Tübingen · CineLatino

Mit starken Frauen den Corona-Härtetest bestanden

Der Skaterfilm „Mein Name ist Bagdà“ holte den Publikumspreis beim Festival des lateinamerikanischen und spanischsprachigen Films in Tübingen. Absoluter Favorit war die sympathische Bergdoku „Cholitas“.

10.06.2021

Von Dorothee Hermann

Das 28. CineLatino und das 18. CineEspañol haben es erfolgreich geschafft, aus dem Lockdown ganz analog im Tübinger Kino Museum aufzutauchen. Aufgrund der Test- und Maskenpflicht sowie pandemiebedingt begrenzter Plätze in den Kinosälen ruckelte es ein bisschen beim Start. Dann breitete sich doch die gewohnte iberoamerikanische Festivalatmosphäre aus. Publikumshit war der Bergfilm „Cholitas“ um fünf Frauen ohne Klettererfahrung, die in Argentinien zum höchsten Gipfel der Anden aufbrechen.

Das CineLatino Tübingen ist nun zwar zu Ende, doch der Reutlinger Ableger steht bevor (siehe Infobox) – und ebenso Stuttgart und Freiburg (in der badischen Unistadt teilweise open-air). Das Festivalteam hofft, wetter- und pandemiebedingte kleine Rückschläge in Tübingen in den anderen Städten wieder aufzuholen.

Festivalgast Caru Alves de Souza aus Brasilien bekam für ihren bittersüßen Spielfilm „Meu nome é Bagdà“ den Publikumspreis. Die 17-jährige Bagdà (Grace Orsato) schafft sich auf ihrem Skateboard ihren eigenen Raum und individuelle Freiheit. Doch sie ist auch auf die Solidarität anderer Frauen angewiesen und greift ihrerseits sofort ein, wenn eine Freundin sexistisch angemacht wird.

Die pandemiebedingte, zusätzliche Online-Ausgabe des Festivals ist gerade erst auf dem Höhepunkt. „Die meisten Filme sind erst seit Freitag online“, sagte Pola Hahn vom Festivalteam. Zugriffe gab es vor allem aus Tübingen und der Region, aber auch aus dem gesamten Bundesgebiet. Für die kommende Woche haben Schulklassen aus Tübingen und Reutlingen Filme gebucht.

Der Open Festival Space im „Freistil“-Biergarten am Neckar (vormals „Casino“) litt etwas unter den regnerischen Abenden. Dennoch wurden die drei Kurzfilmprogramme aus Kolumbien Kuba und Mexiko, die gratis zugänglich waren, sehr gut aufgenommen, so das Festivalteam. Der kolumbianische Musikfilm „La balada del brujo“ (Die Ballade des Zauberers) lief unter den „Freistil“-Arkaden und auch im Kino. An den wärmeren Abenden stauten sich teilweise die Besucherinnen und Besucher am Eingang des Biergartens. Dann schaffte das Team vom Open Festival Space zusätzliche Liegestühle heran und stellte sie selbstverständlich immer im gebotenen Corona-Abstand auf. Zu essen gab es Mexican Streetfood.

Das Schwerpunktland Kolumbien erwies sich durch die Proteste in den vergangenen Wochen als brandaktuell. Die Zuschauer mochten besonders den Spielfilm „Chocó“ von Jhonny Hendrix Hinestroza um die gleichnamige Protagonistin, die sich mit ihren beiden Kindern gerade so durchschlägt und ihnen doch eine schöne Kindheit bieten will.

Gut besucht waren die spanischen Dokus, besonders der französisch-spanische Animationsfilm „Josep“. Darin setzt der französische Künstler Aurel die Geschichte des Zeichners Josep in Bilder: Wie 500 000 andere republikanische Spanier musste er 1939 vor Franco nach Frankreich fliehen, wo alle unter üblen Bedingungen in Lager gesperrt wurden.

Großen Anklang fand die Doku „A media voz“ zur Eröffnung. Darin verbinden die beiden kubanischen Filmemacherinnen Heidi Hassan und Patricia Fernández Pérez wechselseitige Videobotschaften zu einem anrührenden Film über das Leben im europäischen Exil.

Anfang Juli im Kamino

Mit sieben Vorstellungen ist das CineLatino vom 1. bis 4. Juli im Reutlinger Programmkino Kamino zu Gast, idealerweise bei weiteren Corona-Lockerungen. Zudem sind einige Filme noch bis 16. Juni online zugänglich, so etwa der Gewinnerfilm „Meu nome é Bagdà“. Das Podiumsgespräch zu „Afro-Lateinamerikanisches Kino – antikoloniale Blicke“ wurde verschoben: Es beginnt am heutigenDonnerstag um 18 Uhr. Bitte anmelden unter oficina@filmtage-tuebingen.de.