Ofterdinger gesteht Erpressung mit vergifteter Babynahrung

Der Supermarkt-Erpresser hat zwar gestanden, will aber kein Mörder sein

Der 54-Jährige gab am Montag in seinem Prozess vor dem Landgericht Ravensburg zu, Babybrei vergiftet und in Regale gestellt zu haben. «Ich möchte mich aber nicht zum Mörder machen lassen», mit diesen Worten beendete der Mann sein Geständnis. Die Dosis Frostschutzmittel in den Babybrei-Gläschen aber war tödlich.

08.10.2018

Von Pascal Tonnenmacher/dpa/lsw

Das Schild mit der Aufschrift «Landgericht» hängt am Landgerichtsgebäude in Ravensburg. Foto: Felix Kästle/Archiv dpa/lsw

Das Schild mit der Aufschrift «Landgericht» hängt am Landgerichtsgebäude in Ravensburg. Foto: Felix Kästle/Archiv dpa/lsw

Ein großes weißes Pflaster am linken Handgelenk zeugt noch vom Suizidversuch des Ofterdingers vor gut einer Woche. Nachdem der Prozessauftakt vor dem Ravensburger Landgericht wegen dieser Selbstverletzungen um eine Woche verschoben worden war, musste der 54-Jährige am Montag nun doch vor Gericht erscheinen. Fotoapparate klickten, seine Hände zitterten, lange Zeit vermied er Blickkontakte.

Dann las der Verteidiger das Geständnis des 54-Jährigen vor: Der Mann gibt zu, fünf Gläschen Babynahrung mit Ethylenglykol (Frostschutzmittel) vergiftet und in die Regale mehrerer Supermärkte in Friedrichshafen gestellt zu haben. Anschließend informierte er die Märkte, das Bundeskriminalamt und Verbraucherschützer per Mail über die platzierten Gläschen und versuchte, 11,75 Millionen Euro von den Unternehmen zu erpressen.

Versuchter Mord in fünf Fällen

Töten wollte er laut schriftlicher Einlassung jedoch niemanden. Er will es nach eigenen Angaben auch nicht billigend in Kauf genommen haben. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders: Sie wirft dem 54-Jährigen versuchten Mord in fünf Fällen sowie versuchte besonders schwere räuberische Erpressung in sieben Fällen und gemeingefährliche Vergiftung vor.

„Ich möchte mich nicht zum Mörder machen lassen“, betonte der Angeklagte und sagte, er habe Babynahrung vergiftet, um die größtmögliche Aufmerksamkeit zu erhalten. Für ihn sei alles ein großer Bluff gewesen. Die vergiftete Ware habe er bewusst an einem Samstagabend verteilt, weil er glaubte, dass dann wenige Familien einkaufen würden.

Außerdem habe er in der Erpresser-Mail, die auch an das Bundeskriminalamt ging, die betroffenen Produkte und Unternehmen in Friedrichshafen genannt. Die Ware, sagt der 54-Jährige, habe er gezielt in den hinteren Reihen der Regale platziert. Er sei sicher gewesen, niemanden zu töten.

Ob ein Glas verkauft und verzehrt wird – das habe der Angeklagte nicht unter Kontrolle gehabt, sagte Walter Butsche, Hauptsachbearbeiter bei der Polizei. Nach Angabe der Ermittler war die beigemischte Menge an Ethylenglykol für kleine Kinder tödlich. Zwei der Gläser wurden erst Tage später gefunden.

Seine Tat bezeichnete der 54-Jährige als einen Riesenfehler, den er zutiefst bereue. Eine einfache Entschuldigung werde der Angst, die er bei allen Eltern mit kleinen Kindern ausgelöst habe, nicht gerecht. In seiner Einlassung betonte er Tiefpunkte seines Lebens, psychische Ausnahmesituationen und Probleme mit Alkohol und Schmerzmitteln. Der Mann lebte in Ofterdingen von Hartz IV.

Zu Beginn der Verhandlung hatte der Verteidiger darum gebeten, auf die Verhandlung am Nachmittag zu verzichten. Sein Mandat zittere, sei geschwächt und womöglich nicht in der Lage, den Prozess aufmerksam zu verfolgen. Nach eigenen Angaben hat der 54-Jährige in Haft seit zehn Tagen nicht mehr gegessen. Der psychiatrische Sachverständige widersprach: Das sei eine Belohnung unerwünschten Verhaltens. Der Mann wolle so den Rahmen und die Länge des Prozesses bestimmen. Der Antrag wurde deshalb abgelehnt; ebenso die Vertagung. Abschließend bat der 54-Jährige selbst um eine erneutes psychologisches Gutachten.

Prozess wird heute fortgesetzt

Das Gericht hört am Dienstag weitere Zeugen. Vier Verhandlungstage sind weiter angesetzt. Die Verteidigung plant, Zeugen zu laden, die den Alkoholkonsum des Mannes bezeugen sollen. Ärzte und Psychologen ließ er von der Schweigepflicht entbinden. Sie sollen von seiner Borderline-Erkrankung berichten.

Ofterdingen: Polizei fasst mutmaßlichen Erpresser
© ST 01:29 min
Die Polizei verhaftete am Freitag einen 53-Jährigen in Ofterdingen. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass er der seit Tagen intensiv gesuchte Supermarkterpresser ist. In seiner Wohnung fanden sie laut Polizeiangaben ein Fläschchen mit jenem Frostschutzmittel, mit dem mehrere Gläschen Babynahrung in einem Supermarkt am Bodensee versetzt worden waren. Video: Schneck/Bleeser

Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil der Erpresser in seiner E-Mail gedroht hatte, 20 weitere vergiftete Lebensmittel in Geschäften im In- und Ausland in Umlauf zu bringen. Seine Forderung an Lebensmittelkonzerne und Drogeriemärkte: 11,75 Millionen Euro. Zur Verhandlung ein Jahr später sind zahlreiche interessierte Bürger als Zuhörer erschienen. Sie wollen sehen, wer der Erpresser ist, den die Ermittler seinerzeit als «sehr skrupellos» und «ausgesprochen gefährlich» eingestuft hatten.

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Erstellt:
08.10.2018, 17:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 48sec
zuletzt aktualisiert: 08.10.2018, 17:00 Uhr

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