Einmal in der Woche verkauft das Rottenburger Gefängnis Bio-Ware

Manche fahren weit dafür

Am Verkaufsstand vor dem Rottenburger Gefängnis bilden sich jeden Freitagnachmittag Kundenschlangen. Zu haben ist selbstangebautes, saisonal wechselndes Bioland-Gemüse aus der Region.

23.08.2016

Von Andreas Straub

Bioland-Produkte der Gefängnis-Landwirtschaft: Student Markus Schaaf (rechts) kauft sechs Kilo so genannter Safttomaten (leicht überreif, dafür billiger) bei Georg Schulze-Schilddorf (links). Bild: Straub

Bioland-Produkte der Gefängnis-Landwirtschaft: Student Markus Schaaf (rechts) kauft sechs Kilo so genannter Safttomaten (leicht überreif, dafür billiger) bei Georg Schulze-Schilddorf (links). Bild: Straub

Rottenburg. Der 25-jährige Wassermanagement-Student Markus Schaaf gehört zu den regelmäßigen Kunden. Seit zwei oder drei Jahren deckt der 25-jährige Veganer aus Aichtal fast seinen gesamten Lebensmittelbedarf über den Verkaufsstand vorm Gefängnis. „Bei Bioland sind die Standards höher als bei gewöhnlichem Bio“, erklärte Schaaf, der sich viel mit Lebensmitteln beschäftigt und bewusst regional einkauft. Die Produkte seien schadstofffrei und schmeckten gut.

Entdeckt hat er das Angebot der Justizvollzugsanstalt, die so ihre von Häftlingen angebauten Produkte vermarktet, auf dem Rottenburger Markt. Dort ist der Stand jeden zweiten Samstag aufgebaut. „Teilweise ist es günstiger als im Supermarkt, manchmal kann man richtige Schnäppchen machen“, so Schaaf. Am vergangenen Freitag waren es leicht überreife Tomaten, so genannte Safttomaten. Die wurden für 1,50 Euro pro Kilogramm verkauft. „Die schneide ich klein und friere sie ein“, sagte Schaaf und kaufte sechs Kilo. Dazu nahm er eine Zucchini, roten Paprika, Salat und Möhren.

„Wir achten bei der Sortenwahl vor allem auf den Geschmack, weniger aufs Aussehen“, berichtete Georg Schulze-Schilddorf, Leiter der JVA-Landwirtschaft. Er steht regelmäßig mit zwei Gefangenen selbst am Stand und verkauft. Beispiel Tomaten: In Supermärkten wird die Sorte „Berner Rose“, die sehr saftig ist und viel Geschmack hat, nicht verkauft. Die Haut dieser Sorte ist sehr dünn, bekommt schnell Risse. Deshalb gilt sie als nicht transportfähig. Am JVA-Stand gibt es sie. Auch Gurken, Zwiebeln, Linsen und Getreide wie Dinkel und Roggen aus der Region hat‘s dort. Besonders mögen die Kunden derzeit Buchweizen (wir berichteten über den Anbau). „Damit lassen sich wunderbare Crêpes machen“, so Schulze-Schilddorf.

Der Verkauf direkt vor dem Gefängnistor an der Berliner Straße ist wenig zentral. „Die Leute müssen schon her wollen“, sagte Schulze-Schilddorf. „Die meisten sind Stammkunden.“ Sie kommen hauptsächlich aus Rottenburg, einige aus Tübingen, Reutlingen und sogar aus dem Schwarzwald.

Angebaut werden die Lebensmittel im Umland von Rottenburg. Acht bis sechzehn Gefangene sind in der Landwirtschaft regelmäßig im Einsatz. Normalerweise haben sie kürzere Haftstrafen zu verbüßen oder sind kurz vor der Entlassung. So ist die Landwirtschaft eine Art Übergang ins Leben danach. Die Staatsdomäne Maßhalderbuch auf der Schwäbischen Alb, die Schulze-Schilddorf betreibt, ist eine Außenstelle der JVA Rottenburg. Dort gibt es Milchvieh, Mastgeflügel und Ochsenmast, Geflügel auf Vorbestellung. Bei Rindfleisch, das es auch nur auf Nachfrage gibt, ist die Mindestabnahme fünfzehn Kilo.

Den ganzen Nachmittag über kamen Kunden zum Rottenburger Stand. Eine Frau brachte leere Eierkartons mit und ließ sie füllen. Sie kaufte Karotten dazu. An den Apfelsaft erinnerte sie ihre Tochter. Bei einer sehr krummen Vespergurke war sich Schulze-Schilddorf nicht sicher: „Darf sie so aussehen?“ Die Frau nickte – Hauptsache, sie schmeckt. Ein Salat, eine Aubergine, Kartoffeln, Fenchel, Bohnen und Peperoni wanderten mit in den Korb.

Ein Kunde wollte Stroh für seine Hasen. Die Knast-Landwirtschaft kann das liefern, allerdings mit einer Woche Vorlauf für die Bestellung. Das Bargeld reichte nicht ganz für den Einkauf. Den Rest darf der Mann nächste Woche bringen. Vorm Gefängnis zählt Vertrauen.