NBA-Profi Enes Kanter wird von seiner Familie verstoßen – Vater will, dass er seinen Namen ändert

„Meine Liebe für Gülen ist größer“

Enes Kanter wurde aufgrund seines Bekenntnisses zur Gülen-Bewegung von seiner Familie verstoßen. Politische Statements sorgten für Aufregung.

11.08.2016

Von SID

Enes Kanter (rechts) gibt sich auch abseits des Feldes kämpferisch. Foto: afp

Enes Kanter (rechts) gibt sich auch abseits des Feldes kämpferisch. Foto: afp

Oklahoma City/Berlin. Dass Enes Kanter aufgrund seiner politischen Ansichten in der Türkei im Kreuzfeuer der Kritik steht, ist für den NBA-Star nicht neu. Weil er sich offen vom Regime von Präsident Recep Tayyip Erdogan abwandte, erhielt er bereits Morddrohungen und flog aus fadenscheinigen Gründen aus der Nationalmannschaft. Nun wurde der Basketballer sogar von seiner Familie verstoßen.

„Heute, im Alter von 24 Jahren, habe ich meine Mutter, meinen Vater, meinen Bruder und meine gesamte Familie verloren“, twitterte der 2,11 Meter grpße Hüne der Oklahoma City Thunder aus der nordamerikanischen Profiliga.

Kanter hatte sich nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei via Twitter zur Gülen-Bewegung bekannt und immer wieder Artikel gepostet, in denen der Prediger Fethullah Gülen eine Beteiligung an dem Putschversuch bestreitet. Kanters Familie sah sich daraufhin genötigt, sich öffentlich beim umstrittenen Machthaber Erdogan zu entschuldigen.

„Mein eigener Vater wollte, dass ich meinen Nachnamen ändere. Meine Mutter, die mir mein Leben geschenkt hat, hat mich ausgestoßen. Die Geschwister, mit denen ich aufwuchs, kennen mich nicht mehr. Meine Verwandten wollen mich nicht mehr sehen“, schrieb Kanter. Seinen Brief unterschrieb er mit „Enes (Kanter) GÜLEN“.

All das werde jedoch nichts an Kanters Meinung ändern: „Für den Willen Gülens würde ich meine Mutter, meinen Vater und meine ganze Familie opfern. Meine Liebe für Gülen ist größer als die Liebe für meine Eltern und meine Geschwister.“

Ankara macht den im US-Exil lebenden Gülen für den versuchten Militärputsch vom 15. Juli verantwortlich und geht seitdem mit aller Härte gegen die einflussreiche Gülen-Bewegung vor. Zehntausende Menschen wurden bereits wegen ihrer Nähe zu der Bewegung entlassen oder festgenommen, darunter Soldaten, Richter, Staatsanwälte, Lehrer und Journalisten. Vielen soll der Prozess gemacht werden.

Angeblich ist Kanters Twitteraccount in der Türkei laut verschiedener Medienberichte mittlerweile nicht mehr zugänglich. Sein Vater war jedoch trotzdem bestens informiert. „Ich habe Enes gewarnt, aber er hat einfach nicht aufgehört, Tweets gegen den Präsidenten und die türkische Nation zu schreiben“, teilte Mehmet Kanter in einem handgeschriebenen Brief mit, den verschiedene Medien veröffentlichten.

Zuvor hatte Kanter junior die aktuelle Situation in seinem Heimatland mit der Zeit der Weimarer Republik vor Hitlers Machtübernahme verglichen. Kanter, der in 373 NBA-Spielen für die Thunder und Utah Jazz 3998 Punkte erzielte, fiel durch klare Statements immer wieder auf – und das wurde ihm auch sportlich schon zum Verhängnis. Überraschend wurde er im Vorjahr nicht in die türkische Nationalmannschaft berufen.

Angeblich habe er Anrufe vom türkischen Nationalcoach Ergin Ataman nicht beantwortet. Kanter stritt das vehement als Unsinn ab und betonte mehrfach, dass er 2015 gerne bei der EM dabei gewesen wäre. „Die Rechtfertigungen sind überhaupt nicht überzeugend. Es gibt nur einen einzigen Grund: Ich wurde wegen meines Glaubens und meiner politischen Ansichten ausgeschlossen“, sagte Kanter.

Kanter ist nicht der einzige prominente Sportler, der in die politischen Wirrungen gerät. Dem türkischen Fußball-Rekordtorschützen Hakan Sükür wurden beispielsweise von heimischen Medien Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen. Sükür steht in der Türkei zudem wegen Präsidentenbeleidigung in Abwesenheit vor Gericht.

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Erstellt:
11.08.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 34sec
zuletzt aktualisiert: 11.08.2016, 06:00 Uhr

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