Jugendbuch „Knack mal Codes“

Mathelehrer Thorsten Schreibauer und seine Enigma-Maschine aus Pappe

Mathelehrer Thorsten Schreibauer aus Gomaringen erklärt in seinem Buch „Knack mal Codes“, wie man selbst die kniffligsten Geheimsprachen entschlüsseln kann.

27.12.2016

Von Susanne Mutschler

Code-Knacken ist eines der aufregendsten Anwendungsfelder der Mathematik. Der Lehrer Thorsten Schreibauer hat dem Thema ein ganzes Büchlein für Kinder und Jugendliche gewidmet.Bild: Franke

Code-Knacken ist eines der aufregendsten Anwendungsfelder der Mathematik. Der Lehrer Thorsten Schreibauer hat dem Thema ein ganzes Büchlein für Kinder und Jugendliche gewidmet.Bild: Franke

Im zweiten Weltkrieg arbeitete ein ganzes Labor britischer „Codebreaker“ fieberhaft daran, hinter das Geheimnis der deutschen Nachrichtenübermittlung zu kommen. Erst 1944 fanden sie heraus, wie raffiniert die „Enigma“-Maschinen jede militärische Botschaft verschlüsselten. In seinem eben jetzt erschienenen Buch „Knack mal Codes“ braucht der Mathematiklehrer Thorsten Schreibauer aus Gomaringen nicht viel mehr als eine Papprolle und ein paar engbedruckte Buchstabenbänder, um das komplizierte Grundprinzip von „Enigma“ nachzubauen und für Kinder anschaulich zu erklären. „Das wird erst verständlich, wenn man das selbst mal gebastelt hat“, findet der Autor.

Anleitung zum Code-Knacken

Schreibauer, der 2015 mit „Mach mal Mathe“ ein Rechenbastelbuch für kleine Knobelfreunde vorgelegt hatte, geht es in diesem Jahr um die Verschlüsselungsmethoden. Er wolle die Schüler dafür sensibilisieren, dass schon in der Antike geheime Nachrichten übermittelt wurden und dass in unserer modernen Welt ohne Codierung gar nichts mehr läuft. In seinem Schulalltag im Reutlinger Friedrich-List-Gymnasium beobachtet der Sport- und Mathe-Lehrer, wie „an jeder Ecke“ in Geheimsprachen kommuniziert wird. „Wenn die Schüler nicht wollen, verstehen wir nichts“, räumt Schreibauer ein.

Als er sich bei seinen Recherchen für „Knack mal Codes“ in die Geschichte der Kryptologie einlas, wurde ihm klar, dass diesen Werken „das Praktische fehlt“: Mathematik ist bei Thorsten Schreibauer eine Sache von Kopf und Hand. Er sitzt am Küchentisch und hat Fachliteratur, Laptop, Taschenrechner, Schere, Papier und Klebstoff in Reichweite. Fertige Ideen wandern in eine kleine Plastikwanne, und seine Töchter Chiara (12) und Lucia (9) probieren sofort aus, welche seiner Aufgaben für sie zu schaffen sind. Die beiden Mädchen seien „seine ersten und schärfsten Kritiker“, sagt er. Auch seinen Reutlinger Achtklässlern hat er schon einige seiner Rätsel vorgelegt. „Die machen das total gern“.

Herausgekommen ist ein anspruchsvolles kleines Buch „für junge Denker“. Beim flüchtigen Durchblättern der Seiten fliegen einem 42 Codes in Form von Zahlenhaufen, Buchstabenketten, geometrischen Figuren, Liniengewirren, Hieroglyphen und Puzzleteilen nur so am Auge vorbei. „Man muss sich von einem Rätsel zum nächsten hangeln“, erklärt der Autor den Aufbau seiner Aufgaben. Die Lösung eines geknackten Codes ergibt einen Hinweis darauf, auf welche Art und Weise das nachfolgende Rätsel verschlüsselt ist.

Bei dem „Atbash“ genannten Code muss man Buchstabenreihen ausschneiden und eng nebeneinander um eine Papprolle wickeln, um die Botschaft zu entziffern. Diese Verschlüsselung sei eine der ältesten überhaupt, sagt Schreibauer. Sie wurde schon im alttestamentarischen Israel verwendet. Die Nachrichtenüberbringer trugen den Pergamentstreifen im Gürtel verborgen.

Bei der „Cäsar-Scheibe“ werden kleine, beschriftete Pappteller übereinander gelegt und gegeneinander verdreht. Über diesen Geheimcode habe der römische Feldherr Anweisungen an Soldaten weitergegeben, weiß der 36-jährige Mathematiker.

Manchmal helfen nur Buntstifte

Eines seiner Rätsel funktioniert nach einer Fadenpunktiermethode, ein anderes spielt mit den Vexierbildern der Stereogramme, wie sie in den 80er Jahren modern waren. Mit einem Reißnagel bearbeiten die jungen Ermittler eine Buchseite, bis ein Hinweis in Brailleschrift fühlbar wird. Wer beim Verschieben der wolkig bedruckten Folien zu viel zittert, wird nie erfahren, wie es beim nächsten Rätsel weitergehen wird. Beim Farbencode „Hexahue“ helfen nur Buntstifte weiter. Der Biber-Code heißt so, weil die gesuchten Buchstaben systematisch zernagt sind. Für den auf Klaviertasten aufgemalten Bar-Code braucht man ein Smartphone. „Das kann auch ein geliehenes sein“, sagt Schreibauer. Über die Codetabelle der Winkermännchen aus der Seefahrt gelangen gewiefte Zahlenforscher bis zur deutschen Gebärdensprache. Die modernste und schwierigste Verschlüsselung ist der asymmetrische RSA-Algorithmus. „Bei dem brauchen Sender und Empfänger kein gemeinsames Entschlüsselungsprinzip mehr zu kennen“, sagt Schreibauer. Aber auch um dieses Rätsel zu lösen, sei in seinem Buch keine höhere Mathematik nötig.

Die Symbole am unteren Seitenrand zeigen den jungen Codeknackern, welche Hilfsmittel und Methoden sie einsetzen dürfen. WWW. bedeutet Recherche im Internet, ein aufgemaltes Gehirn ist ein Hinweis darauf, dass möglicherweise Unterstützung durch fortgeschrittene Denker nötig sein kann. „Knack mal Codes“ ist ein „interaktives Buch“, so will es der Autor. Die jungen Ratefüchse dürfen ruhig auch mal ihre Eltern fragen.

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Erstellt:
27.12.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 03sec
zuletzt aktualisiert: 27.12.2016, 01:00 Uhr

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