Meister der Träume

Ausgerechnet ein Ex-Militär hat in Afghanistan ein Herz für das Kino. Salim Shaheen ist das Gesicht der Filmbranche am Hindukusch. In dem von Krieg und Terror gebeutelten Land ist dabei eine gehörige Portion Machismo inbegriffen: Etwa wenn er der französischen Journalistin und Dokumentarfilmerin Sonia Kronlund (stets mit rosa Kopftuch unterwegs) sein Land erklärt – wenn sie Bedenken hat, weil er wieder mal sämtliche Sicherheitsvorkehrungen ignoriert: „Das ist eine gute Gegend: Tee, Essen, Respekt.“

Shaheen hat einen unverwüstlichen Humor, lässt sich von niemandem einschüchtern und hat ein pragmatisches Verhältnis zum Sterben. „Man weiß nie, wann der Tod an deine Tür klopft. Mach das Beste aus deinem Leben hier“, heißt es im Film.

Die männliche Dominanz wird immer wieder ironisch gebrochen: mangels weiblicher Darstellerinnen übernimmt manche Frauenrolle in Shaheens Filmen der Schauspieler Qurban Ali, der das Crossdressing mit Gusto zelebriert. Eine junge Frau, die eine Tänzerin spielt, kann die Paradoxien des Showgeschäfts noch nicht so leicht nehmen: Am Set wird sie ständig von ihrem streng blickenden Vater überwacht. Wenn Shaheen in Hinterzimmern seine Filme vorführt, sind die Zuschauer überwiegend Männer, darunter auch Taliban, die den Kinobesuch vor ihren Kampfgefährten verheimlichen müssen.

Kronlund berichtete 15 Jahre lang für französische Radio- und Fernsehsender aus Afghanistan, meist über Gräueltaten wie „Giftattacken, Steinigungen oder interethnische Massaker“, bevor sie auf das Kinowunder im Land aufmerksam wurde. Im Original heißt ihr Film „Prince of Nothingwood“. Denn Shaheen verortet sein Kino in Anlehnung an Hollywood und Bollywood im Nichts – weil es aus nichts entsteht, ohne Geld, mit rudimentärem Equipment, und sich doch gegen die allgegenwärtige Gewalt behauptet.