Vernissage

Mit Buntstiften geht es schneller

Sepp Buchegger stellt einen Teil seiner im SCHWÄBISCHEN TAGBLATT erschienenen Karikaturen in der Tübinger Martinskirche aus.

03.02.2018

Von Michael Sturm

„Mein Haus, mein Boot, mein Auto“ – Sepp Buchegger hält hier eine seiner vielen Karikaturen, die den TAGBLATT-Lesern im Gedächtnis blieben. Am Donnerstag war Vernissage in der Tübinger Martinskirche, Buchegger stellt dort im Rahmen der Vesperkirche bis Anfang März aus. Bild: Sturm

„Mein Haus, mein Boot, mein Auto“ – Sepp Buchegger hält hier eine seiner vielen Karikaturen, die den TAGBLATT-Lesern im Gedächtnis blieben. Am Donnerstag war Vernissage in der Tübinger Martinskirche, Buchegger stellt dort im Rahmen der Vesperkirche bis Anfang März aus. Bild: Sturm

Vergangenes Jahr beschlossen die katholische Domkirchengemeinde und die von St. Moriz in Rottenburg ein Verbot für nicht-christliche Trauerfeiern in der Sülchen- und Klausenkapelle. Sepp Buchegger zeichnete daraufhin, wie der Gekreuzigte in ein Gotteshaus geschleppt wird. Einer der Schleppenden fragt: „Dürfen wir Ihn bei Euch beerdigen?“ Bischof Gebhard Fürst antwortet: „Wenn er in der katholischen Kirche wäre ...“

1972 wurde der damalige TAGBLATT-Chef Christoph Müller bei einer Ausstellung im Ludwig-Uhland-Institut für Kulturwissenschaften auf den damaligen Sport- und Politik-Studenten aufmerksam. Daraufhin, so Buchegger bei der Vernissage am Donnerstag, habe er während der wöchentlichen Konferenz am Freitagmittag ein Thema bekommen. Anfangs arbeitete er mit schwarzer Tusche auf Papier. Gegen Ende seines Studiums arbeitete Buchegger auch eine zeitlang für das dritte Fernsehprogramm des heutigen SWR und machte dann sein Hobby, das er nicht gelernt hatte, zum Beruf. Heute sitze er zwei bis drei Stunden an einer Zeichnung und arbeite vorwiegend mit bunten Farbstiften: „Die kann man radieren und es geht schnell.“

Seit Donnerstag – bis Anfang März – sind Zeichnungen des TAGBLATT-Karikaturisten bei der neunten Ausgabe der Vesperkirche in der evangelischen Tübinger Martinskirche zu sehen. Deren Pfarrer Christoph Cless kennt Buchegger seit vier Jahrzehnten. Er sagte: „Wenn Karikaturen gut sind, treffen sie ins Schwarze.“ In seiner Laudatio sagte Cless, der Zeichner liefere „jede Woche ein Spiegelbild des Tübinger Mikrokosmos“ ab – entlarvend, treffsicher und mit der Gabe, seinen Figuren etwas zutiefst Menschliches zu verleihen: „Ich kenne keinen, der so sehr ins Schwarze trifft, ohne die Menschen bloßzustellen.“

Um die Verbindung von Karikaturen und Kirche zu verdeutlichen, kam Cless auf das bereits erwähnte Werk zu sprechen: „Unter den Karikaturen findet sich, horribile dictu, ein Abbild Gottes.“ Damit hätten Pfarrer in früheren Zeiten Probleme gehabt: Das „Golgatha-Trauma“ – Gott durfte als guter Hirte, lange Zeit aber nicht als Gekreuzigter abgebildet werden. Dabei, so Cless, habe man eine Kritzelzeichnung aus dem Rom zur Zeit der frühen Christen gefunden, die den Gekreuzigten mit Ziegenkopf zeigt – eine Karikatur. „Darin ging es nicht um Gott, sondern um die Verspottung seiner Anhänger“, so Cless, der wieder zum Thema zurück kam und einen gewagten Vergleich anstellte: „Gott ist als Abwesender anwesend“ – das gelte ebenso für den Zeichner Buchegger, dessen Werke man zwar kenne, das Gesicht jedoch nicht. „Viele würden ihn gerne kennenlernen“, behauptete Cless.

In „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ stellte Buchegger den Wohlstand der westlichen Industriegesellschaft dem nicht (mehr) vorhandenen Hab und Gut von aus Kriegsgebieten geflüchteten Menschen gegenüber. Es ist Julia Harles Lieblingskarikatur von Buchegger. Sie sorgte als Teil von Mio’s Band für die musikalische Untermalung der Vernissage. Die Künstler kommen aus der Folklang-Bewegung, in der sich Musiker aus vielen Kulturen gegenseitig Lieder aus ihrer Heimat beibringen. Am Donnerstag waren 14 Musiker aus neun Nationen auf der Bühne.

Bei dieser Gelegenheit beantwortete Buchegger die Frage, die ihm am häufigsten gestellt werde: „Wie fällt Ihnen das immer ein?“ Seine „große Festplatte“, die im Hirn gespeicherte Sammlung aus Bildern, Schriften und Museumsbesuchen helfe. Die Themen lägen zudem auf der Straße. Er bewege sich in der Stadt und lese die Zeitung, vor allem die Leserbriefe – „ich befinde mich auf dem selben Informationsstand wie die Leser.“

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Erstellt:
03.02.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 03.02.2018, 01:00 Uhr

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