Schule

Luftfilter-Debatte: Kretschmann kündigt Eile an

Das Land will die Förder-Modalitäten für kommunale Beschaffungen von Luftfiltern schnell vorlegen. Doch noch ist vieles unklar – und es werden Zweifel an einer Studie zum Thema laut.

21.07.2021

Von HAB

Nach den Sommerferien sollen die Schulen mit mobilen Luftfiltern ausgestattet sein. Foto: Arne Dedert

Nach den Sommerferien sollen die Schulen mit mobilen Luftfiltern ausgestattet sein. Foto: Arne Dedert

Im Zuge der Debatte um die Ausrüstung von Schulen mit mobilen Luftreinigungsgeräten hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eine zügige Umsetzung angekündigt. „Das wird jetzt endverhandelt, sodass ich hoffe, dass das auch in Gang kommt“, sagte er über ein angekündigtes Förderprogramm der Landesregierung für Kommunen. Er nehme an, „dass wir das vor der Sommerpause in trockene Tücher bekommen“.

An den Schulen im Südwesten beginnen kommende Woche die Sommerferien, die bis Mitte September dauern. Angesichts auf niedrigem Niveau steigender Corona-Inzidenzen blicken viele am Schulleben Beteiligte mit Sorge auf den Herbst. Da die meisten Schüler voraussichtlich nicht geimpft werden, fordern Eltern-, Schüler- und Lehrerverbände sowie Oppositionspolitiker eine flächendeckende Ausstattung von Unterrichtsräumen mit mobilen Raumluftfiltern.

Viele fürchten die Kosten

Viele Städte, Kommunen und Landkreise, die als Schulträger zuständig sind, fürchten die Kosten der Anschaffung. Zudem zweifeln sie angesichts verschiedener Studien an der flächendeckenden Notwendigkeit und einer effizienten Wirkung der Geräte. Kretschmann hatte kürzlich angekündigt, ein neues Förderprogramm für Schulträger aufzulegen. Auch der Bund kündigte ein Förderprogramm an.

Details zu Ausschreibungs- oder Beschaffungsrichtlinien beider Programme liegen noch nicht vor. „Wir kennen die Modalitäten nicht“, sagte Kretschmann über das Bundesprogramm. „Wenn wir darauf warten, vergehen wahrscheinlich Monate, deswegen starten wir unser Programm unabhängig davon.“

Im Landes-Programm werde es „schlanke technische Vorgaben“ geben, sagte er. Landes-Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) kündigte an, Kommunen bei der Auswahl mit einer Liste zu helfen. „Wir sind gerade dabei, im Rahmen unserer Kompetenzen der Marktüberwachung so eine Liste zu erstellen“, sagte sie. Die Geräte müssten gewisse Kriterien erfüllen, etwa zu der Luftreinigungsqualität oder dem Geräuschpegel.

Der Schalldruck, den die Geräte erzeugen, gilt Kritikern als stärkstes Gegenargument. Wissenschaftler der Universität Stuttgart, die im Auftrag der Landeshauptstadt eine Studie zum Thema erstellt haben, warnten vor Grenzwerte-überschreitendem Lärm sowie einem „Luftzug, der stark darüber hinausgeht, was Menschen als ,behaglich' empfinden“, wie der verantwortliche Professor Konstantinos Stergiaropoulos im Interview mit dieser Zeitung sagte. Daher, und weil Lüften über Fenster ähnlich gut die Aerosolbelastung reduziere, riet er von einer flächendeckenden Ausstattung ab; zumal Luftfilter weder CO2 noch Luftfeuchtigkeit abtransportierten.

Eltern- und Lehrervertreter ziehen die Schlussfolgerungen der Studie inzwischen in Zweifel. Aus den Ergebnissen der Experimente ließen sich die Empfehlungen nicht ableiten, kritisierte der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Michael Mittelstaedt. Die Studie ergebe eindeutig, dass mobile Luftfilter das Infektionsrisiko stärker mindern als das Lüften über Fenster. Zudem äußerten sich laut einer in der Studie enthaltenen Umfrage unter Nutzern diese tolerant über die Geräusch- und Zugluftbelästigung. „Es erweckt schon den Eindruck, dass der Auftraggeber ganz klar gesagt hat, was er rausbekommen möchte“, sagte Mittelstaedt über die Studie. „Betrug ist ein hartes Wort, aber es geht schon in die Richtung“, befand er.

Ähnlich kritisch äußerte sich der Landesvorsitzende des Philologenverbands, Ralf Scholl. Die Diskrepanzen zwischen den Ergebnissen von Experimenten wie Befragungen und den Empfehlungen der Studien-Autoren empfinde er als frappierend. „Das geht nicht, das ist unredlich“, sagte Scholl.

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Erstellt:
21.07.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 32sec
zuletzt aktualisiert: 21.07.2021, 06:00 Uhr

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