Tübingen · Corona

Mit dem Campingstuhl zum Schnelltest

Landes-Gesundheitsminister Manfred Lucha machte am Donnerstag einen Dankesbesuch beim Arztmobil auf dem Tübinger Marktplatz.

27.12.2020

Von Dorothee Hermann

Landes-Gesundheitsminister Manfred Lucha (rechts) dankte am Donnerstag auf dem Tübinger Marktplatz der Tübinger Ärztin und Corona-Schnelltest-Initiatorin Lisa Federle. Links hinten neben Federle: der Musiker Dieter Thomas Kuhn (derzeit Testhelfer) und der Erste Bürgermeister Cord Soehlke.Bild: Uli Rippmann

Landes-Gesundheitsminister Manfred Lucha (rechts) dankte am Donnerstag auf dem Tübinger Marktplatz der Tübinger Ärztin und Corona-Schnelltest-Initiatorin Lisa Federle. Links hinten neben Federle: der Musiker Dieter Thomas Kuhn (derzeit Testhelfer) und der Erste Bürgermeister Cord Soehlke.Bild: Uli Rippmann

Das Tübinger Schnelltest-Projekt erregt landes- und bundesweit Aufsehen und hat bereits Nachahmer gefunden. Mittlerweile gibt es 137 Teststationen im Land, sagte der Stuttgarter Gesundheitsminister Manfred Lucha. Doch ein solches, in einer bestimmten Stadt gewachsenes Projekt lasse sich nicht sofort auf das ganze Land übertragen.

„Botschaft der Vernünftigen“

Der Minister war am Morgen des 24. Dezember nach Tübingen gekommen, um der hiesigen Initiatorin, der Tübinger Notfallmedizinerin Dr. Lisa Federle zu danken. Die 59-Jährige ist leitende Notärztin und Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Tübingen. Die Test-Aktion wird vom SCHWÄBISCHEN TAGBLATT unterstützt (siehe Infobox).

Lucha hoffte, „den Geist dieser Aktion ins ganze Land tragen zu können“, als „Botschaft der Vernünftigen“. Glücklicherweise habe es bisher sehr wenige positiv Geteste gegeben. Das Land stelle 80 000 Tests zur Verfügung. „Frau Federle hat noch andere Quellen.“

Doch ohne die zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer von Hilfsorganisationen seien Tests in der Fläche nicht zu stemmen. Parallel läuft eine weitere Abwehrstrategie gegen das Virus an: „Wir beginnen am Sonntag mit dem Impfen“, so Lucha. „Ohne Hilfsorganisationen könnten wir die Impfzentren nicht betreiben.“ Die Schnelltests seien zu 95 Prozent sicher. „Sie entbinden nicht von der Einhaltung der AHA- und sonstigen Regeln.“

War der Auftritt des Grünen-Ministers und der ehemaligen CDU-Landtagskandidatin Federle auch ein Signal für Schwarz-Grün? Dazu der Minister: „Es gibt keine überbordende Sehnsucht, daraus eine politische Farbendiskussion zu gestalten.“

Schon vor Testbeginn um zehn Uhr reihten sich die Wartenden vom Tübinger Marktplatz bis weit in die Kirchgasse hinein. Einige hatten Campingstühle mitgebracht, andere einen dicken, deckenähnlichen Schal.

„Es ging schon bis zur Neckarbrücke runter“, sagte Federle. Insgesamt ließen sich am 24. Dezember 600 Menschen testen. Zwei waren positiv. Sie mussten zur Fieberambulanz auf dem Tübinger Festplatz, um das Ergebnis mit einem PCR-Test nochmals überprüfen zu lassen. Zu einer weiteren Test-Aktion auf dem Marktplatz am Nachmittag des 25. Dezember kamen 294 Menschen, von denen fünf positiv waren, so Federle am Sonntag.

Eine Tübinger Ärztin, Mitte 60, hatte sich eingereiht, weil sie zu Weihnachten mit ihrem Mann dessen alte Mutter besuchen wollte. „Vielen Dank! Das finde ich ganz toll!“, sagte sie den Helferinnen und Helfern. Eigentlich wollte sie noch Kaffee und Brezeln mitbringen. „Aber das wollten die gar nicht.“ Auf die Ergebnisse warteten die Getesteten von der Haaggasse her. „Wir wollen heute noch zu den Großeltern“, sagte Ute Widmann, die gemeinsam mit ihrer Tochter wartete. „Mein Vater ist 81. Das war mir sonst zu riskant.“ Auch eine Tübinger Künstlerin stand in der Schlange, die ihre Mutter und ihre Tante besuchen wollte, beide über 80 Jahre alt. „Das ist eine wirklich sinnvolle Aktion“, sagte sie.

Mobile Impfteams für Ältere

Für die SPD waren die stellvertretende Landesvorsitzende Dorothea Kliche-Behnke und Michael Lucke, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, gekommen. Beide wollen, dass die Prioritäten bei den Corona-Impfungen erweitert werden: für alle Menschen über 80 (siehe nebenstehenden Artikel). Klinikumschef Prof. Michael Bamberg und Tübingens Erster Bürgermeister Cord Soehlke waren ebenfalls zugegen. „Wir müssen die Schnelltests weiterführen, bis durch Impfungen ein Wendepunkt erreicht ist“, so Federle. Es dürfe nicht sein, dass alte Menschen wieder monatelang nicht besucht werden dürfen. Sie bedankte sich ganz herzlich bei ihrem Team. „Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass man sich an Heiligabend auf den Marktplatz stellt und testet“, sagte sie: „Das ist das, was Tübingen ausmacht.“

Weitere Test-Termine sind am Dienstag, 29. Dezember, und am Mittwoch, 30. Dezember, jeweils von 16 bis 18 Uhr auf dem Tübinger Marktplatz. Am Samstag, 2. Januar, steht die Teststation von 11 bis 13 Uhr vor dem Stadtmuseum Tübingen in der Kornhausstraße.

Spenden weiter gefragt

Mit dem Campingstuhl zum Schnelltest
Drei Projekte fördert die diesjährige TAGBLATT-Weihnachtsspendenaktion: Das erste ist der Einsatz des Tübinger Arztmobils. Es ist aktuell im Landkreis unterwegs, um vor Besuchen an den Feiertagen allen einen kostenlosen Corona-Test zu ermöglichen. Das zweite ist ein Unterstützungsprojekt der Bürgerstiftung Tübingen für Künstler und Kulturschaffende, die infolge der Corona-Krise in Not sind. Das dritte ist die Palliativstation am Tumorzentrum des Tübinger Uniklinikums, das im Corona-Jahr kaum Spenden erhalten hat. Wer gezielt spenden möchte, bitte mit Vermerk Arztmobil, Kunst und Kultur oder: Palliativstation. Das Schwäbisches Tagblatt Spendenkonto bei der Kreissparkasse Tübingen hat die

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