Die deutsche Nationalelf trifft bei der EM 2016 wohl erst im Viertelfinale auf einen Stolperstein

Lockerer Aufgalopp

Fast alle DFB-Offiziellen waren nach der Auslosung der Vorrundengruppen für die EM 2016 erleichtert, nicht gegen Italien spielen zu müssen. Nur der Bundestrainer brennt auf die schnelle Revanche.

14.12.2015

Von SID

Die ehemaligen Spitzenspieler Ruud Gullit (links) und Bixente Lizarazu (rechts) präsentierten das EM-Maskottchen Super Victor. Foto: Actionpress

Die ehemaligen Spitzenspieler Ruud Gullit (links) und Bixente Lizarazu (rechts) präsentierten das EM-Maskottchen Super Victor. Foto: Actionpress

Paris. Um Joachim Löw herum herrschte die pure Freude. Oliver Bierhoff verspürte ein großes Glücksgefühl, Reinhard Rauball riesige Erleichterung - nur Löw ärgerte sich fast schon ein wenig. "Ich war zweimal dabei, als wir wichtige Spiele gegen Italien verloren haben. Irgendwann will ich wieder gegen sie spielen, und dann will ich sie schlagen", sagte der Bundestrainer und fand es deshalb schade, in der Gruppenphase der EM 2016 nicht auf Deutschlands Angstgegner zu treffen. "Wir gehen mit dem Selbstbewusstsein des Weltmeisters in dieses Turnier", so betonte Löw, der als Assistent von Jürgen Klinsmann beim der WM 2006 (0:2 nach Verlängerung) und sechs Jahre später als Chef bei der EM (1:2) jeweils im Halbfinale an Italien scheiterte: "Wer Europameister werden will, muss früher oder später sowieso jeden schlagen."

Doch David Trezeguet, Frankreichs Golden Goal-Schütze bei der EM 2000, fischte die Ukraine statt der Squadra Azzurra als ersten Gruppengegner für den 12. Juni in Lille aus dem Lostopf. Und so wurde aus einer potenziellen Hammergruppe für den Weltmeister mit Quali-Gegner Polen um Bayerns Stürmerstar Robert Lewandowski und EM-Debütant Nordirland ein Glückslos. Nominell ist die Vorrundengruppe gegen die Nummern 29, 30 und 34 der Fifa-Weltrangliste sogar die leichteste von allen - ein lockerer Aufgalopp. Im Achtelfinale würde Deutschland als Gruppensieger auf einen Tabellendritten treffen. So geht das Turnier damit wohl erst im Viertelfinale richtig los - gegen den Weltranglistenersten Belgien oder dann eben Italien.

Um künstliche Aufwertung der Gegner bemühte sich bei allem Respekt auch niemand aus der deutschen Delegation. "Es ist für uns eine machbare Gruppe", sagte Löw. Wir sind der Favorit. Diese Rolle nehmen wir an, das ist unser Anspruch." Teammanager Bierhoff hatte sogar schon während der Auslosung gesagt: "Wir haben sicher Glück gehabt." Später erklärte er: "Wir gehen in jedes Turnier und wollen es gewinnen. Wir müssen uns gegenüber der Qualifikation um 100 Prozent steigern. Aber wenn wir es richtig vorbereiten, gehören wir zu den Favoriten."

Bierhoff, der seinen Wunschgegner Nordirland bekam ("Da habe ich mal den schnellsten Hattrick geschossen") freute sich vor allem darüber, dass die Italiener vermieden wurden. Auch der kommissarische DFB-Präsident Reinhard Rauball erklärte: "Wenn man bis zum Schluss zittern musste, dass Italien statt der Ukraine zu uns kommt, dann muss man zufrieden sein." DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock ergänzte: "Alle haben darauf geschielt, wohin Italien geht. Natürlich geht man den Italienern lieber aus dem Weg." Während Löw in dieser Hinsicht ausscherte, waren sich alle in der DFB-Delegation darüber einig, wer der schwerste Gegner ist.

"Wenn ich trotz aller politischen Korrektheit antworten muss, dann sicher die Polen", äußerte Rauball schmunzelnd. Auch Löw erinnerte sich daran, "dass sie in der Qualifikation zweimal hervorragend gegen uns gespielt haben". Die Partie in Warschau gewannen die Polen sogar mit 2:0. Eine besondere Note hat diese Partie am 16. Juni auch dadurch, dass die DFB-Spieler dabei frühzeitig nach Saint-Denis zurückkehren. Jenen Ort, an dem sie im November unter anderem durch zwei lautstarke Explosionen im Umfeld des Stadions Zeuge der Terroranschläge wurden.

Platinis Platz bleibt leer

Ohne Präsident Michel Platini sorgte für ein Novum: Erstmals war ein Uefa-Präsident nicht bei einer Gruppenauslosung zu einer Fußball-Europameisterschaft zugegen. Der 60-Jährige, seit 2007 Chef des europäischen Kontinentalverbands, wurde wegen einer dubiosen Zahlung, die ihm sein Intimfeind, der ebenfalls vorläufig suspendierte Fifa-Boss Joseph Blatter, anweisen ließ, gesperrt. Bizarr. Es war Platini, der 1984 mit neun Toren in fünf Spielen Frankreich zur ersten Europameisterschaft schoss. Es war Platini, der die Europameisterschaft – seinerzeit acht Endrunden-Teilnehmer – auf 24 erweitern ließ und sein Vaterland dazu brachte, die Organisation dieser Aufgabe zu stemmen. Andreas Bantel, Sprecher der Fifa-Ethik-Kommission, interessieren sportliche Verdienste nicht. Er hat verlautbart: „Der Vorwurf der Korruption ist sehr begründet. Und wenn die rechtsprechende Kammer das anders sieht, gibt es immer noch die Vorwürfe des Verstoßes gegen das Strafrecht. Interessenkonflikt, Urkundenfälschung, Untreue.“ Die Untersuchungsrichterin Vanessa Allard hat offenbar bereits eine lebenslange Sperre beantragt, im besten Fall droht Platini zumindest für fünf Jahr gesperrt zu werden. sid

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Erstellt:
14.12.2015, 08:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 07sec
zuletzt aktualisiert: 14.12.2015, 08:30 Uhr

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