Eine schön verrätselte Liebeserklärung an das Leben zwischen Wirklichkeit und Einbildung.

Lucia und der Sex

Eine schön verrätselte Liebeserklärung an das Leben zwischen Wirklichkeit und Einbildung.

24.11.2015

Von che

Lucia und der Sex

Wenn es stimmt, dass Sex sells, müsste dieser Film des Spaniers Julio Medem („Die Liebenden des Polarkreises?) der Blockbuster der Saison werden. Er hat einen pikanten Titel, ein Plakat mit einer aufreizend erotischen und halb entblößten Hauptdarstellerin (Paz Vega) und jede Menge expliziter „Stellen?, die man im Hollywood-Kino bestimmt nicht zu sehen kriegt.

Es beginnt in einer Madrider Kneipe. Da spricht die lebensfrohe Kellnerin Lucia einfach so den Schriftsteller Lorenzo an und gesteht ihm ihre Liebe. Wenig später wälzen sich die beiden leidenschaftlich in den Laken, und das mit einer Ausdauer, dass man sich beinahe in einem Softporno wähnt, wo ein imaginärer Oswalt Kolle von der Glück spendenden Kraft gewisser erotischer Praktiken kündet. Feiern da die 68er mit ihrer sexuellen Revolution eine unverhoffte Wiederauferstehung?

Ja und nein. Einerseits stilisiert der Regisseur ausgelebte Sexualität mit entwaffnender Naivität tatsächlich zu einem potenziellen Reich der Freiheit. Andererseits ist dieses Lebenselixier nach einer halben Filmstunde gründlich aufgebraucht. Lorenzo plagt nun ein weit in die Vergangenheit reichendes Schuldgefühl, dessen literarische Aufbereitung ihn dicht an den Wahnsinn führt und die Beziehung zu Lucia zu zerstören droht. Wie aus dem Nichts tauchen weitere Figuren auf, die ein Plätzchen in einem immer undurchdringlicher scheinenden Beziehungsgestrüpp beanspruchen. Aller Wege kreuzen sich auf einer paradiesischen Mittelmeer-Insel, wo der befürchtete melodramatische Showdown jedoch ausbleibt. Mit der Zauberkraft, die einem Regisseur von Format zusteht, lässt Medem den zuvor massiv aufgetürmten Konfliktstoff einfach wieder im Zylinder verschwinden.

Man tut gut daran, den Film weniger als ernsthaftes Melodrama denn als bizarres Märchen zu lesen. Merkwürdige Zufälle treiben die Handlung voran, in der sich Erinnerung und Einbildung, Wunsch- und Alptraum zunehmend verknäueln, was Medem durch surreale, manchmal fast hypnotisierende Bilder nach Kräften unterstreicht.

Wer da beharrlich nach erzählerischer Logik fahndet, wer sich nicht einfach mit den Figuren und ihren Hirngespinsten treiben lässt, wird den Film vermutlich ein bisschen befremdlich finden.

Und der Sex? Der ist, lernen wir, erst nach dem Stahlbad der Traurigkeit wirklich was wert.