Corona-Pandemie

Gegen Ansteckung mehr Abstand in der Bahn

Um die Ansteckungsgefahr in Zügen zu reduzieren, soll künftig für noch mehr Platz gesorgt werden. Dem Konzern droht ein hoher Verlust.

26.11.2020

Von DIETER KELLER

Hier ist jede Menge Platz. Foto: Uwe Zucchi/dpa

Hier ist jede Menge Platz. Foto: Uwe Zucchi/dpa

Berlin. Mehr Platz in den Zügen – dafür weniger Plätze, die reserviert werden können: Das sieht der nun getroffene Beschluss von Bund und Ländern zu weiteren Maßnahmen in der Corona-Krise bei der Deutschen Bahn (DB) vor. So soll die „Sitzplatzkapazität“ der Züge deutlich erhöht werden, um noch mehr Abstand zwischen den Reisenden zu ermöglichen. Als denkbar gilt es, mehr Züge einzusetzen. Die Reservierbarkeit der Sitzplätze soll parallel dazu beschränkt werden.

Einzelheiten soll nun die Bahn selbst festlegen. In einem früheren Entwurf der Vereinbarungen waren noch konkrete Details genannt, etwa, dass nur Fensterplätze reserviert werden können. Darauf dürfte es auch hinauslaufen. Die verschiedentlich geforderte Reservierungspflicht hatten die Bahn und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vehement abgelehnt. Sie wollen das „offene System“ mit viel Flexibilität unbedingt erhalten.

Auch der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Klaus-Dieter Hommel, hatte vor einer allgemeinen Reservierungspflicht gewarnt: „Das würde dazu führen, dass der Fernverkehr nicht mehr handlebar ist, dass die Belastung für die Beschäftigten viel größer ist als heute.“ Die DB hatte unter anderem Stammkunden ins Feld geführt, die weiter die Möglichkeit haben sollten, flexibel zu reisen. Zudem schätzten die Bahnkunden die Möglichkeit, spontan in jeden Zug einzusteigen.

Der Fahrgastverband Pro Bahn verwies darauf, dass Pendler häufig nicht wüssten, welchen Zug sie erreichten. Es bestehe deshalb die Gefahr, dass sie dann auf parallel fahrende Regionalzüge auswichen, die aber oft schon gut belegt seien.

Im endgültigen Beschluss, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach stundenlangen Beratungen vorstellte, heißt es jetzt nur noch: „Für den Bahnverkehr gilt, den Reisenden, die trotz Einschränkungen reisen müssen, ein zuverlässiges Angebot mit der Möglichkeit, viel Abstand zu halten, anzubieten.“

Für mehr Abstand dürfte sorgen, dass die DB mit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember täglich 13?000 zusätzliche Sitzplätze in neuen Zügen anbietet. Denn sie bekommt derzeit laufend weitere Exemplare des ICE4. Allerdings tut sie sich schwer, ihr Angebot etwa vor Weihnachten noch weiter zu vergrößern – dazu fehlen ihr schlicht die Züge.

Mehr Abstand ist zudem möglich, weil die Fernzüge derzeit im Schnitt nur zu 20 bis 25 Prozent ausgelastet sind. Offenbar haben sich viele die Aufforderung der Kanzlerin zu Herzen genommen, auf nicht zwingend notwendige Reisen zu verzichten.

Doch mehr Platz in den Zügen hat einen hohen Preis: Die Deutsche Bahn fährt immer tiefer in die roten Zahlen. Der bundeseigene Konzern steuere dieses Jahr auf einen Rekordverlust von 5,6 Milliarden Euro zu, zitierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ aus Unterlagen für die Sitzung des Aufsichtsrats am 9. Dezember. Für das erste Halbjahr hatte die DB ein Minus von 3,7 Milliarden Euro ausgewiesen. In ihrer mittelfristigen Finanzplanung kalkuliere sie jetzt für die nächsten fünf Jahre mit insgesamt bis zu 11 Milliarden Euro Verlust.

Um die Einbußen auszugleichen, hatte der Bund der Bahn im Juni im Rahmen des Konjunkturpakets in Aussicht gestellt, das Eigenkapital um 5 Milliarden Euro aufzustocken. Dieser Beihilfe hat allerdings die EU-Kommission noch nicht zugestimmt. Daher plant Finanzminister Olaf Scholz (SPD), diesen Posten ins nächste Jahr zu verschieben.

Das Defizit der Bahn ist allerdings nicht nur auf Corona zurückzuführen. Auf ihre Auslandstochter DB Arriva muss sie mindestens 1,4 Milliarden Euro abschreiben. Zudem verbuchte die Güterbahn DB Cargo schon im ersten Halbjahr 2020 einen Verlust von 352 Millionen Euro.

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