Corona in Norditalien

Militärlastwagen holen Leichen ab

Bergamo befindet sich wegen der Corona-Epidemie in Panik. Allein in einer Nacht starben 88 Menschen.

23.03.2020

Von Bettina Gabbe

Die  italienische Armee transportiert Särge ab. Foto: LaPresse via Zuma Press/Actionpress

Die italienische Armee transportiert Särge ab. Foto: LaPresse via Zuma Press/Actionpress

Rom. Ein Konvoi aus Militärlastwagen fährt am frühen Morgen durch das Tor des Friedhofs von Bergamo. Soldaten holen 70 Särge aus der Leichenhalle, um sie in umliegende Städte zu bringen, denn das dortige Krematorium ist völlig überlastet. Allein 88 Todesfälle mit Coronavirus gab es in der norditalienischen Stadt am Vorabend, nicht mitgezählt diejenigen, die zu Hause sterben, ohne auf die Krankheit getestet zu werden.

„Bislang sehen wir kein Licht am Ende des Tunnels“, sagt der Bürgermeister der Stadt, Giorgio Gori. Weder das seit knapp zwei Wochen landesweit geltende Ausgehverbot noch dessen jüngste Verschärfung reichten aus, um die Bürger zu Hause zu halten. Mittlerweile sind auch sportliche Aktivitäten nur noch in der unmittelbaren Umgebung der eigenen Wohnung erlaubt, alle Parks landesweit geschlossen.

Bergamo hat sich zum Epizentrum der Krise in der ohnehin am stärksten betroffenen Lombardei entwickelt. „Es gibt so viele Tote“, sagt die Einwohnerin Antonella Taiocchi. In der Lokalzeitung füllten die Todesanzeigen gewöhnlich eine Seite, nun seien es bis zu zehn, berichtet die Bankangestellte. „Alte Menschen, die jeden Tag ausgehen, um am Kiosk die Zeitung zu kaufen, sehen da auf einmal die Fotos ihrer Freunde.“

Bislang hat Taiocchi noch keinen Todesfall in ihrer unmittelbaren Umgebung erlebt. „Wir haben Glück gehabt“, sagt die Frau, die mittlerweile von zu Hause aus arbeitet. Dort hört sie rund um die Uhr die Sirenen der Rettungswagen auf dem Weg ins nahe gelegene Krankenhaus. Vor ein paar Tagen hielt ein Krankenwagen direkt vor ihrem Haus, Sanitäter kamen, um einen Nachbarn abzuholen. „In dem Moment habe ich Panik bekommen“, gesteht die 55-Jährige. Kein Angehöriger darf die Kranken begleiten. „Du bist allein, bis Du entlassen wirst oder stirbst.“

Seit Tagen berichten Ärzte aus der Region, dass nur noch diejenigen Patienten mit den größten Überlebenschancen an Beatmungsgeräte angeschlossen würden, auch Schutzkleidung sei Mangelware. Inzwischen wird in Bergamo wie in Mailand ein Feldkrankenhaus mit 230 Betten in einer ehemaligen Messehalle eingerichtet. Die Bettenzahl auf Intensivstationen sei seit Ausbruch der Krise von landesweit 5400 auf 8000 erhöht worden, berichtet der Chef des Katastrophenschutzes. Wann der Höhepunkt der Epidemie erreicht sei, könne niemand sagen.

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Erstellt:
23.03.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 07sec
zuletzt aktualisiert: 23.03.2020, 06:00 Uhr

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