Finanzen

Interview: „Mehr als der reine Geldwert“

Gerade in der Krise sind die Menschen sensibel bei Beschränkungen beim Bargeld, sagt Prof. Julia Pitters, Leiterin des Studiengangs Wirtschaftspsychologie an der Fernuni IU Internationale Hochschule und Trendforscherin bei Pitters Trendexpert.

31.05.2021

Von DIETER KELLER

Wirtschaftspsychologin Prof. Julia Pitters. Foto: IU/privat

Wirtschaftspsychologin Prof. Julia Pitters. Foto: IU/privat

Berlin.

Warum haben die Deutschen so ein enges Verhältnis zum Bargeld?

Julia Pitters: Es ist für die Deutschen mehr als ein Zahlungsmittel, sondern Teil einer liebgewonnenen Tradition. Wer Trinkgeld gibt oder Geldgeschenke bekommt, verbindet damit einen höheren Wert als nur den reinen Geldwert. Es ist ein psychologisches Phänomen, dass wir bei Verlusten sensibler sind als bei Gewinnen. Wird das Bargeld weggenommen, empfinden wir den Verlust als größer als den Zugewinn, wenn wir einfach digital bezahlen.

Welche Rolle spielt die Angst vor Inflation und Enteignung?

Die ist bei den Deutschen stark verankert. Ich erinnere mich noch, dass meine Großeltern immer von der Inflation nach dem Zweiten Weltkrieg als etwas ganz Schrecklichem erzählt haben. Wenn wir ein Zahlungsmittel haben, das sicher ist und sich bewährt hat, hängen wir daran.

Welche Rolle spielt da die Corona-Pandemie?

Eine Krise bedeutet immer Unsicherheit. Da greifen Menschen reflexartig zu dem, was sie kennen und was ihnen Sicherheit bietet. In Krisenzeiten werden Menschen normalerweise konservativer bei Anlagen. Dann horten sie viel Bargeld. In dieser Krise ist es etwas anders. Sie polarisiert stark. Auch riskante Anlagen wie in Kryptowährungen oder Aktien sind hoch.

Akzeptieren die Jungen eher Plastikgeld als die Alten?

Sicher. Bargeld macht mit Menschen etwas ganz Spezifisches. Wenn wir es sehen, aktiviert es im Gehirn ein Belohnungssystem und macht uns automatisch fokussierter, ehrgeiziger, egoistischer. Das sieht man schon bei kleinen Kindern. Wenn sie beobachten, dass ihre Eltern nur noch eine Karte ziehen, kann es sein, dass dieser Reiz von Bargeld verschwindet.

Die EU will Barzahlungen ab 10?000 Euro verbieten. Akzeptieren das die Deutschen?

Der Betrag an sich wäre für die meisten gar nicht so schlimm. Denn normalerweise werden nur kleinere Summen mit Bargeld bezahlt. Aber es wäre eine weitere Einschränkung und Kontrolle. Das stößt auf Widerstand. Gerade jetzt in dieser unsicheren Zeit, wo alles digitalisiert wird. Dieter Keller

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Erstellt:
31.05.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 58sec
zuletzt aktualisiert: 31.05.2021, 06:00 Uhr

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