Filmfest

Mutige Preisvergaben in Venedig

Finale mit Überraschungen: Der Goldene Löwe geht an „Joker“. Und Polanski wird ausgezeichnet.

09.09.2019

Von DPA

Joaquin Phoenix freut sich über den Löwen. Foto: Ettore Ferrari/ANSA/AP/dpa

Joaquin Phoenix freut sich über den Löwen. Foto: Ettore Ferrari/ANSA/AP/dpa

Venedig. Das Filmfest Venedig endete mit Paukenschlägen, mit den Entscheidungen der Jury hatten wohl wenige gerechnet: Der Goldene Löwe für den besten Film ging an den Psychothriller „Joker“ von Todd Phillips. Für noch mehr Diskussion wird die Auszeichnung für „J?accuse“ von Roman Polanski sorgen. Sein Drama gewann den Großen Preis der Jury, die zweitwichtigste Trophäe. Tatsächlich war „Joker“ einer der intensivsten Filme im Wettbewerb. Joaquin Phoenix (44) spielt herausragend Arthur Fleck, einen einsamen Mann mit einer schweren psychischen Störung. Seine Mitmenschen ignorieren oder verhöhnen ihn – bis der Frust aus ihm herausbricht. Plötzlich wird er als Symbol der unterdrückten Bevölkerung gefeiert. Aus Fleck wird der gefürchtete Joker, Erzfeind von Batman.

So bekannt die Figur ist, so neu ist die Geschichte von Regisseur Phillips. Schließlich war zur Entstehung des Bösewichts kaum etwas bekannt, und das nutzt Phillips für eine packende Inszenierung. Trotz der Euphorie gibt es Kritik: Er verherrliche Gewalt, finden einige. Das sah Jurypräsidentin Lucrecia Martel anders: „Es ist eine sehr wertvolle Reflexion über Antihelden“, sagte die argentinische Regisseurin. „Die Feinde sind nicht die Männer, sondern das System.“

Der Erfolg könnte von einer anderen Entscheidung in den Hintergrund gedrängt werden: Die Auszeichnung für Polanskis „J?accuse“ dürfte die Debatte um den Regisseur befeuern, dem sexueller Missbrauch einer Minderjährigen in den 1970ern vorgeworfen wird. Im Zuge der #MeToo-Bewegung hatte der Fall wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Letztendlich erkannte die Jury aber, dass sie Polanski nicht ignorieren konnte – „J?accuse“ gehörte zu den besten Werken: Langsam und konzentriert erzählt Polanski von der Dreyfus-Affäre in den 1890er Jahren, zeigt Lügen, Antisemitismus und Vertuschung.

Auch sonst zeichnete die Jury Werke mit eigener Handschrift aus. Roy Andersson gewann für das melancholische „About Endlessness“ den Silbernen Löwen für die beste Regie. Der in Hongkong lebende Yonfan erhielt für den Animationsfilm „No. 7 Cherry Lane“ den Preis für das beste Drehbuch. Die deutsche Koproduktion „The Perfect Candidate“ dagegen ging leer aus. Auch die Werke von Netflix wurden komplett übergangen. dpa