Ammerbuch

Mehr Totengräber

Die Pflegekräfte der vier Uniklinika in Baden-Württemberg befinden sich in Tarifauseinandersetzungen zum Thema Entlastung. Susanne Haas beklagte in einem Leserbrief vom 11. November die Kritik der Arbeitgeber, die Beschäftigten ließen sich von der Gewerkschaft Verdi instrumentalisieren.

22.11.2017

Von Thomas Sautter-Strelczuk, Ammerbuch

Liebe Frau Haas, neben den Vorständen der Universitätsklinika gibt es bezüglich der über 20-jährigen Talfahrt von beruflicher Pflege in unserem Land wesentlich mehr Totengräber.

Beginnen wir bei der Kanzlerin, die von einem mutigen Azubi in die Enge getrieben wird; den Gesundheitsminister, ein Kaiser mit neuen Kleidern; die Staatssekretärin, die sich im eigenen Wahlkreis zu diesem Thema gerne entschuldigen lässt; den Ministerpräsidenten, der seine Investitionspflicht gegenüber Einrichtungen des Gesundheitswesens grob vernachlässigt; das Ministerium, in dem die Ergebnisse der Pflegeenquete nicht abgeholt werden; der Aufsichtsrat, der den Vorstandsmitgliedern knallharte wirtschaftliche Zielvorgaben in ihre Verträge einarbeitet; die Investoren, die aus öffentlichen Geldern respektable Renditen generieren; die Politiker/innen auf Bundes-, Landes-, Kreis- und Kommunalebene, die gerne nach Skandinavien fahren, jedoch nicht den Willen aufbringen, die nötigen Schritte zur Problemlösung hier zu gehen; die Bevölkerung, die sich gerne ausgiebig mit banalen Problemen beschäftigt und ohne eigene Betroffenheit dieses Thema hartnäckig ausblendet; die Kolleg(inn)en, die denken: „es hat doch alles keinen Wert“, sich nicht organisieren und in heller Flamme ausbrennen; mächtige Lobbygruppen, für die „gute Pflege“ für ihre ökonomischen Bestrebungen nicht zielführend sind; Gerichte, die die tägliche Verletzung von Artikel 1 der Verfassung in Einrichtungen des Gesundheitswesens nicht erkennen wollen.