Sanktionen

Vermögen in Milliardenhöhe eingefroren: Mehr als nur eine Jacht

Nach der Invasion in der Ukraine sind Vermögen in Milliardenhöhe eingefroren worden. Doch Luxusgüter sind nur die sichtbaren Symbole russischen Reichtums.

22.06.2022

Von dpa

Vermögen in Milliardenhöhe eingefroren: Mehr als nur eine Jacht

Superjachten waren bei russischen Milliardären lange die beliebteste Art, ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Nicht jeder konnte sich schließlich einen Spitzen-Fußballverein kaufen, wie es Roman Abramowitsch mit Chelsea machte. Doch mit den westlichen Sanktionen gegen die russische Elite nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden die zum Teil hunderte Millionen Euro teuren und oft in deutschen Werften gebauten Schiffe ein augenscheinlich leichtes Ziel. Denn sie verbringen viel Zeit in Häfen oder zur Wartung in Werften. Und so wurden unter anderem in Spanien und Italien schnell mehrere Luxusjachten festgesetzt, selbst auf Fidschi beschlagnahmten US-Behörden die 150 Meter lange „Amadea“, die dem Gold-Milliardär Suleiman Kerimow zugeordnet wird.

„Zugeordnet“ ist hier allerdings ein Schlüsselwort, denn die Besitzverhältnisse bei russischem Milliardärsvermögen sind so gut wie nie offenkundig. So ist als Eigentümer der über 300 Millionen Euro teuren „Amadea“ die Firma Millemarin Investment Ltd. eingetragen, und es gibt unterschiedliche Angaben dazu, wer sich dahinter verbirgt. So sagen Millemarin-Anwälte, das Schiff gehöre dem russischen Milliardär Eduard Chudainatow, der nicht von Sanktionen betroffen sei.

Ein anderes Beispiel ist Tui: Hauptaktionär des Reiseriesen war lange der russische Stahlmagnat Alexej Mordaschow. Die EU nahm den als kremltreu geltenden Milliardär Ende Februar auf ihre Sanktionsliste. Doch kurz davor hatte er formell den weitgehenden Rückzug aus dem Kreis der Tui-Eigentümer eingeleitet. Sein Anteil an der Firma Unifirm, die 27,16 Prozent an Tui hält, wurde an die Beteiligungsgesellschaft Ondero verkauft. Als „kontrollierende Gesellschafterin“ von Ondero wird Marina Mordaschowa genannt – seine Ehefrau. Allerdings kam auch sie später auf die Sanktionsliste. Die Übertragung der Anteile ist „schwebend unwirksam“, da das Bundeswirtschaftsministerium den Verkauf von Unifirm untersucht.

Versuche, bei Milliardären aus Russland durchzugreifen, sind oft schwierig. „Russische Eliten und Oligarchen sind vermutlich unter den besten auf der Welt darin, ihren Reichtum zu verbergen“, sagte der „Washington Post“ ein ranghoher Beamter des US-Finanzministeriums, der eine führende Rolle bei der Umsetzung der Sanktionen spielt. Luxusjachten, Villen und Privatjets seien relativ einfach zu greifen. Kompliziert sei es aber, durch Firmenverschachtelungen durchzusteigen, hinter denen das eigentliche Vermögen versteckt sei. Angesichts der Zerstörung, die russische Truppen in der Ukraine anrichten, werden auch Rufe lauter, beschlagnahmte Oligarchen-Vermögen für den Wiederaufbau zu verwenden. Zuletzt hatte sich nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) offen dafür gezeigt. Voraussetzung sei, dass vor Gericht nachgewiesen werde, dass Verdächtige etwa an Kriegsverbrechen oder der illegalen Kriegsführung beteiligt waren. Ob es jemals dazu kommt, ist trotz aller Vorstöße fraglich.

Die Anfänge des Reichtums der Oligarchen gehen meist auf die 1990er Jahre zurück. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden die zuvor staatseigenen Betriebe privatisiert. Zum Konzept der Reformer unter Präsident Boris Jelzin gehörten Wert-Schecks, die an Bürger verteilt wurden und bei Privatisierungs-Auktionen eingesetzt werden konnten. Doch aus der Idee eines „Volks von Eigentümern“ wurde nichts, unter anderem weil findige Geschäftsleute in großem Stil Wertschecks zusammenkauften. Nach einer zum Teil von viel Gewalt begleiteten Umverteilung landete die Kontrolle über Großbetriebe lukrativer russischer Industrien – Stahl, Metalle, Düngemittel – bei einer Handvoll Unternehmer.

Die Oligarchen mögen zwar Milliarden, Superjachten und Privatjets haben – aber Präsident Wladimir Putin und russische Behörden haben die Macht, ihnen das alles zu nehmen. So war Michail Chodorkowski vor rund zwei Jahrzehnten Ölmilliardär und der reichste Mann Russlands. Im Jahr 2003 wurden ihm unter anderem Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen, und er verbrachte rund ein Jahrzehnt im Gefängnis, bevor er 2013 von Putin begnadigt wurde. Chodorkowski, der sich selbst als politischen Gefangenen bezeichnete, kündigte an, sich fortan aus Politik und Wirtschaft fernzuhalten.

In einem jüngeren Fall kritisierte Milliardär Oleg Tinkow den Krieg in der Ukraine und war anschließend nach seinen Angaben unter Verstaatlichungs-Drohungen gezwungen, seinen Anteil an der Tinkoff-Bank zu einem Bruchteil des Werts zu verkaufen. Der Käufer: Nickel-Milliardär Wladimir Potanin.

EU versucht, hart durchzugreifen

Der Betrag der eingefrorenen Vermögen habe sich nahezu verdoppelt von 6,7 Milliarden Euro im April auf aktuell etwas mehr als 12,5 Milliarden Euro, sagte EU-Kommissionssprecher Christian Wigand. Dazu gehörten auch Vermögenswerte wie Jachten, Hubschrauber, Immobilien und Kunstwerke. Nicht mit eingerechnet seien aber Vermögen der russischen Zentralbank. Aus Kommissionskreisen hieß es, der Anstieg der eingefrorenen Vermögen sei „maßgeblich“ auch darauf zurückzuführen, dass in den vergangenen Wochen besonders in Deutschland zahlreiche Vermögenswerte ausfindig gemacht und gesperrt worden seien. Konkrete Zahlen gab es auf Nachfrage allerdings nicht.