Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit

Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit

Berührende Geschichte eines Mannes, der beruflich die Angehörigen einsam Verstorbener ausfindig macht.

01.09.2014

Von Klaus-Peter Eichele

Endet das Leben mit dem Tod? Mister May ist nicht dieser Ansicht. Für den mausgrauen Mann mit den traurigen Augen ist erst dann alles vorbei, wenn dem Toten eine würdige Beerdigung zuteil geworden ist. Damit auch einsam Verstorbene in diesen Genuss kommen, fahndet der Angestellte der Londoner Stadtverwaltung akribisch in Briefen und Fotoalben nach Hinterbliebenen, die dem Heimgegangenen die letzte Ehre erweisen könnten. Meistens ist er aber dann doch der einzige, der zur Aussegnung auf dem Friedhof erscheint und dem Pfarrer oder Rabbi einen Zettel mit der Grabrede zusteckt.

Die Hartnäckigkeit bei der Recherche macht den Trauer-Arbeiter freilich zum Opfer des Effizienzwahns seines Vorgesetzten, der die Ein-Mann-Abteilung im Keller des Sozialamts kurzerhand wegrationalisiert. Bis zu seiner Entlassung bleiben May noch drei Tage für seinen letzten Fall: Ein allein stehender Nachbar, mit dem er nie ein Wort gewechselt hat, hat sich in seiner Wohnung totgesoffen. Bald ergeben sich Anhaltspunkte, dass dieser Kerl nicht immer so einsam war, wie er gestorben ist: Es gibt einen Ex-Busenfreund, eine Ex-Geliebte und sogar eine Tochter, denen er aber allen übel mitgespielt hat. Wird es May trotzdem gelingen, sie zur Beerdigung des alten Scheusals zu lotsen?

Mit ausgefeilt stimmungsvollen Bildern und Einschüben skurriler Komik (letzteres vor allem dank Hauptdarsteller Eddie Marsan) schildert der britische Regisseur Uberto Pasolini (nicht verwandt mit Pier Paolo) den Alltag dieses Engels der Verstorbenen, der selber alles andere als ein Günstling des Schicksals ist. Denn May, der in einer tristen Sozialsiedlung mehr vegetiert als lebt, hat weder Familie noch Freunde und würde im Fall seines eigenen Dahinscheidens wohl selber beiläufig verscharrt werden. Die Toten, deren Bilder er nach Dienstschluss daheim in ein Album klebt, sind gleichsam seine Familie.

Doch ausgerechnet bei seinem letzten Auftrag ergibt es sich, dass May erstmals nicht nur den Tod verwaltet, sondern unversehens mit dem Leben Bekanntschaft macht ? so intensiv, dass einmal sogar ein Strahlen das Gesicht dieses notorischen Trauerkloßes erfüllt.

Anrührende Trauer-Arbeit macht Mr. Mausgrau zum heimlichen Helden der Kinosaison.

Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit