Leichtathletik

Mit Rekord-Team nach Berlin

Bei den 118. deutschen Meisterschaften in Nürnberg geizen die Besten noch mit Top-Leistungen. Knapp 140 Starter sollen eine schlagkräftige Mannschaft für die Heim-EM formieren.

23.07.2018

Von WOLFGANG SCHEERER

Machte über 5000 Meter lange Tempo: Alina Reh (SSV Ulm 1846) musste sich am Ende Hanna Klein (li.) von der SG Schorndorf geschlagen geben. Dritte: Denise Krebs (Mi.) aus Leverkusen. Foto: Sven Hoppe/dpa

Machte über 5000 Meter lange Tempo: Alina Reh (SSV Ulm 1846) musste sich am Ende Hanna Klein (li.) von der SG Schorndorf geschlagen geben. Dritte: Denise Krebs (Mi.) aus Leverkusen. Foto: Sven Hoppe/dpa

Nürnberg. Einen deutschen Leichtathletik-Rekord gibt's schon vor der Heim-EM: In Berlin wird vom 6. bis 12. August ein knapp 140-köpfiges Team antreten. Die ziemlich verregnete DM in Nürnberg hat vorab allerdings den großen Glanz vermissen lassen. Vielleicht auch, weil erstmals das Gros der Top-Athleten bereits für die Europameisterschaft nominiert war. Der Rest der Mannschaft folgt am Mittwoch. Bis dahin können einige, zum Beispiel auch Robert Harting, nicht ganz sicher sein. In der aktuellen Diskus-Rangliste ist er lediglich Fünfter, jetzt wurde der 33-Jährige beim starken Auftritt seines Bruders Christoph (66,98) mit 63,92 Meter nur Dritter.

Heute wird hinter verschlossenen Türen über die Wackelkandidaten beraten. Das Trainerteam wird Harting für einen der drei EM-Plätze vorschlagen. Er ist Lokalmatador, Publikumsliebling und bleibt locker – wie nach dem Wettkampf im Morlockstadion: „Klar bin ich nicht zufrieden. Dafür habe ich jetzt immerhin die erste Bronzemedaille meines Lebens gewonnen!“ Ein Miteinander der Hartings gibt es bei der EM aber nicht. Beide sagen, sie hätten momentan „kein Verhältnis“.

Hofmann Speerwurf-Sieger

Die drei deutschen Top-Speerwerfer blieben zwar klar unter 90 Meter, lieferten aber einen engen Wettkampf. Andreas Hofmann von der MTG Mannheim feierte seinen ersten Titelgewinn mit 89,55 Meter – vor Olympiasieger Thomas Röhler (Jena/88,09) und Weltmeister Johannes Vetter (Offenburg/87,83). Nach seiner Oberschenkelverletzung ist der 25-Jährige noch immer nicht bei 100 Prozent.

Hofmanns Mannheimer Klubkollegin Shanice Craft überraschte mit dem Diskus-Sieg (62,91). Auch sie ist bei der EM zu sehen, genau wie Weitsprung-Meisterin Malaika Mihambo von der LG Kurpfalz in Heidelberg. Die Olympia-Vierte kam auf 6,72.

Zu denen, die ihren Platz sicher haben, zählt auch Marie-Laurence Jungfleisch vom VfB Stuttgart. Mit ihrer Siegeshöhe, 1,87 Meter, war sie zwar „nicht zufrieden“, mit dem sechsten Hochsprung-Titel in Serie dafür umso mehr. Dauerregen machte den Anlauf schwierig, klamme Kühle die Muskeln zäh. 1,84, von Imke Onnen (Hannover 96) bereits überquert, schaffte die 27-Jährige erst im dritten Versuch. „Durch die Fehlversuche war ich nervös“, gab die Sportsoldatin lächelnd zu. Mit 1,96 ist die WM-Vierte von 2017 deutsche Jahresbeste, hat an ihrer Top-Marke von 2,00 Meter aber noch nicht gekratzt. „Wäre schön, wenn's bei der EM klappt, ich freue mich auf Berlin. Meine ganze Familie wird kommen.“ Ihr Vater stammt aus Martinique, die Mutter ist Deutsche.

Zum Stabhochsprung rechtzeitig eingeflogen aus den USA ist Torben Laidig. Viereinhalb Jahre hat er dort Biochemie und -medizin studiert. Seit einem Monat ist der 24-Jährige zurück in Schwäbisch Hall, doch inzwischen nicht mehr für die WGL Hall aktiv, sondern Tübinger Klubkollege von Gregor Traber, dem Hürdensieger von Nürnberg.

Die EM-Norm von 5,60 hatte Laidig schon geknackt. Problem: vier andere ebenfalls, drei waren besser. Ex-Weltmeister Raphael Holzdeppe (Zweibrücken/5,81), Tobias Scherbarth (Leverkusen/5,65) und Daniel Clemens (Zweibrücken/5,61). Die WM 2017 hatte Laidig wegen eines Handbruchs verpasst. Mit der EM könnte es klappen, weil er jetzt Zweiter wurde. Holzdeppe zog kurzfristig zurück: Nasse Bahn, nasser Stab, muskuläre Probleme – nur nichts riskieren. Für Laidig lief's bis 5,40 Meter perfekt, dann war er raus. Wie letztes Jahr schnappte sich das größte deutsche Talent den Titel: Bo Kanda Lita Baehre. Der 19-Jährige, Cousin des ehemaligen kongolesischen Premier-League-Fußballers Leroy Lita (FC Reading, Swansea City), schraubte sich über 5,50. Und: Mit dem Sieg katapultiert er sich zur EM.

Diese letzte Chance haben auch die demnächst 31-jährige Stabhochspringerin Stefanie Dauber (SSV Ulm 1846) mit 4,45 und der 24-jährige Weitspringer Fabian Heinle (VfB Stuttgart) mit 8,04 glänzend genutzt. Hanna Klein (SG Schorndorf) entschied das spannende 5000-Meter-Duell gegen Alina Reh (SSV Ulm 1846) im langen Schlusssprint klar für sich. Reh, die wegen eines Ermüdungsbruchs im Wadenbein länger hatten pausieren müssen, favorisiert bei der EM den 10 000-Meter-Start.

Trabers zweiter Hürden-Titel

Auch Hürdensprinter Gregor Traber hatte das Ticket bereits sicher und triumphierte in Abwesenheit des Offenburger Seriensiegers Matthias Bühler (Rückenprobleme) in 13,37 Sekunden, während Pamela Dutkiewicz (Wattenscheid) mit Meisterschaftsrekord in Richtung EM stürmte: 12,69 unterstreichen die Favoritenrolle der 26-jährigen WM-Ditten. Traber, 25, holte zum zweiten Mal nach 2015, erneut in Nürnberg, den Titel und war überglücklich: „Meine Familie und viele Freunde sind gekommen. Das alles pusht mich enorm für die EM.“

Ziel ist der Endlauf. Und vielleicht mehr? Bei der letzten EM vor zwei Jahren in Amsterdam gab es fünf Europameister und insgesamt 16 Medaillen zu feiern. Dieses Mal könnten es bis zu 15 Goldmedaillen werden. DLV-Präsident Jürgen Kessing, im Hauptjob Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen, ist überzeugt: „Wir werden ein tolles, schlagkräftiges Team haben.“