Fabeldichter

Menschliches im Spiegel der Tiere

Vor 400 Jahren wird Jean de La Fontaine geboren, der die Moral der Gesellschaft poetisch erkundet.

08.07.2021

Von EPD

Die Illustration zeigt La Fontaine mit einer Dame in der Natur. Foto: akg-images

Die Illustration zeigt La Fontaine mit einer Dame in der Natur. Foto: akg-images

Frankfurt/Main. Es sind uralte Geschichten, die heute sprichwörtlich geworden sind: Fabeln wie die vom Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind, weil er sie nicht erreichen kann. „Es ist deutlich zu sehen, dass sie noch klein und unreif sind. Die mag essen, wer will“, tröstet sich der hungrige Fuchs. Der legendäre Grieche Äsop hat diese knappe Erzählung vermutlich im 6. Jahrhundert vor Christus verfasst. Die Moral dazu: „So ist es auch bei manchen Menschen. Infolge ihrer Unzulänglichkeit vermögen sie an bestimmte Dinge nicht heranzukommen und geben dafür den Umständen die Schuld.“

Spätere Dichter haben diese und andere moralistische Tiergeschichten aufgegriffen, bearbeitet und belebt. Besonders charmant ist das dem Franzosen Jean de La Fontaine (1621-1695) gelungen, der am 8. Juli vor 400 Jahren geboren wurde. La Fontaine hat sich den Ruf eines Klassikers erworben. „Notre Homère“, unser Homer, nannte ihn der französische Schriftsteller Joseph Joubert (1754-1824). „In Frankreich lernen die Schulkinder seine Fabeln auswendig“, sagt die Romanistin Patricia Oster-Stierle, die ihre Lehramtsanwärterinnen und -anwärter an der Universität des Saarlands in Saarbrücken mit Fabeln wie „Hase und Igel“, Grille und Ameise„ oder “Der Wolf und das Lamm“ vertraut macht.

La Fontaine schrieb die antiken Texte teils um. „Bei ihm ist die Vernunft nicht mehr auf der Seite des Stärkeren, sondern das Lamm ist klüger als der Wolf“, erläutert Oster-Stierle und mimt, wie herrlich lautmalerisch der dumme Wolf im französischen Original von „Der Wolf und das Lamm“ knurrt und das kluge Lamm mäht.

In der Fabel von der Grille und der Ameise tanzt die Grille durch den Sommer. Die Ameise sammelt Vorräte und verweigert im Winter dann der hungernden Grille die Unterstützung. „Meine Studierenden finden, die Ameise habe recht“, erzählt Oster-Stierle. „Wer nicht arbeitet wie die Grille, könne auch nicht erwarten, durchgefüttert zu werden.“

Immer wieder unterstützt

La Fontaine selbst war eher Grille als Ameise, hatte jedoch das Glück, immer wieder Menschen zu finden, die ihn unterstützten. Geboren in Chateau-Thierry zog er 1637 nach Paris, um die Schule abzuschließen. 1641 begann er ein Theologiestudium, das er nach zwei Jahren abbrach. Es folgten noch zwei Jahre Jura, bevor ihn seine Eltern standesgemäß verheirateten, um den Müßiggänger in bürgerliche Bahnen zu lenken. Mit seiner Frau Marie Héricart hatte er einen Sohn. Aber da er weder eine Ehe führen noch mit Geld umgehen konnte, verlor er bald Frau und Elternhaus.

Jahre später schlüpfte er bei der Herzogin von Orléans unter, schloss Freundschaft mit den Dichtern Jean Racine und Molière und veröffentlichte 1665 galante Verserzählungen unter dem Titel „Contes et Nouvelles“, die an die Frivolität des Renaissancedichters Boccaccio und seiner „Decamerone“ erinnern.

1695 starb er, nachdem er das zwölfte Buch seiner Fabeln herausgegeben und sich öffentlich von seinen „Contes“ distanziert hatte. Sein Ehrengrab auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise ist leer, die Gebeine waren einst in die Katakomben überführt worden. epd

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Erstellt:
08.07.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 31sec
zuletzt aktualisiert: 08.07.2021, 06:00 Uhr

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