bei der Manufaktur durchläuft. Danach werden werden die Scharniere für die Bügel mit Strom angeheftet, ein Schleifstein glättet kleine Unebenheiten. Bislang ist die Fassung aber noch flach wie ein Blatt Papier: Das Material muss erwärmt und gebogen werden. Um schließlich die Fassungen zu öffnen und die Gläser einzufügen, ist ein so genannter Schließblock nötig, ein winziges Metallteil. Auch dafür hat Spreitz eine eigene Maschine.

Die Manufaktur ist die einzige in Deutschland, die diese Teile noch produziert. Insgesamt gibt es in der Bundesrepublik fünf Brillenmanufakturen, berichtet Spreitz. Drei davon bieten aber nur Kunststoff-Fassungen an. "Wir sind die einzigen in Deutschland, die ein Komplettangebot haben", sagt der 46-Jährige. Alle Einzelteile werden in Metzingen selbst gefertigt.

In einem Durchgangsraum zwischen Büro und Produktionshalle sitzt Spreitz Sohn Max an einem Tisch. Er ist für die Endmontage zuständig. Normalerweise macht der 17-Jährige eine Ausbildung zum Augenoptiker bei Optik Metzger. Heute, an seinem freien Tag, bestückt er die Fassungen mit Gläsern. Das sind momentan aber nur Plangläser ohne Stärke, erklärt er. Auch dafür hat die Manufaktur eine eigene Maschine, die die Gläser in die richtige Größe schleift. Erst wenn der Kunde im Laden die Brille gekauft hat, werden die richtigen Gläser angepasst, erklärt Max. Das findet aber nicht mehr in der Metzinger Manufaktur statt.

Zum Schluss steckt Max noch Enden aus Gummi auf die Brillenbügel. Dann geht es für Hermann und seine Kollegen in den Brillenladen.

Ein Laser in der Produktionshalle in Metzingen schneidet die Brillen aus. Foto: Franke

Ein Laser in der Produktionshalle in Metzingen schneidet die Brillen aus. Foto: Franke

Danach müssen die scharfen Ränder geglättet werden. Foto: Franke

Danach müssen die scharfen Ränder geglättet werden. Foto: Franke

Foto: Franke

Foto: Franke

Zahlen und Bezahlen

Brillenträger 63,5 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung ab 16 Jahren trugen im Jahr 2014 eine Brille. Das hat die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse ermittelt. Darunter brauchen 35,6 Prozent ihre Brille ständig, 27,9 Prozent tragen sie nur gelegentlich.

Krankenkasse Die AOK Baden-Württemberg übernimmt für die Brillengläser einen Festbetrag. Je nach Art und Stärke der Gläser liegt der Betrag zwischen 10 Euro und ungefähr 114 Euro pro Glas. Kosten für das Gestell dürfen die Krankenkassen nicht übernehmen. bf