Studium

Mehr als 1000 Zimmer bleiben leer

Experten erklären, wie sich das coronabedingte Fernstudium auf die Zimmerpreise in deutschen Uni-Städten zu Beginn des neuen Semesters auswirkt.

27.03.2021

Von MICHAEL SCHEIFELE

Laut einer Studie sind die Preise für ein WG-Zimmer in deutschen Uni-Städten zuletzt weniger stark angestiegen als die vergangenen Jahre. Foto: Matthias Balk/dpa

Laut einer Studie sind die Preise für ein WG-Zimmer in deutschen Uni-Städten zuletzt weniger stark angestiegen als die vergangenen Jahre. Foto: Matthias Balk/dpa

Ulm. Mia Schneider startet Mitte April ihr zweites Uni-Semester in Tübingen, ohne dass sie bisher dort gewesen ist. Sie entschied sich bewusst dagegen, in ihre Studienstadt zu ziehen. Entscheidend sind für die Studentin, die mit anderem Namen genannt werden will, nicht nur die Online-Kurse gewesen: Mitten in der Pandemie habe sie sich nicht komplett auf etwas Neues einlassen wollen. „Da tut es gut, sein gewohntes und gefestigtes Umfeld zu haben“, erklärt sie.

Vielen Studierenden gehe es derzeit ähnlich, vermutet Reiner Braun, Vorsitzender des Forschungsinstituts Empirica. Laut einer Erhebung seines Instituts sind die Preise für ein WG-Zimmer in deutschen Uni-Städten im vergangenen Jahr weniger stark gestiegen als die Jahre davor: Seit 2016 haben sich die WG-Mieten jährlich im Schnitt um 3,2 Prozent erhöht, im vergangenen Jahr waren es nur noch 1,3 Prozent. „Das liegt wohl daran, dass die Nachfrage gerade sinkt“, sagt Braun und erklärt: „Da an den Unis nur Online-Vorlesungen stattfinden, bleiben viele Studenten bei ihren Eltern wohnen.“

Das mache sich vor allem in den Städten bemerkbar, in die junge Menschen aus der Region nur wegen des Studiums ziehen. „Anders ist das in sogenannten Schwarmstädten“, erklärt Braun: „Da geht man hin, weil man dort wegen eines gewissen Lebensgefühls sein will.“ Hamburg sei zum Beispiel eine solche Stadt, wo die Nachfrage deshalb unverändert hoch bleibe.

Zimmer in München für 650 Euro

Die teuersten WG-Zimmer in Deutschland gibt es derzeit in München: Mieter zahlen dort im Schnitt 650 Euro. Das zeigt die Empirica-Studie. Das Forschungsinstitut hat auf Basis von mehr als 100?000 Mietinseraten in 120 deutschen Uni-Städten eine Übersicht der Warmmieten von unmöblierten, 10 bis 30 Quadratmeter großen WG-Zimmern erstellt. Nach München sind Frankfurt am Main mit 500 Euro und Hamburg mit 495 Euro am teuersten. Im Südwesten zahlen die Studierenden mit 480 Euro am meisten in Stuttgart.

Ein Ulmer WG-Zimmer kostet im Schnitt immerhin 420 Euro. Wer sich ein Wohnheimzimmer des Studierendenwerks Ulm mietet, zahlt durchschnittlich nur 296 Euro. Die Wohnheimpreise sind unabhängig von der derzeitigen Marktlage, da die Studierendenwerke staatliche Zuschüsse bekommen und keine Gewinnabsichten haben. Im Zuständigkeitsbereich des Studierendenwerks Ulm bewerben sich weniger Studierende als gewöhnlich um ein Zimmer, sagt Krstimir Krizaj, Leiter der Abteilung Wohnen und erklärt: „Das macht sich an der gestiegenen Leerstandsquote bemerkbar.“ Im Jahr 2019 sei der Anteil der verwaisten Zimmer noch bei unter einem Prozent gelegen, 2020 bereits bei drei Prozent. Zu Beginn des Sommersemesters dieses Jahres werde der Wert wohl sieben Prozent erreichen, berichtet Krizaj. In absoluten Zahlen heißt das: 138 Zimmer werden erst einmal frei bleiben. Auch auf dem privaten Wohnungsmarkt in Ulm gebe es zum Semesterstart mehr Anbieter mit freien Zimmern. Wie sich das auf den Preis auswirke, könne Krizaj vom Studierendenwerk Ulm jedoch nicht beurteilen.

Im Bereich des Studierendenwerks Tübingen-Hohenheim ist die Nachfrage nach Wohnheimplätzen ebenfalls gesunken, sagt der dortige Kommunikations-Chef Philipp Mang. Der Leerstand sei von drei Prozent im Jahr 2019 auf derzeit 16 Prozent gestiegen. Das sind 985 leere Zimmer. Ein Wohnheimzimmer koste im Schnitt 275 Euro. Auf dem Privatmarkt zahlen Studierende für ein Tübinger WG-Zimmer 400 Euro.

Uni-Städte werden nicht voller

Die „i live Holding“ mit Sitz in Aalen betreibt gewerblich Wohnheime für Studierende. Apartments des Unternehmens gibt es zum Beispiel in Neu-Ulm ab 410 Euro, in Heidenheim ab 360 Euro, in Aalen ab 365 Euro und in Schwäbisch Gmünd ab 360 Euro. An einigen Orten sei die Nachfrage derzeit etwas schwächer als üblich, berichtet der Pressesprecher Richard Wörösch. Zur derzeitigen Preisentwicklung will er keine generelle Aussage machen.

Braun von Empririca erwartet, dass die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt für Studierende vor allem vorübergehend sinkt. „Nach Corona dürfte das größtenteils wieder vorbei sein“, sagt er. Allerdings könne Braun sich vorstellen, dass einige Studierende weiterhin kein Zimmer vor Ort mieten werden, wenn auch künftig mehr Vorlesungen online stattfinden. Der Empirica-Chef betont: „Es wird durch Corona nicht voller in den Uni-Städten.“ Ob sich Mia Schneider nach der Pandemie doch noch eine Wohnung in Tübingen sucht? „Das ziehe ich auf jeden Fall in Betracht“, sagt die Studentin.

Verwaiste Zimmer sind eine Folge der Pandemie: Beim Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim sind es 985. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Verwaiste Zimmer sind eine Folge der Pandemie: Beim Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim sind es 985. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Foto: GRAFIK SCHERER / QUELLE: EMPIRICA AG: *25 PROZENT DER ZIMMER SIND GÜNSTIGER, 75 PROZENT SIND TEURER,**50 PROZENT DER ZIMMER SIND TEURER, 50 PROZENT SIND GÜNSTIGER, ***25 PROZENT DER ZIMMER SIND TEURER,75 PROZENT SIND GÜNSTIGER

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Erstellt:
27.03.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 27.03.2021, 06:00 Uhr

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