Tübingen · ÖPNV

Mast für Mast aus der Luft für die Ammertalbahn

An den beiden zweigleisigen Abschnitten der Ammertalbahn wurden am Dienstag mit dem Helikopter gut 30 Signalmasten aufgestellt.

17.05.2022

Von Volker Rekittke

Der Helikopter über Entringen. Leserbild: Janosch Haas

Der Helikopter über Entringen. Leserbild: Janosch Haas

Der Lärm der Rotorblätter ist ohrenbetäubend. Vielleicht fünf Minuten steht der Hubschrauber über dem Betonsockel, auf dem fünf Bahn-Arbeiter den Signalmast in Position bringen und mit vier großen Metallmuttern fest montieren. Dann fliegt der Helikopter wieder los Richtung Bahnübergang „Unter Mühle“ in Unterjesingen. Dort liegen die Signalmasten in Reih und Glied und warten darauf, vom Hubschrauber aufgenommen zu werden.

„Mit dem Hubschrauber geht das sehr viel schneller“, sagt Eisenbahnbetriebsleiter Thomas Heim. Mit einem Arbeitszug hätte das Setzen der insgesamt 37 Signalmasten der Ammertalbahn bei Unterjesingen, Entringen und Altingen bestimmt eine Woche gedauert, so Heim. Auf dem Luftweg wurden über 30 Masten an nur einem Tag, dem gestrigen Dienstag, entlang der Strecke verteilt. Der letzte steht vor Gültstein.

Die Signale werden vor allem an den beiden neuen zweigleisigen Abschnitten der Ammertalbahn aufgestellt und sind essentiell für die Sicherheit auf der Strecke, erklärt Heim. Selbst wenn ein Zugführer versehentlich auf ein Gleis fahren würde, auf dem bereits ein Zug steht, würden die Masten ein magnetisches Signal aussenden, mit dem die Lok sofort „zwangsgebremst“ wird.

Wann werden die Signalanlagen in Betrieb gehen? Das dürfte noch einige Monate dauern, so Heim: „Wir bauen jetzt alle Außenanlagen auf, aber die Technik im Innern fehlt noch.“ Wie berichtet, hat die Firma BBR Verkehrstechnik aus Braunschweig Lieferschwierigkeiten. Wegen Problemen bei der Produktion und fragilen Lieferketten in Folge der Corona-Pandemie sowie des Ukrainekrieges fehlen weltweit Halbleiter und Mikrochips. Heim hofft dennoch: „Wir wollen spätestens zum Fahrplanwechsel im Dezember in Betrieb gehen.“

Die 37 Signalmasten seien eine Erweiterung des elektronischen Stellwerks der Ammertalbahn, das erst 2015 aufgebaut wurde, ergänzt Sarah Wüstenhöfer, Geschäftsführerin des Zweckverbands Ammertalbahn. Allerdings werden auch nach dem Fahrplanwechsel im Dezember noch Arbeiten notwendig sein, so Wüstenhöfer – und das nicht nur beim Schallschutz (siehe Info-Box). Etliche Teile, wie lärmmindernde Schienenstegdämpfer, müssen erst noch ausgeschrieben und bestellt werden. Auch hier gilt angesichts der derzeit überall spürbaren Lieferschwierigkeiten der Vorbehalt: Der Zweckverband könne nur bauen, wenn das Material auch geliefert werde.

Besser werden soll es auf jeden Fall für die Anwohner entlang der Bahnstrecke, verspricht Wüstenhöfer. Schon die elektrisch betriebenen Züge („ET 440“) seien „wesentlich leiser“ als die bisherigen Dieselloks, die neben Abgasen besonders beim Anfahren gehörig Lärm an die Umwelt abgeben.

Ammertalbahn: Signalmasten per Hubschrauber eingeflogen
kostenplfichtiger Inhalt
© ST 01:20 min
Etwa 30 Signalmasten wurden am Dienstag, 17. Mai 2022, per Hubschrauber entlang der Schienentrasse im Ammertal verteilt. Was bei stürmischem Wind gar nicht so einfach war. TAGBLATT-Volontärin Carolin Albers war in Unterjesingen dabei.
Sie wollen kostenpflichtige Inhalte nutzen.

Wählen Sie eines
unserer Angebote.


Nutzen Sie Ihr
bestehendes Abonnement.



Benötigen Sie Hilfe? Haben Sie Fragen zu Ihrem Abonnement oder wollen Sie uns Ihre Anregungen mitteilen? Kontaktieren Sie uns!

E-Mail an vertrieb@tagblatt.de oder
Telefon +49 7071 934-222
Nochmals überarbeitet wurde auch das ursprüngliche Gutachten zur elektromagnetischen Verträglichkeit entlang der schon bald elektrifizierten Bahnstrecke. Über elektromagnetische Strahlung war zuletzt 2021 bei der Diskussion um die Tübinger Innenstadtstrecke der Regionalstadtbahn geredet worden. An manchen Stellen wurden bereits (oder werden noch) zusätzliche, mit den Schienen verbundene Rückleiter installiert, so Wüstenhöfer: „Überall dort, wo’s notwendig ist.“ Das sind entweder unterirdische Kupferschienen oder zusätzliche oberirdische Drähte. „Die Grenzwerte werden überall eingehalten.“

Ebenfalls zum Fahrplanwechsel im Dezember sollen auch die ersten Elektrozüge des Typs ET 440 auf den Schienen der Ammertalbahn sowie der Ermstalbahn – mithin auf dem Modul1 der Regionalstadtbahn – fahren. Dann soll die komplette Strecke zwischen Herrenberg und Bad Urach elektrifiziert sein. Noch sind die Elektrozüge rot, sie werden aber vor dem Einsatz schwarz-gelb umlackiert, die baden-württembergischen Landesfarben. Allerdings würden „in der Übergangszeit“, also noch bis ins Frühjahr 2023 hinein, neben den neuen Elektrozügen weiterhin Dieselloks auf der Ammertalbahn unterwegs sein, so Wüstenhöfer.

Doch dann werde alles besser, verspricht die Zweckverbands-Geschäftsführerin. So sollen künftig genügend Reservezüge und -fahrzeuge eingeplant werden. Fällt ein Zug etwa wegen technischer Probleme aus, könne gleich ein Ersatz zum Einsatz kommen. Und mit der DB Regio („die gleichen Leute, ein anderer Vertrag“) seien diesmal auch spürbare Strafzahlungen vereinbart worden, wenn vertragliche Leistungen nicht eingehalten werden, wenn Züge ausfallen oder zu wenig Waggons eingesetzt werden. Das war bisher nicht der Fall. Wüstenhöfer: „Am Ende funktioniert es nur übers Geld.“

Apropos Geld: Ohne das Schienenverkehrskonzept 2025 aus Stuttgart samt deutlich stärkerem finanziellen Engagement wäre die Ausweitung der Taktzeiten der Ammertalbahn nicht möglich gewesen: ein Plus von rund 30 Prozent auf nun fast 700000 Zugkilometer pro Jahr.

Auch am Bahnhof in Altingen wurden am Dienstag per Hubschrauber Signalmasten für die Ammertalbahn gesetzt. Bild: Anne Faden

Auch am Bahnhof in Altingen wurden am Dienstag per Hubschrauber Signalmasten für die Ammertalbahn gesetzt. Bild: Anne Faden

Besserer Schallschutz

Die 76 Zentimeter hohen Lärmschutzwände, die in Unterjesingen an einer Stelle zwischen den Stationen „Sandäcker“ und „Mitte“ bereits zu sehen sind, werden erst ab Jahresende errichtet. Ebenso die mit 38 Zentimeter niedrigeren Lärmschutzwände entlang der Ammertalbahn, die laut einem neuen Gutachten nun auch bis zur Tankstelle in Richtung Pfäffingen notwendig sind. Hinzu kommen lärmmindernde Schienenstegdämpfer gegen Bahnschwingungen, so Zweckverbands-Geschäftsführerin Sarah Wüstenhöfer. Hintergrund sind die dank Landesförderung ausgeweiteten Takte der Ammertalbahn, die künftig in der Hauptverkehrszeit viertelstündlich, sonst halbstündlich verkehrt. Durch das gestiegene Verkehrsaufkommen wurde das neue Schallgutachten notwendig wie auch ein Planänderungsverfahren, das gerade eingereicht wurde. Bis zum Frühjahr 2023 sollen die Lärmschutzarbeiten entlang der bebauten Strecke abgeschlossen werden – auch in der Tübinger Weststadt, in Pfäffingen, Altingen und Entringen.

Zum Artikel

Erstellt:
17.05.2022, 17:26 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 17.05.2022, 17:26 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.
Uwe Lutz 17.05.202220:27 Uhr

Die Aussage von Frau Wüstenhöfer, dass die elektrisch betriebenen Züge leiser sind, trifft lediglich auf die Streckenabschnitte zu, auf denen die Züge langsamer als ca. 30km/h fahren. Über dieser Geschwindigkeit dominiert das Rollgeräusch der Räder auf den Schienen. Dies sagt auch das Lärmgutachten der Betreiber aus. Eine Grafik findet man unter „Gesamtwirtschaftliche Bewertung der Elektrifizierung von Dieselstrecken in Baden-Württemberg 141016" auf Seite 58 des PDF's. Aufgrund des höheren Gewichts der Elektrozüge sind diese in der Fahrt lauter. Aus diesem Grund forderte die Unterjesinger Bürgerinitative an den ortsnahen Schienen ein maximales Tempo von 30km/h. Gleich wie auf den ortsdurchführenden Straßen. Jeder kennt die Verkehrszeichen mit Tempo 30 und dem Zusatz "Lärmschutz". Dies muss auch für die Anrainer der Schienen gelten.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!