Der BVB-Bomber steht jetzt in Dortmund vor Gericht

Mord aus Habgier: Sergej W., der in Rottenburg wohnte, muss sich ab heute vor Gericht verantworten

Drei Splitter-Sprengsätze erschütterten im April den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund, zwei Menschen wurden verletzt. Jetzt steht Sergej W. vor Gericht. Der Vorwurf: 28-facher Mordversuch aus Habgier.

21.12.2017

Von DPA

Beamte des LKA untersuchen den beschädigten Bus nach den drei Explosionen. Splitter haben die Fenster durchschlagen. Foto: dpa

Beamte des LKA untersuchen den beschädigten Bus nach den drei Explosionen. Splitter haben die Fenster durchschlagen. Foto: dpa

Dortmund. Ein Knopfdruck, ein Knall, Schreie. Als die Bombe am Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund explodiert, steht der Verdacht eines weiteren möglichen islamistischen Anschlags im Raum. Fieberhaft suchen die Ermittler nach einem Ansatz. Waren es wirklich Islamisten? Oder Linksextreme, militante Fußballfans oder Rechte?

Nichts davon. Statt Macht und Religion sind Geld und Gier die Auslöser für den Anschlag: Sergej W., der nun in Dortmund vor Gericht steht, soll versucht haben, Fußballspieler des BVB zu töten und bei Aktienspekulationen abzukassieren. Zuletzt wohnte er in Rottenburg und arbeitete in Tübingen.

Mehr als 50 internationale Reporter werden erwartet, wenn die Anklage gegen den 28-Jährigen heute verlesen wird. Darüber hinaus richtet sich das Gericht auf lange Wartezeiten für die ebenfalls rund 50 Sitzplätze für Zuschauer ein.

28-facher Mordversuch

Die Staatsanwaltschaft wirft Sergej W. 28-fachen Mordversuch und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vor. Heimtückisch, aus Habgier und mit gemeingefährlichen Mitteln habe der Elektrotechniker gehandelt, heißt es in der Anklage. W., der 2003 seine russische Heimat verlassen hat und inzwischen einen deutschen Pass besitzt, soll bisher jedoch erklärt haben, er habe in Dortmund lediglich Urlaub gemacht.

Die Ermittler sind davon überzeugt, dass der 28-Jährige am 11.?April drei selbst gebaute Sprengsätze in einer Hecke am Mannschaftshotel des BVB im Dortmunder Süden deponiert hat. Als das Team vor der Champions-League-Partie gegen den AS Monaco am Hotel in den Bus gestiegen war und dieser sich langsam in Bewegung setzte, soll er die Bomben mithilfe von Fernzündern zur Explosion gebracht haben.

In der Anklage heißt es: „Die fernzündbaren Sprengsätze sollen jeweils mit einer Wasserstoffperoxid-Brennstoff-Mischung sowie mindestens 65 in Epoxidharz eingeschlossenen Metallbolzen mit einem Durchmesser von 6 mm und einer Länge von 74 mm bestückt gewesen sein.“ Sie flogen als todbringende Geschosse durch die Luft. Eines davon schlug neben dem spanischen Innenverteidiger Marc Bartra in der Kopfstütze ein.

Drei Sprengsätze verfehlten den Bus knapp

Zwischen Leben und Tod lagen vielfach nur Zentimeter: Der mittlere der drei Sprengsätze verfehlte den Bus knapp. Er war laut Anklage wohl zu hoch angebracht. Somit hatte die Besatzung noch Glück im Unglück: Bartra erlitt einen Armbruch und Fremdkörpereinsprengungen, ein Polizist ein Knalltrauma.

Es hätte viel schlimmer kommen können. „Wir dachten alle, dass wir jetzt sterben“, berichtete der damalige BVB-Profi Mikel Merino zuletzt im englischen „Guardian“. „Einige Spieler haben sich auf den Boden geworfen und den Busfahrer angeschrien, dass er uns wegbringen soll. Wir wussten ja nicht, ob es noch mehr Bomben geben würde. Oder ein Killerkommando in den Bus stürmt und uns erschießt.“

Sergej W. soll den Tod von 28 Menschen in Kauf genommen haben, um selbst ein reicher Mann zu werden. Der BVB ist der einzige Fußballverein in Deutschland, dessen Aktien an der Börse gehandelt werden. Laut Anklage kaufte W. in der Woche vor dem Anschlag für über 26?000 Euro Optionsscheine und Kontrakte – und schloss mit diesen sozusagen eine Wette auf einen fallenden Kurs der BVB-Aktie ab. Wäre der Kurs tatsächlich auf einen Euro abgerutscht, hätte der 28-Jährige über eine halbe Million Euro Gewinn gemacht.

Zehn Tage nach der Tat wurde W. festgenommen, nachdem die auffälligen Finanzgeschäfte entdeckt worden waren. Am Tattag soll der 28-Jährige ein Zimmer im Mannschaftshotel bewohnt haben. Außerdem fanden die Ermittler offenbar Hinweise darauf, dass er vor dem Anschlag Elektroartikel gekauft hatte, die für den Bau einer Bombe verwendet werden könnten.

Für den Prozess hat das Dortmunder Schwurgericht 18 Verhandlungstage bis zum 28. März angesetzt. Mehrere Spieler von Borussia Dortmund haben sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen.

SWP: Grafik / Quelle: dpa

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