Nicht mehr Anfang 20: Jannik Perse im TAGBLATT-Interview

Mit seiner Band spielt der aus Mössingen stammende Sänger Jannik Perse auf dem Southside Festival

Indietronic-Rap: So beschreibt die Band Schlaraffenlandung ihren Stil selbst. Das Trio um Sänger Jannik Perse, Schlagzeuger Moritz Brunner, die beide aus Mössingen stammen, und Gitarrist Aurel Spieth mischt Elemente aus Hiphop, Indie und Pop. Begonnen hat alles vor fünf Jahren in einem Keller in Balingen. Nach weit über hundert Konzerten und dem zweiten Album steht dieses Wochenende der vorerst größte Auftritt an.

21.06.2018

Von Moritz Siebert

Gelandet im Schlaraffenland: Moritz Brunner, Jannik Perse und Aurel Spieth (von links). Bild: Paul Hoffmann

Gelandet im Schlaraffenland: Moritz Brunner, Jannik Perse und Aurel Spieth (von links). Bild: Paul Hoffmann

Ihr spielt am Wochenende auf dem Southside Festival, einem der größten Festivals im Land, und zwar gleich vier Konzerte. Wie kommt es dazu?

JANNIK PERSE: Eine Verkettung von sehr vielen glücklichen Zufällen. Regulär haben wir auf dem Playlife-Festival 2017 den Auftritt für das Southside gewonnen, wofür wir sehr dankbar sind. Zwei weitere Konzerte kommen durch Kooperationen mit Jägermeister und Wulle dazu. Am Sonntag spielen wir dann noch ein kleines Konzert bei Camp FM.

Das lohnt sich dann ja richtig. Vom Festival selbst bekommt ihr aber nicht viel mit...

Auf der einen Seite ist es natürlich unglaublich, so viel spielen zu dürfen. Auf der anderen Seite ist das schade, weil wir uns gerne viele der anderen Bands angeschaut hätten. Ein paar werden wir schaffen, worauf wir uns sehr freuen. Sind ja Fans.

Für euch wird es vermutlich das vorerst größte Konzert werden, oder?

Das wird das größte Konzert, das wir bisher gespielt haben. Wir haben zwar schon große Festivals wie das Taubertal-Festival oder das Minirock-Festival in Horb gespielt. Das Southside ist aber nochmal ne Schippe mehr.

Die Band existiert in der jetzigen Besetzung seit etwa fünf Jahren. Euer Stil hat sich seit den Anfängen hörbar verändert.

Ja, mehrfach. Das passiert in einem Prozess, in dem man viel live spielt, Songs schreibt, in dem man sich in Songs verliebt und beginnt, sie wieder zu hassen. Und plötzlich willst du wieder etwas Neues. Wir wollten textlich und inhaltlich nochmal eine andere Richtung einschlagen. Tiefere Texte und Songs, die auch etwas sagen und eine Message mitbringen. Wir wollten autobiografischer schreiben und persönlicher, nachdenklicher.

Klingt ein bisschen nach Erwachsenwerden. Der Titel eurer aktuellen CD, „Mittezwanzig“, ist wohl Programm?

Wir sind nicht mehr Anfang zwanzig. Und mit Anfang zwanzig bist du noch nicht so oft hingefallen, oder bist noch nicht so oft nachts um 4 Uhr wo gestanden und nicht heimgekommen. Man hat noch nicht so viele Bekanntschaften mit Menschen gemacht. Das sind Erfahrungen, die man über die Jahre macht, Erfahrungen, die einen zu einem anderen Menschen machen – und als Musiker zu einem anderen Songwriter.

Die Texte sind auch politischer geworden.

Ja. Gerade unsere Generation mit Mitte zwanzig hat viel mit Politik und Weltgeschehen zu tun – und auch damit zu kämpfen. Jetzt machen wir uns mehr Gedanken, worüber möchten wir schreiben, mit welchen Worten möchten wir das beschreiben, und mit welcher Musik möchte wir das transportieren?

Und alte Songs habt ihr weggeworfen, weil sie nicht mehr ins Repertoire passen?

Wir spielen viele Songs nicht mehr, weil es diesen Wendepunkt gab und wir andere Typen geworden sind. Es gab ein Jahr, in dem wir wenig live gespielt, uns eingeschlossen, nur Musik geschrieben und uns mit dem Weltgeschehen und den Dingen um uns herum befasst haben. Die Art und Weise, wie wir mit gewissen Themen umgehen, ist jetzt eine andere. Sie spiegeln unser Selbst wider, philosophisch gesagt.

Wie seid ihr früher ans Komponieren gegangen?

Wie das wahrscheinlich jede Band so macht, wir haben einfach drauf losgeschrieben und uns nicht viele Gedanken über Themen gemacht. Dabei entstand eine Mixtur aus verschiedenen Themen, stilistisch bewegte sich das zwischen härterem Poprock bis Feierhiphop à la Kraftklub, eine Band, mit der wir oft verglichen wurden.

Die Vergleiche mit anderen Bands seid ihr aber nicht losgeworden. In den Kommentarleisten heißt es ständig, das klingt wie Kraftklub, Prinz Pi oder Casper. Nervt das nicht?

Nein, gar nicht. Ich verstehe das: Wenn man etwas Neues kennenlernt, versucht man das natürlich irgendwie einzuordnen. Es ist menschlich, das zu vergleichen. Prinz Pi, Casper oder Kraftklub, das sind natürlich auch Bands und Künstler, die uns persönlich sehr gut gefallen und die wir hören. Da brauchen wir nicht lügen. Wenn jemand sagt, „das klingt wie Casper“, dann sage ich mittlerweile „Dankeschön“. Das ist eher ein Adelsschlag als eine Beleidigung.

Eine Band versucht sich aber immer abzusetzen und sich unverwechselbar zu machen.

Auf jeden Fall. Es geht um Eigenständigkeit. Wenn es einen Prinz Pi oder einen Casper schon gibt, wozu bräuchte es dann noch Schlaraffenlandung? Wenn man sich mit unserer Musik auseinandersetzt, merkt man aber schnell, dass die Unterschiede größer sind als die Gemeinsamkeiten. Wir bringen am Freitag unsere neue Single „Bleistift“ raus, die ist noch ein bisschen mehr das, was wir uns vorgestellt haben, nochmal eine neue Kante in unserer Biografie.

Neben der Musik seid ihr alle drei noch mit Beruf oder Ausbildung beschäftigt.

Unser Gitarrist Aurel Spieth arbeitet als Veranstaltungskaufmann, der Schlagzeuger Moritz Brunner macht eine Ausbildung. Ich habe bis zuletzt im Medienbereich studiert, mache jetzt aber tatsächlich nur noch Musik.

Ein großer Schritt, die Musik zum Hauptberuf zu machen, oder?

Was ist schon Hauptberuf? Der eine definiert den Hauptberuf als etwas, mit dem er seine Miete bezahlt, für den anderen ist es das, was er hauptsächlich tut. Nach der ersten Definition wäre die Musik nicht mein Hauptberuf, nach der zweiten Definition wäre ich hauptberuflich Musiker. Wenn man es streng nimmt, dann ist die Band ja nichts anderes als jede andere Selbstständigkeit auch. Wir sind ein Gewerbe und versuchen, Geld umzusetzen, so wie es etwa auch ein Maurer macht. Der Unterschied ist, dass man am Ende kein statisches Produkt in der Hand hat. Die Mauer, die gebaut wurde, bleibt die Mauer. Der Song kann sich über Jahre verändern.

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Erstellt:
21.06.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 47sec
zuletzt aktualisiert: 21.06.2018, 01:00 Uhr

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