Tübingen

Krisenkultur: Mit dem Teilauto ins Kino

Von kommender Woche an gibt es auf dem Tübinger Festplatz ein Autokino. Teile des Erlöses sind für die Kinobetreiber vorgesehen.

23.04.2020

Von Hans-Jörg Schweizer

Bisher war Tübingens einziges Autokino eine Miniatur im Museum Boxenstop. Dank Corona gibt es bald eine große Version auf dem Festplatz. Bild: Ulrich Metz

Bisher war Tübingens einziges Autokino eine Miniatur im Museum Boxenstop. Dank Corona gibt es bald eine große Version auf dem Festplatz. Bild: Ulrich Metz

Autokino in Tübingen? Sowas hatte in der Fahrradstadt vor Corona wohl kaum jemand auf dem Schirm. Aber außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Lösungen. Und so hat Sommernachtskino-Veranstalter Carsten Schuffert mit seiner Firma „Bewegte Bilder“ binnen Tagen das erste Autokino auf dem Tübinger Festplatz von der Idee bis zur Genehmigung organisiert.

Los geht’s am kommenden Mittwoch, 29. April, passenderweise mit dem Dani-Levi-Film „Die Känguru-Chroniken“. Die Verfilmung der Bücher von Marc-Uwe Kling wurde schließlich besonders heftig von der Corona-Krise erwischt: Wenige Tage nach der Premiere mussten alle Kinos schließen.

Die Corona-Verordnungen trafen aber auch Kinobetreiber hart. Deshalb will Schuffert einen Teil der Autokino-Erlöse den Tübinger Kinos zugutekommen lassen. Im Gegenzug stellen Museum und Blaue Brücke die Filmvorführer, Arsenal und Atelier erledigen den Einlass. Und schon der ist beim Autokino in Corona-Zeiten außergewöhnlich: Eintritts- oder besser Einfahrtskarten müssen vorab online gekauft und am besten ausgedruckt werden, denn die Ticketcodes werden aus Infektionsschutzgründen durchs geschlossene Autofenster eingescannt.

Auf dem Parkplatz vor der 17 Meter breiten Leinwand haben Kleinwagenbesitzer Vorrang vor SUV und Vans, die der Sicht wegen von den Ordnern der Höhe nach sortiert auf die hinteren Plätze verwiesen werden. Autos über 1,85 Meter Höhe (wie die meisten Kleinbusse) dürfen erst gar nicht auf den Platz. Pro Auto sind maximal zwei Erwachsene zugelassen. Ausnahme: Eltern mit eigenen Kindern bis 17 Jahre. Auf dem Stellplatz gilt: Motor und Licht aus, Fenster und Türen zu. Raus aus dem Auto darf nur, wer aufs Klo muss. Und der Ton zum Film kommt via UKW aufs Autoradio.

Wer Kino-Snacks oder Getränke will, kann diese ebenfalls online vorbestellen und erhält bei der Einfahrt kontaktlos verschlossene Flaschen und Packungen. Auch Pfand wird auf dem Festplatz aus Hygienegründen nicht ausbezahlt. Schuffert bittet vielmehr, Flaschen im lokalen Einzelhandel zurückzugeben. Zudem bittet er, keine eigenen Getränke und Snacks mitzubringen: „Zeigen Sie sich solidarisch. Ein mobiles Autokino ist kostenintensiv.“

Wie kostenintensiv? „Wir haben keine genaue Kalkulation gemacht“, sagt Schuffert, „nur eine Milchmädchen-Hochrechnung. Reich werden wir davon alle nicht, aber hoffentlich werden wir auch nicht drauflegen. Denn es muss jetzt was passieren“, sagt er voller Tatendrang. Den wirtschaftlichen Vergleich zum Sommernachtskino im Schlachthof mit Extra-Einnahmen durch Gastronomie will Schuffert lieber gar nicht anstellen. Das klassische Open-Air-Kino sei dieses Jahr schwer vorstellbar, „wenn sogar das Oktoberfest abgesagt wird“. Und für viel Abstand zwischen den Sitzen sei der Schlachthof nicht groß genug. „Da hätten wir vielleicht noch 200 anstatt 750 Leute pro Vorstellung“, schätzt Schuffert und schmiedet schon Pandemie-taugliche Ideen für andere Veranstaltungsorte.

„Unsere Herzen hängen am Sommernachtskino. Aber jetzt machen wir erstmal das Kulturangebot, das gerade geht. Und das ist eben Autokino.“ Dessen Programm reicht vorerst bis Mitte Mai. Aber: „Solange es kein normales Kino gibt und genug Leute kommen, machen wir weiter. Wie lange genau? Das wird sich zeigen.“ Die Leinwand auf dem Festplatz wird neben dem Wall zur Europastraße stehen. Die Autos parken parallel zur Straße mit Blick stadteinwärts. Mit der Corona-Ambulanz, die seit Wochen im hinteren Teil des Festplatzes aufgebaut ist, gebe es keine Probleme, sagt Schuffert: „Die hören ja nachmittags um vier auf.“

Übrigens: Auch für Tübinger Fahrradfahrer ohne eigenes Auto hat sich Schuffert was einfallen lassen: Die Bewegten Bilder kooperieren beim Autokino mit dem Carsharing-Anbieter Teilauto: Wer sich dort für die Kinovorstellung ein Auto mietet, bekommt nach Einsendung des Tickets 5 Euro von Teilauto gutgeschrieben. Für Teilauto-Cineasten ist zudem die erste Parkplatzreihe reserviert.

Das Programm des Tübinger Autokinos

Bild: Bewegte Bilder

Bild: Bewegte Bilder

In Krisenzeiten hat Carsten Schuffert ein Programm mit Gute-Laune-Filmen und Blockbustern zusammengestellt:

Mittwoch, 29. April: Die Känguru-Chroniken

Donnerstag, 30. April: Lindenberg! Mach Dein Ding

Freitag, 1. Mai: Das perfekte Geheimnis

Samstag, 2. Mai: Parasite

Sonntag, 3. Mai: Enkel für Anfänger

Montag, 4. Mai: Knives Out – Mord ist Familiensache

Dienstag, 5. Mai: Bad Boys for Life

Mittwoch, 6. Mai: Nightlife

Donnerstag, 7. Mai: Little Women

Freitag, 8. Mai: Joker

Samstag, 9. Mai: Die Känguru-Chroniken

Sonntag, 10. Mai: Suzi Q (Vorpremiere)

Montag, 11. Mai: Once Upon a Time ... in Hollywood

Dienstag, 12. Mai: Das perfekte Geheimnis

Das weitere Programm wird wöchentlich gestaltet.

Filmbeginn ist anfangs um 21.15 Uhr, Einlass auf das 190 Autos fassende Gelände an der Europastraße eine Stunde vorher. Tickets gibt es für 12 Euro pro Person nur online: autokino-tuebingen.de (Die Seite geht im Laufe des Donnerstags live).

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Erstellt:
23.04.2020, 07:33 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 22sec
zuletzt aktualisiert: 23.04.2020, 07:33 Uhr

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