Roman

Menschen, die Miezen mögen

Durian Sukegawa erzählt in „Die Katzen von Shinjuku“ die Geschichte zweier Außenseiter in einer Zeit der Umbrüche.

05.05.2021

Von Marcus Golling

Durian Sukegawa  - Die Katzen von Shinjuku. Übersetzt von Sabine Mangold. DuMont, 272 Seiten, 20 Euro. Foto: DuMont

Durian Sukegawa - Die Katzen von Shinjuku. Übersetzt von Sabine Mangold. DuMont, 272 Seiten, 20 Euro. Foto: DuMont

Was für eine seltsame Spelunke: Yamazaki sitzt gemütlich bei Yakitori-Spießen und einem erfrischendem Hoppy-Mixgetränk in einer Bar im Tokioter Ausgehviertel Shinjuku – und beobachtet ein originelles Spiel. Seine Nachbarn wetten darauf, welche Katze als nächstes am Fenster vorbeiläuft. Eine von den weißen, Queen oder Slip? Oder ein schwarzer Artgenosse, Drumstick, Pop oder Sting? Zum Nachschlagen hängt ein von Hand gezeichneter Plan mit 17 Katzen hinter dem Tresen. Yamazaki ist hingerissen.

Der hierzulande wenig bekannte Japaner Durian Sukegawa, Schriftsteller, Dichter, Punkmusiker, Schauspieler und Moderator, erzählt in „Die Katzen von Shinjuku“ eine anfangs kuriose, im weiteren Verlauf sentimentale Geschichte von Menschen und Tieren. Sein Ich-Erzähler ist ein junger Fernsehautor, karrieremäßig ausgebremst von einer Rot-Grün-Schwäche. Von seinem Mentor wird er gepiesackt und bisweilen sogar geschlagen, in Japan nennt man das wohl „Power Harassment“ (großes Thema!) oder kurz „Power Hara“.

Der Katzenplan erwischt Yamazaki in einem Moment der seelischen Erschöpfung und fällt wie ein Lichtstrahl der Inspiration in sein Leben. Gezeichnet hat ihn Yume, die in der Bar allabendlich am Grill steht, eine junge Frau mit Silberblick, die einen nicht so leicht in ihr Inneres schauen lässt. Und die, wie „Yama-chan“ herausfindet, zu den Katzen ein ganz besonderes Verhältnis hat.

„Die Katzen von Shinjuku“ ist ein leichtes und melancholisches Buch über eine Welt im Umbruch. Der Roman spielt Anfang der 90er, Immobilienspekulanten wollen das Amüsierviertel wegbetonieren. Während weiter im Westen die Blöcke plötzlich zusammenbrechen, geht in Japan die Ära der autoritären Anführer langsam zu Ende.

Anklänge an Murakami

Sukegawa fängt die Stimmung sensibel und poetisch (Lyrik spielt später eine Rolle) ein. Das erinnert oft an seinen weltberühmten Landsmann Haruki Murakami, dessen Figuren ähnlich verträumt und verloren durch den Alltag stromern. Dessen erzählerische Kraft erreicht er zwar nicht, aber „Die Katzen von Shinjuku“ ist dennoch mehr als nur eine rührende Liebesgeschichte: ein Buch darüber, dass es die Phasen der Unsicherheit und des Scheiterns sind, die die Menschen formen.