Justiz

Prozess: Massaker für den Bürgerkrieg geplant

In Stammheim stehen von Dienstag an zwölf mutmaßliche Rechtsterroristen vor Gericht. Die Gruppe S. soll Anschläge geplant haben.

09.04.2021

Von ALFRED WIEDEMANN

Februar 2020, nach den Durchsuchungen: Polizeibeamte bringen einen der Festgenommenen zum Haftrichter am Bundesgerichtshof. Foto: Uli Deck/dpa

Februar 2020, nach den Durchsuchungen: Polizeibeamte bringen einen der Festgenommenen zum Haftrichter am Bundesgerichtshof. Foto: Uli Deck/dpa

Stuttgart. Kommenden Dienstag soll in Stuttgart-Stammheim der Prozess gegen elf mutmaßliche Mitglieder und einen Unterstützer der mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppe S. beginnen. Ziemlich genau 14 Monate nach dem Zerschlagen der Truppe, die laut Anklage mit Anschlägen auf Betende in Moscheen und Politiker bürgerkriegsähnliche Szenen provozieren wollte.

Am 14. Februar 2020 hatte die Polizei zugeschlagen, koordiniert von Bundesanwaltschaft und Landeskriminalamt in Stuttgart. 53 Objekte in sechs Bundesländern wurden durchsucht, 13 Verdächtige festgenommen, Männer im Alter zwischen 31 und 60 Jahren. Die Polizei hatte einen V-Mann in der Gruppe, dem die Pläne vermutlich zu heiß geworden sind. Seit Herbst 2019 waren die Aktivitäten überwacht worden.

Bunte Mischung von Gruppen

Nach dem, was bisher bekannt geworden ist, mischen sich in der Gruppe S. einige Rechtsaußen-Milieus: Bürgerwehren, Bruderschaften, Reichsbürger, Prepper, Germanen-Mystiker. Hochgefährlich, so die Ermittler. Und hochgerüstet mit Pistolen vor allem aus russischer Produktion: Fast 30 erlaubnispflichtige Waffen wurden bei den Durchsuchungen beschlagnahmt, bestätigte das Stuttgarter Landeskriminalamt.

Als Rädelsführer sind Werner S. aus Mickhausen bei Augsburg und Tony E. aus Uelzen in Niedersachsen angeklagt. S., 54, Spitzname Teutonico, gilt als Kopf. E. soll Verbindungen zu einem rechtsextremen „Freikorps“ gehabt haben. Verhandelt wird in Stuttgart und nicht in einem der anderen Bundesländer, aus denen elf Angeklagte kommen, wegen der Bezüge nach Baden-Württemberg: Das Gründungstreffen war bei Alfdorf im Rems-Murr-Kreis.

Beim Treffen im September 2019 soll der Waffenfan Schießübungen gemacht haben. Es folgten Telefonate, Chats und weitere Treffen, überwacht von der Polizei. Beim Treffen in Minden in Nordrhein-Westfalen im Februar 2020 soll es um das Beschaffen von Waffen gegangen sein, für Mordanschläge auf Moscheen in zehn Bundesländern, die zum Bürgerkrieg führen sollten. Anschlagspläne gegen Politiker wie Robert Habeck von den Grünen soll es auch gegeben haben.

Keine Woche nach Minden rückte die Polizei zu Durchsuchungen an. War der Kontakt zum Spitzel abgerissen? Wurden Anschlagspläne konkret? Dazu gibt es keine Auskunft. Kurz vor der Festnahme soll Werner S. versucht haben, ein Sturmgewehr und eine Maschinenpistole für einen Schlag gegen die Politiker im Berliner Reichstag zu beschaffen. Und in der Untersuchungshaft in Augsburg soll er ein Mafia-Mitglied nach einem Killer für den Hauptbelastungszeugen, den Polizeispitzel, gefragt haben. Dazu laufen noch Ermittlungen.

Frank H. und Marcel W., angeklagt als Mitglieder der Gruppe, werden mit „Wodans Erben Germanien“ in Verbindung gebracht, einer „Bürgerwehr“ in Bayern. Steffen B. und Stefan K. aus Sachsen-Anhalt, sollen zur Bürgerwehr „Vikings Security Germania“ gehört haben. Michael B. aus Kirchheim soll zu dem Teil der Prepper-Szene zählen, der sich mit Essen und Waffen für den „Tag X“ vorbereitet. Auch angeklagt: Markus K. und Thomas N. aus Nordrhein-Westfalen. N. ein Anhänger der Reichsbürger, für die die Bundesrepublik illegal ist.

Unterstützer bei der Polizei?

Als Unterstützer ist Thorsten W. angeklagt, Ex-Polizeiangestellter aus NRW. Er soll Geld zugesagt haben. Ein weiterer Beschuldigter ist in der U-Haft gestorben.

Nicht in Haft ist Paul-Ludwig U. Mit „Teutonico“ über eine rechtsextreme Chatgruppe in Kontakt gekommen, gehörte er zum harten Kern. Als ihm S. zu radikal wurde, soll er sich der Polizei als V-Mann angeboten haben.

Eine schillernde Figur. Nach Medienberichten noch keine 50, hat er schon 20 Jahre im Gefängnis, der Psychiatrie und im Maßregelvollzug hinter sich. Nach der Entlassung im Jahr 2017 zog er nach Süddeutschland.

Im Prozess dürfte U. als Kronzeuge auftreten. Wie der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts seine Aussagen einschätzt, bleibt abzuwarten.

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Erstellt:
09.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 46sec
zuletzt aktualisiert: 09.04.2021, 06:00 Uhr

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