Treibhausgase

Methan gibt Forschern Rätsel auf

Methan ist im Kampf gegen den Klimawandel fast ebenso wichtig wie Kohlendioxid. Allerdings bereitet das Treibhausgas Forschern immer wieder Überraschungen. Unklar ist auch, warum genau die Konzentration zunimmt.

27.11.2021

Von Yasemin Gürtanyel

Normalerweise unsichtbar, frieren die Methan-Blasen im kanadischen Abraham-See im Winter ein. Verantwortlich sind Bakterien am Grunde des Stausees. Bild: CoolPhoto2 shutterstock com

Normalerweise unsichtbar, frieren die Methan-Blasen im kanadischen Abraham-See im Winter ein. Verantwortlich sind Bakterien am Grunde des Stausees. Bild: CoolPhoto2 shutterstock com

Kühe haben einen schlechten Ruf bekommen, schließlich gelten die Wiederkäuer neben Flugzeug und SUV als einer der größeren „Klimaschädlinge“. Natürlich sind nicht die friedliebenden Tiere selbst schuld, sondern der Mensch, der sie in zu großer Anzahl hält. Das hat zur Folge, dass mehr Methan in die Atmosphäre gelangt als die Natur vorgesehen hat – Methan ist nach Kohlendioxid das zweitwichtigste klimarelevante Gas (siehe Box).

Lange hatte man sich, wenn es um Klimaschutzmaßnahmen ging, auf das CO2 konzentriert, womöglich zu stark, wie Wissenschaftler anmerken. Denn CO2 wirkt in einem sehr viel längeren Zeitraum, reduzieren wir unseren Ausstoß, wird es zunächst zwar nicht wärmer, aber auch sehr lange Zeit nicht kühler. Anders beim Methan, der Effekt wäre direkter spürbar. Gelingt es, den Methan-Ausstoß zu reduzieren, so die Hoffnung, könnte man Zeit gewinnen, um das CO2 in den Griff zu bekommen.

Allerdings macht es uns das Methan nicht einfach. Denn zwar beobachtet man einen stetigen Anstieg, so richtig weiß man aber nicht, woher er kommt. Mit der Kuhhaltung in der Landwirtschaft ist durchaus eine wichtige Methanquelle ausgemacht, die Tiere abzuschaffen, dürfte sich aber nicht nur als schwierig, sondern auch als kontraproduktiv gestalten, da sie im Gegensatz zum Menschen Gras verwerten können. Studien deuten darauf hin, dass Kühe, die Gras weiden, weniger Methan produzieren als solche, die Kraftfutter bekommen. Mit einer Änderung der Haltungsform ließe sich eventuell einiges bewirken.

Davon abgesehen sind Kühe nicht die einzige Methanquelle auf der Erde. Im landwirtschaftlichen Bereich etwa kommt Reisfeldern, die regelmäßig überflutet werden, ebenfalls eine bedeutende Rolle zu. Reis allerdings ist im asiatischen Raum eine Hauptnahrungsquelle.

Das Problem mit den Mooren

Praktisch einen genauso großen Anteil am Methanausstoß wie die Landwirtschaft hat der Energiesektor. Erdgas etwa besteht aus Methan. Beim Abbau und Transport werden größere Mengen davon freigesetzt. Verstärkter Erdgasabbau könnte also für den Methananstieg mitverantwortlich sein. Ob Erdgas als Alternative für das – noch klimaschädlichere Erdöl – geeignet ist, erscheint da fraglich.

Noch komplizierter verhält es sich mit den Methanquellen, für die der Mensch nur indirekt verantwortlich ist. Denn Methan wird auch in größerem Stil auf natürlichem Wege gebildet. Etwa immer dann, wenn Mikororganismen organisches Material in Abwesenheit von Sauerstoff abbauen. Das ist zum Beispiel in Mooren der Fall, sie gelten als eine der größten natürlichen Methanquellen.

Nun war der Mensch lange Zeit gut dabei, Moore trockenzulegen – dem Klima hat er damit aber keinen Gefallen getan. Denn Moore geben nicht nur Methan ab, sondern speichern auch sehr viel CO2. Fallen diese Speicher weg, trägt das in weitaus höherem Maße zur Klimaerwärmung bei als die Methaneinsparung kühlt.

Daher werden heute viele Moore wiederbelebt – geschieht das aber zu rasch, und es stehen Landstriche unter Wasser, wird zunächst einmal sehr viel Methan freigesetzt, da viele Pflanzen verrotten. Wissenschaftler untersuchen daher, wie eine schonende Renaturierung von Sumpflandschaften ablaufen kann.

Große Mengen an Methan werden aber auch freigesetzt, wenn Permafrostböden etwa in Sibirien wegen der Klimaerwärmung tauen. Da dieser Effekt sich selbst verstärkt – je wärmer es ist, desto schneller taut es, je mehr Boden taut, desto wärmer wird es –, wird er von Klimaforschern als besonders problematisch angesehen. Zumal es nicht so aussieht, als ließe sich so schnell etwas an diesem Vorgang ändern.

Ähnliches gilt für Methan, das bislang in fester Form am Meeresboden gelagert war, wie im World Ocean Review aus dem Jahr 2010 zu lesen ist. Erwärmt sich das Wasser – etwa im Zuge des Klimawandels –, geht das Methan in seinen gasförmigen Zustand über und entweicht in die Atmosphäre.

Daneben gibt es aber auch Unterwasser-Methanquellen, mit denen der Klimawandel nichts zu tun hat. Und, Überraschung: Diese natürlichen Methanquellen sind auch nicht klimaschädlich. Beziehungsweise, der erwärmende Effekt des Methans wird, ähnlich wie bei den Mooren, durch einen CO2-Einspareffekt überlagert. Denn zusammen mit dem nach oben sprudelnden Methan gelangen Nährstoffe vom Meeresgrund an die Wasseroberfläche. Diese befördern das Algenwachstum, Algen wiederum binden CO2. So jedenfalls spielt es sich über einer natürlichen Methanquelle vor Spitzbergen ab, wie Forscher vor einiger Zeit im Fachmagazin PNAS berichteten.

Überrascht reagierte ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Kernphysik auch auf folgende Erkenntnis: Pflanzen binden offenkundig nicht nur CO2, sondern produzieren Methan. Und zwar in völlig normaler, sauerstoffreicher Umgebung. Ein recht unliebsamer Nebeneffekt, werden Pflanzen doch als Hauptmitstreiter im Kampf gegen den Klimawandel gesehen. Ähnliches wurde wenig später bei Pilzen festgestellt.

Aber: Diese natürlichen Methanquellen sind für den Klimawandel eher unbedeutend. Denn auf die Aktivität von Pflanzen und Pilze hat sich die Natur im Laufe der Jahrmillionen einstellen können.

Laut den Analysen eines Forscherteams der University of Rochester, New York, liegt der Anteil der vom Menschen verursachten Methanemissionen um bis zu 40 Prozent höher als bisher angenommen, wie das Fachmagazin Nature berichtet. Das bezieht sich vor allem auf die Nutzung fossiler Energiequellen, auf die beinahe die Hälfte der menschengemachten Methan-Emissionen zurückzuführen seien.

Das muss keine schlechte Nachricht sein – immerhin können wir unser Verhalten ändern. Nötig wäre das. Laut Bericht des Weltklimarats IPCC müssen die Methanemissionen bis zur Jahrhundertmitte 35 Prozent weniger betragen als im Jahr 2010, wollen die Erderwärmung auf 1,5-Grad-Ziel beschränken.

Stärkerer Treibhauseffekt

Wenn es um Klimaschutz-Maßnahmen geht, wird meist vom CO2-Ausstoß gesprochen. Kohledioxid steht dabei stellvertretend für alle anderen Treibhausgase – etwa Methan (CH4), nach CO2 das zweitwichtigste anthropogene Treibhausgas.

Zwar ist die Methankonzentration mit 1800 Teilchen pro Milliarde in der Atmosphäre deutlich geringer als die von CO2 mit aktuell rund 413 Teilchen pro Million Luftmoleküle. Wie die CO2-Konzentration steigt aber auch die von CH4 seit der Industrialisierung stark an und hat sich nahezu verdreifacht, gemessen wird derzeit der höchste Stand seit mindestens 800 000 Jahren.

Problematisch ist Methan vor allem deshalb, weil es viel mehr Wärme speichert als CO2 und daher einen weitaus stärkeren Treibhauseffekt verursacht: Es ist etwa 30 mal wirksamer. Allerdings verweilt es nicht so lange in der Atmosphäre, nach etwa neun Jahren wird es abgebaut – zu CO2, das eine Halbwertzeit von fast 1000 Jahren hat.

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Erstellt:
27.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 09sec
zuletzt aktualisiert: 27.11.2021, 06:00 Uhr

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