Mit guten Komödien punkten

„Un homme pressé“ Abräumer bei Französischen Filmtagen · Christopher Buchholz bleibt Festivalchef

Mit dem Workaholic aus der Top-Etage, der rackert bis zum Zusammenbruch und auch dann nicht aufhören will, hat der französische Regisseur Hervé Mimran offenbar einen Nerv getroffen: Seine Tragikomödie „Un homme pressé“ feierte in Tübingen Weltpremiere, noch vor dem offiziellen Kinostart in Frankreich am Mittwochabend.

07.11.2018

Von Dorothee Hermann

Ein uraltes, aber unschlagbares Rezept: Wieder geerdet von einer sympathischen Frau. Der Publikumsliebling „Un homme pressé“ (Fabrice Luchini als Alain und Leïla Bekhti als Logopädin Jeanne). Bild: Filmtage

Ein uraltes, aber unschlagbares Rezept: Wieder geerdet von einer sympathischen Frau. Der Publikumsliebling „Un homme pressé“ (Fabrice Luchini als Alain und Leïla Bekhti als Logopädin Jeanne). Bild: Filmtage

Der Film begeisterte das Tübinger Publikum der Französischen Filmtage quer durch alle Altersklassen und räumte gleich dreimal ab: den Tübinger Publikumspreis (2500 Euro von den Vereinigten Lichtspielen), den Verleihförderpreis (21 000 Euro von Filmförderung Baden-Württemberg, Unifrance und Deutsch-Französischem Jugendwerk) und den Preis der Tübinger Jugendjury (1000 Euro, von den Vereinigten Lichtspielen). Beim Stuttgarter Festivalableger ging der Publikumspreis (1500 Euro) der örtlichen Arthaus Filmtheater wie auch der Preis der Jugendjury Stuttgart (1000 Euro von der Landeshauptstadt) an „Rafiki“ über die verbotene Liebe zweier Politikertöchter in Kenia.

Nicht ganz freiwillige Neuanfänge waren diesmal eine Art Leitmotiv. Das ganz in Schwarz-Weiß gedrehte Drama „Fortuna“ von Germinal Roux errang den mit 5000 Euro dotierten Preis der Filmtage Tübingen, gestiftet von den Vereinigten Lichtspielen. „Il se passe quelque chose“ von Anne Alix über zwei Frauen, die sich beide neu erfinden müssen, bekam den Sonderpreis der Jury.

Festivalchef Christopher Buchholz zeigte sich am Mittwoch sehr zufrieden, auch wenn die genaue Besucherzahl im Moment noch nicht feststeht: „Es könnte ein Rekordjahr sein.“ Allein die beiden Tübinger Kinos Arsenal und Atelier verzeichneten bereits bis Sonntagabend so viele Zuschauer wie bei der Vorjahres-Ausgabe der Filmtage.

Besucher wie Festivalmacher waren vom Filmjahrgang 2018 gleichermaßen angetan: „von der trockenen, spritzigen Komödie bis zum schweren und dunklen Drama“, so das Filmtage-Team. Ganz ähnlich konnte man Gäste in den Kinofoyers schwärmen hören. Der Enthusiasmus reichte auch für eher schwere Stoffe wie „La Douleur“ nach dem gleichnamigen Roman von Marguerite Duras und bescherte dem Kino Atelier eine ausverkaufte Samstagabendvorstellung. Dass eine Tanzdoku aus Kanada an einem sonnigen Sonntagnachmittag 40 bis 50 Leute ins Kino Arsenal lockt, ist auch nur zu Festivalzeiten denkbar.

„Festivals werden immer wichtiger für das Arthouse-Kino“, folgerte Buchholz. Sie machten das Kino wieder für Besucher erlebbar und vermittelten das Gefühl: „Da können wir zusammen sein.“ Deshalb sieht er in Filmfestivals sogar ein Mittel, dem Zuschauerschwund von deutschlandweit 20 Prozent im regulären Kino entgegenzuwirken.

Im Tübinger Kino Museum konnte man den Besucherzustrom täglich beobachten. Bei den Partnern wie dem Waldhorn in Rottenburg lief es ebenfalls gut. Betreiber Elmar Bux sei einfach phänomenal, so Buchholz. Auch das Reutlinger Programmkino Kamino hat sich als Festivalpartner etabliert. Nicht mehr im Boot sind hingegen die Lichtspiele Mössingen. Im Steinlachtal kamen einfach zu wenige Zuschauer. Außerdem habe man sich in Mössingen durchgehend deutsche Untertitel ausbedungen und ausschließlich Komödien favorisiert.

Was Tops und Flops anbelangt, äußerten sich Buchholz und Programm-Manager Hasan Ugur mit vorsichtiger Zurückhaltung: Bei solchen Wertungen seien stets auch individuelle Vorlieben im Spiel. Auf jeden Fall ein Publikumsmagnet war „Le dernier vide-grenier de Claire Darling“ mit Cathé-rine Deneuve. „Wir suchen immer nach guten Komödien“, sagte Buchholz.

Die Filmauswahl soll die frankophone Kinolandschaft abbilden, so die Filmtage-Pressereferentin Andrea Bachmann. Der Festivalchef hätte liebend gern den Tanzfilm „Girl“ über eine Transgender-Ballettschülerin ins Programm genommen, doch der hatte schon vorab seinen bundesweiten Kinostart.

Weil die meisten Gäste auf einen Schlag am Wochenende eintrafen, konnte nicht jeder Besucher diejenige oder denjenigen treffen, die er gerne einmal live erlebt hätte. So mussten die Zuschauer beim Eröffnungsfilm auf Hauptdarstellerin Adèle Haenel verzichten. Sie war für den gleichzeitigen Kinostart in Frankreich gebucht. „Die Produktionsfirma hat ihr verboten, nach Tübingen zu kommen“, so Ugur.

Sehr zufrieden ist auch der Veranstalter, der Verein Filmtage Tübingen, sagte Jule Pasche für den Vorstand. Der Verein hat soeben Festivalchef Buchholz für weitere fünf Jahre als Leiter der Französischen Filmtage bestätigt.

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Erstellt:
07.11.2018, 20:36 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 47sec
zuletzt aktualisiert: 07.11.2018, 20:36 Uhr

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