Tübingen/Stuttgart

Modellprojekt geht weiter – ohne Außengastronomie, mit Anpassungen

Das Tübinger Pilotprojekt „Öffnen mit Sicherheit“ wird fortgesetzt. Diese Entscheidung teilte die Stadt am Dienstagnachmittag mit. Allerdings gibt es einige Anpassungen.

06.04.2021

Von ST

Vorbei der Spaß: Die Außengastronomie muss wieder schließen. Bild: Ulmer

Vorbei der Spaß: Die Außengastronomie muss wieder schließen. Bild: Ulmer

Der Modellversuch „Öffnen mit Sicherheit“ in Tübingen wird in modifizierter Form fortgesetzt. Darauf haben sich laut einer Pressemitteilung die Stadt Tübingen und das Land Baden-Württemberg verständigt. „Wir werden mehr testen und mehr kontrollieren, damit der Einzelhandel und die Kultur in Tübingen weiterhin geöffnet bleiben können, ohne dass die Stadt überfüllt ist“, wird Oberbürgermeister Boris Palmer zitiert. „Indem wir die Testpflichten ausweiten und gegen Situationen vorgehen, in denen erhöhte Infektionsrisiken zu befürchten sind, machen wir unseren Modellversuch noch sicherer.“ Es geht demnach ab Mittwoch wie folgt weiter:

  • Der Einzelhandel im gesamten Stadtgebiet und Kultureinrichtungen wie Theater und Kinos dürfen mit Testpflicht geöffnet bleiben. Das bedeutet: Kundinnen und Kunden sowie Besucherinnen und Besucher müssen weiterhin ein analoges oder digitales Tagesticket vorweisen.
  • Die Testpflicht gilt jetzt auch für den zusätzlich geöffneten Einzelhandel außerhalb der Innenstadt, der in Tübingen geöffnet bleiben darf und in anderen Orten im Landkreis Tübingen wegen der Inzidenz über 50 ab sofort wieder schließen muss.
  • Die bisher geöffnete Außengastronomie in Tübingen schließt. Abhol- und Lieferdienste sind weiterhin möglich (ohne Testpflicht).
  • An den im Auftrag der Stadtverwaltung betriebenen Teststationen erhalten weiterhin nur Personen ein Tagesticket, die im Landkreis Tübingen wohnen oder in der Stadt Tübingen arbeiten. Alle Standorte und Öffnungszeiten sind unter www.tuebingen.de/teststationen abrufbar. Auswärtige Gäste erhalten kein Tübinger Tagesticket. Sie können aber vor dem Besuch einer Kultureinrichtung vor Ort einen Schnelltest machen.
  • Kinder dürfen die Tübinger Kindertagesstätten und die Notbetreuung an den Tübinger Schulen ab Montag, 12. April, nur in Anspruch nehmen, wenn sie mindestens einmal in der Woche einen Schnelltest in der Einrichtung oder zu Hause machen (Hinweis: zunächst stand an Stelle von „mindestens einmal“ noch „zweimal“ – die Stadt hat sich inzwischen korrigiert).
  • Die Testpflicht, die bereits für Friseure und körpernahe Dienstleistungen gilt, wird auf alle Tübinger Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten ausgeweitet. Ab Montag, 12. April, müssen die Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens ein- bis zweimal pro Woche vor Ort einem Schnelltest unterziehen. Die Stadtverwaltung bietet den Betrieben die dafür benötigten Schnelltests zum Kauf an.
  • Das Alkoholkonsumverbot nach 20 Uhr, das bereits in der Innenstadt gilt, wird ausgeweitet auf die Platanenallee und den Österberg. Die verschärfte Maskenpflicht im Fußgängerbereich wird beibehalten. Die Stadtverwaltung, private Sicherheitskräfte und die Landespolizei kontrollieren die Einhaltung.

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) wird in der Mitteilung ebenfalls zitiert: „Es ist zunächst gut, dass Tübingen vor Ort bereits vor Ostern nachjustiert und jetzt noch weitere ergänzende Maßnahmen vorgesehen hat, beispielsweise bei den Tagestickets für auswärtige Gäste oder jetzt der Schließung der Außengastronomie. Wir werden das Projekt weiter eng begleiten und die Stadt unterstützen. Klar ist aber auch weiterhin, dass das Modellprojekt derzeit gefährdet ist. Wenn sich der Anstieg der Fallzahlen in Tübingen trotz der nun vorgesehenen Maßnahmen wieder fortsetzt und das Infektionsgeschehen zu- statt abnehmen sollte, muss weiter gegengesteuert oder im Zweifel dann doch eine Unterbrechung des Projekts erfolgen. Klar ist aber auch, dass das Pilotprojekt in Tübingen den Weg für weitere Projekte dieser Art geebnet hat, die von den Erkenntnissen und Erfahrungen sicherlich in Zukunft profitieren werden.“

Die Stadtverwaltung besserte im Projekt bereits mehrere Male nach: Zunächst wurde Tübingen von Auswärtigen überlaufen, weshalb sie nur noch 3000 Tickets pro Tag bekamen. Seit Gründonnerstag bekommen Auswärtige gar keine Tickets mehr, sondern nur Menschen, die im Kreis Tübingen wohnen oder nachweislich in der Stadt Tübingen arbeiten. Zudem wurden die Papiertickets durch QR-Codes ersetzt, die nicht weitergegeben werden können. Obendrein schränkte Palmer den Alkoholverkauf ein und verschärfte die Maskenpflicht.

Für Palmer sei es wichtig, „nicht nur auf die gemessene Inzidenz zu achten“, teilte er schon am Vormittag über die sozialen Kanäle mit. In den Inzidenzwert flossen zuletzt auch Ausbrüche etwa in Kitas, Schulen oder der Tübinger Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge ein, die mit dem Modellprojekt keine Verbindung haben (Grafiken zum Pandemieverlauf gibt es hier). Palmer: „Wir betrachten auch die Positivrate aller Tests. Die ist seit zwei Wochen recht konstant. Einer von 1000 Tests ist positiv.“ Der OB warb auch über die Feiertage stets dafür, sich testen zu lassen – selbst, wenn man die Öffnungsangebote nicht nutzt: „Je mehr wir testen, umso eher bekommen wir das Virus unter Kontrolle.“

Das Tübinger Modellprojekt wurde auch kritisiert – etwa vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, der schon vor Ostern einen Abbruch gefordert hatte. Die Inzidenz ist auch in der Stadt Tübingen angestiegen und zuletzt wieder gefallen, was aber vor allem mit der geringeren PCR-Testung über die Ostertage zu begründen ist. Aktuell liegt die Stadtinzidenz bei 82, zu Beginn des Projekts betrug sie etwas mehr als 30. Im Kreis Tübingen ist der Wert seit dem 16. März von 42,9 auf 108,9 angestiegen. Dennoch haben sich die Stadt Tübingen und das Land Baden-Württemberg auf eine Fortführung verständigt – obwohl für den Rest im Kreis Tübingen die Notbremse gilt und die Rufe nach einem erneuten, harten Lockdown immer lauter werden. Die neuen Pflichten regelt eine Allgemeinverfügung. Sie soll in Kürze auf der städtischen Internetseite abrufbar sein.