Coronavirus in Tübingen

Coronavirus: Der Live-Blog vom 29. Februar und 1. März 2020

Am Mittwoch gab es in Tübingen die ersten beiden Corona-Fälle: Eine 24-Jährige und ihr 60-jähriger Vater sind infiziert. Am Donnerstag kam der 29-jährige Partner der Frau nach einem positiven Test ebenfalls ins Tübinger Uniklinikum. Wie bereits am Donnerstag und Freitag berichten wir auch über das Wochenende über neue Entwicklungen in Tübingen und Baden-Württemberg.

29.02.2020

Von itz

Das Tübinger Uniklinikum gehört zu den renommiertesten Adressen in Deutschland. Bild: Moritz Hagemann

Das Tübinger Uniklinikum gehört zu den renommiertesten Adressen in Deutschland. Bild: Moritz Hagemann

Sonntag, 1. März

22.06 Uhr: Gibt es im Kreis Reutlingen einen Verdachtsfall oder nicht? Wie unsere Kollegen von der Südwest Presse berichten, handelt es sich um einen Mann, der in der Albklinik Münsingen vorstellig geworden ist. Er muss nach den Richtlinien des Robert-Koch-Institus nicht als begründeter Verdachtsfall gesehen werden. Zur Sicherheit wurde der Mann dennoch getestet, das Ergebnis wird am Montag erwartet.

20.40 Uhr: Die Tübinger Zweitliga-Basketballer haben am Abend mit 80:94 gegen die Niners Chemnitz verloren. Nach dem Spiel machten sich die Tigers zu ihrer üblichen Ehrenrunde auf – statt des Abklatschens gab’s aber nur Applaus. Eine Vorsichtsmaßnahme aufgrund des neuartigen Virus. Dabei hatte ein Vater in der Halle gerade eine Horde Kinder nach vorne geschickt, die sichtlich enttäuscht von dannen schlichen. Auch insgesamt blieb die Horn-Halle mit offiziell 1750 Zuschauern recht leer.

20.13 Uhr: Der 41-Jährige, der am Nachmittag im Raum Freiburg als 16. Infizierter in Baden-Württemberg gemeldet wurde (siehe 17.58 Uhr), ist bislang im Land ein Sonderfall. Anders als bei den meisten Infizierten ist sein Infektionsweg nicht bekannt – man weiß also nicht, wo er sich angesteckt hat. Das soll sich ändern: „Wir arbeiten mit Hochdruck daran“, wird Freiburgs OB Martin Horn in einer Pressemitteilung der Stadt zitiert. „Es besteht weiterhin kein Grund zur Panik.“ In Freiburg sind inzwischen sechs Fälle bestätigt (vier im Stadtgebiet, zwei im Landkreis), dennoch gebe es aktuell keinerlei Einschränkungen für den Kita-, Schul- und Verwaltungsbetrieb.

19.05 Uhr: Das Tübinger Landratsamt als Arbeitgeber wird heute Abend oder am Montagmorgen alle Mitarbeiter in einer Rundmail informieren. Landrat Joachim Walter sagte, dass Personen, die in einem Risikogebiet gewesen sind, zur Sicherheit in drei Gruppen unterschieden würden. Wer Symptome zeige und Kontakt zu Infizierten hatte, solle daheim bleiben und einen Arzt anrufen. Wer sich gesund fühle, aber Kontakt hatte, soll ebenfalls daheim bleiben und sich beim Gesundheitsamt melden. Wer gesund ist und ohne Kontakt in einer Krisenregion war, soll eine interne Nummer anrufen, bevor er zur Arbeit kommt. Wenn alle Mitarbeiter zuhause blieben, würde es Engpässe geben. Auch beim Gesundheitsamt, erklärte Walter. Damit wäre niemandem geholfen. (sg)

18.33 Uhr: Im „Übrigens“ (Montagsausgabe) kommentiert TAGBLATT-Chefredakteur Gernot Stegert den Umgang mit dem Coronavirus. Er schreibt unter anderem: „Nicht nur die Einschätzung dessen, was Panik ist, hat sich in den vergangenen Tagen gewandelt. Was kürzlich noch vernünftig schien, ist rückblickend abwiegelnd. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn lehnte Kontrollen von Einreisenden aus Krisengebieten ab. Nun sagt er, Deutschland stehe am Anfang einer Epidemie. Viele Experten fanden Tests zu aufwändig, jetzt fordern etliche, genau diese umfassend durchzuführen. Erst hieß es, nur Ältere seien betroffen, mittlerweile sind 40-Jährige gestorben. Der fernsehbekannte Berliner Virologe Christian Drosten beruhigt und erklärt zwei Sätze später: „Es wird schlimm werden.“ Was sollen die Menschen da denken – und tun? Das Virus schleicht sich ins Vertrauen und schwächt dieses. Die Wissenschaftler wissen schlichtweg noch zu wenig. Für Forscher schnell, für die Ausbreitung der Krankheit zu langsam sammeln sie Erkenntnisse.“

17.58 Uhr: Die Zahl der Infizierten in Baden-Württemberg steigt auf 16. Wie das Sozialministerium mitteilt, hat sich ein 41-Jähriger aus dem Raum Freiburg angesteckt. Die Symptome bekam er am vergangenen Mittwoch. Innerhalb der Inkubationszeit sei zwischen 21. und 23. Februar noch eine Reise des Mannes nach Basels erfolgt, so das Stuttgarter Ministerium. Er wird stationär in einem Krankenhaus behandelt.

16.32 Uhr: „Wir müssen uns bewusst sein, dass weitere Krankheitsfälle auftreten werden“, sagte Innenminister Thomas Strobl am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Er rief erneut dazu auf, die Hinweise des Robert Koch-Instituts zu Veranstaltungen ernst zu nehmen und die Empfehlungen zur Hygiene zu beachten. „Das ganze Land ist gefordert“, sagte der Minister. „Jeder Einzelne kann und muss mithelfen.“ Strobl bedankte sich zudem bei Vereinen, Kirchen, der Industrie und den Betrieben für deren Schritte, um das Risiko von Ansteckungen zu verringern. „Das macht mich verhalten zuversichtlich“, sagte der Innenminister. (dpa)

15.37 Uhr: Rund um Tübingen und in Baden-Württemberg ist aktuell in Sachen Coronavirus – zum Glück – nicht viel los. Seit es gestern den 15. Fall im Bundesland gab, wurden keine weiteren Fälle an diesem Sonntag vom Stuttgarter Ministerium gemeldet. Auch im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen, dem Epizentrum des Virus in Deutschland, ist für fast 700 Menschen heute die Zeit in Quarantäne zu Ende gegangen und sie können wieder am öffentlichen Leben teilnehmen.

12.17 Uhr: Nach Einschätzung des baden-württembergischen Sozialministers Manne Lucha (Grüne) müssen Großveranstaltungen wie zum Beispiel Bundesligaspiele trotz des Coronavirus nicht grundsätzlich untersagt werden. Es sei zwar vernünftig gewesen, die weltgrößte Reisemesse, die ITB in Berlin, abzusagen, weil wegen der globalisierten Zielgruppe keine echte Steuerung mehr möglich gewesen sei. „Aber Stand heute braucht man Bundesligaspiele nicht absagen, auch wenn das die Veranstalter entscheiden“, sagte Lucha der Deutschen Presse-Agentur. Abhängig sei eine Absage davon, „ob Risikopersonen oder -zielgruppen stärker angezogen werden“. (dpa)

11.28 Uhr: Wie bereits berichtet (siehe Samstag, 14.41 Uhr) läuft in Tübingen bis 8. März die Ausstellung „Für die Familie“ (FDF). „Es waren auch schon mal mehr Leute zur Eröffnung da“, sagte Tübingens Bürgermeisterin Daniela Harsch während ihrer Eröffnungsrede am Samstag. Das Thema Coronavirus wirkt sich auf die Messe aus. „Wir waren in ständigem Kontakt mit dem Gesundheitsamt“, so der Messeorganisator Michael Bartmann. Und vor allem hätten sie sich an den Vorschlägen des Amtes orientiert. So werden die Türgriffe an den Hallen und oder den Toiletten regelmäßig mit Tüchern und Desinfektionsmitteln gereinigt. Dasselbe gilt für die Hygiene auf den Toiletten. „Durch ständiges Reinigen kann man präventiv agieren“, so der Veranstalter. Auf Anraten des Amtes gibt es Aushänge am Eingang zum Gelände, die Menschen, die aus Corona-Krisengebieten kommen, den Zugang zur Messe versagen. Außerdem sollen keine Besucher eingelassen werden, die bereits mit einer noch nicht klaren Erkältung oder Infektion zu kämpfen haben. Die Besucher selbst scheinen eher entspannt zu sein. „Ich halte nichts von der Hysterie mit Sondersendungen auf allen Kanälen“, sagte beispielsweise Sven Jünger (38) aus Tübingen, „man muss vorsichtig sein, klar, aber man darf nicht aufhören zu leben.“ (bkn)

11.17 Uhr: Deutschlandweit ist die Zahl der erkrankten Personen erstmals auf über 100 angestiegen. Am stärksten betroffen ist nach wie vor der Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen. Dort wurden bereits über 60 offizielle Covid-19-Fälle gemeldet. In Baden-Württemberg steht die Zahl der Corona-Patienten aktuell bei 15 – wobei es im Kreis Freiburg nach Medienberichten einige Kontaktpersonen mit Symptomen geben soll. Dort hatten sich Angestellte der Firma Thermo-Fisher infiziert und sich auf Fasnetsveranstaltungen aufgehalten. Virusfrei sind noch das Saarland sowie die ostdeutschen Bundesländer.

10.04 Uhr: Um die Corona-Verdachtsfälle im Landkreis Böblingen getrennt von anderen Patienten untersuchen zu können, werde ein ambulantes Testzentrum in der Straßenmeisterei Herrenberg eingerichtet. Das teilt das Landratsamt mit. In der Horber Straße in Herrenberg werden gebündelt Abstriche genommen und im Labor ausgewertet. Nach derzeitigem Stand werde das Zentrum ab Montagabend einsatzbereit sein. „Wir wollen mit diesem speziell eingerichteten Standort den Gang vieler Verdachtsfälle in die Notfallpraxen und Notaufnahmen der Kliniken vermeiden“, wird Landrat Roland Bernhard zitiert. „Der Standort ist eine Liegenschaft des Landkreises, auf die wir unkompliziert und schnell zugreifen konnten.“ Personen sollen nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern – wenn möglich – mit dem eigenen Fahrzeug anreisen.

9.21 Uhr: In Zusammenhang mit dem Virus und den betroffenen Personen wird oft von Kontaktpersonen der Kategorie 1 und 2 gesprochen. Im Falle des infizierten Tübinger Oberarztes waren es etwa 16 Personen der Kategorie 1 und 49 Menschen der Kategorie 2. Was bedeutet das eigentlich? Das zuständige Robert-Koch-Institut sieht folgende Kriterien:

Kategorie 1 („höheres“ Infektionsrisiko): Dazu gehört etwa der 15-minütige Face-to-face-Kontakt (z.B. durch ein Gespräch), Küssen, Anhusten, Anniesen, Kontakt zu Erbrochenem, Mund-zu-Mund-Beatmung, das Trinken aus demselben Glas oder das Herantreten (näher als zwei Meter) von medizinischem Personal zu bestätigten Covid-19-Fällen ohne Schutzausrüstung. Unabhängig von der Flugdauer wird man eine Person der Kategorie 1, wenn man in derselben Reihe oder in den zwei Reihen vor oder hinter einem bestätigten Fall gesessen ist.

Kategorie 2 („geringeres“ Infektionsrisiko): Dazu zählt der gemeinsame Aufenthalt mit einem bestätigten Covid-19-Fall in einem Raum, aber ohne 15-minütigen Face-to-face-Kontakt. Selbiges gilt für Familienmitglieder ohne diesen 15-Minuten-Kontakt. Medizinisches Personal, das einem Fall ohne Schutzkleidung nicht näher als zwei Meter kam, fällt ebenfalls in diese Kategorie.

8.25 Uhr: Das Online-Portal eBay-Kleinanzeigen geht in Sachen Coronavirus einen drastischen Schritt. Wie Pressesprecher Pierre Du Bois mitteilte, werden Angebote in Zusammenhang mit Covid-19 umgehend gelöscht. Das betreffe auch bereits Desinfektionsmittel, ergänzte er in einem weiteren Tweet.

7.55 Uhr: Guten Morgen zusammen! In Tübingen werden aufgrund des Virus erste Veranstaltungen abgesagt. Am 4. März sollte es das Event „Hier bin ich Maschine, hier darf ich‘s sein“ im Cyber Valley geben. Als Referenten waren Dan Jeffries, einer der versiertesten KI-Experten aus dem Silicon Valley und Jan Berger, CEO von 2bAhead, vorgesehen. Allerdings müsse die Veranstaltung „aufgrund des Corona-Beschlusses vom Max-Planck-Institut“ abgesagt werden, wie die Agentur Storymaker der Presse mitteilt.

Samstag, 29. Februar

21.27 Uhr: Zur Stunde läuft das Spiel der Volleyball-Bundesliga zwischen dem TV Rottenburg und dem VfB Friedrichshafen in Tübingen. 1600 Zuschauer sind gekommen. Weitaus weniger, als es bei diesem Derby sein sollten. Viele Menschen riefen vor der Partie bei der Geschäftsstelle des TVR an und fragten, ob die Karten auch noch getauscht beziehungsweise storniert werden können. Auch in der Halle gab es Durchsagen, dass die freibleibenden Plätze dem Virus geschuldet seien. Ergänzung: Das Spiel verlor der TVR gegen die Häfler mit 1:3.

Das Mehl im Rottenburger Edeka-Markt war gefragt wie selten zuvor. Bild: Angelika Bachmann

Das Mehl im Rottenburger Edeka-Markt war gefragt wie selten zuvor. Bild: Angelika Bachmann

21.08 Uhr: Der Blog geht für heute dem Ende zu. Selbiges dachte man übrigens im ein oder anderen Supermarkt an diesem Samstag. Im Rottenburger Edeka (Bild oben) war das Mehl schon früh am Mittag ausverkauft. Eine Kassierin sagte, seit Samstagmorgen um 8 Uhr sei die Hölle losgewesen: „So war das nicht mal an Weihnachten.“ Auch Kartoffeln, Nudeln und ähnliche Produkte waren äußerst gefragt. Das Coronavirus macht Hamsterkäufe möglich. (an)

19.46 Uhr: Am heutigen Abend sendete das ZDF Szenen aus dem Tübinger Uniklinikum. Hier gibt’s den Beitrag:

19.23 Uhr: In Baden-Württemberg gibt es den 15. Corona-Fall. Das Gesundheitsamt Freiburg meldete, dass es sich dabei um eine 42-jährige weibliche Kontaktperson zu einem bereits bestätigten Fall aus Freiburg handelt. Sie befindet sich seit dem 27. Februar in häuslicher Isolation im Landkreis Emmendingen.

18.53 Uhr: Die Hetze im Netz gegen den 29-Jährigen, der am Tübinger Uniklinikum isoliert ist, nimmt der Vorsitzende der CDU Herrenberg als Parteifreund des Erkrankten als Anlass zu einer Pressemitteilung. „Was aber gar nicht geht, ist die Hetze, die momentan teilweise im Netz stattfindet, auch durch Mitglieder anderer Parteien“, so Swen Menzel. Unter anderem waren auf Facebook Kommentare aufgetaucht. Etwa: „Das geschieht den Leuten von der Politik mal recht“ oder „da bekommt #NieMehrCDU eine ganz neue Bedeutung“. Swen Menzel mahnt an, dass „parteipolitische Auseinandersetzungen nicht zu Lasten des persönlichen Schicksals einzelner Personen missbraucht werden dürfen.“ Für ihn ist klar: „Ein respektvoller und menschlicher Umgang miteinander sollte selbstverständlich sein.“

16.29 Uhr: Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) gibt sich zuversichtlich, die Lage im Südwesten zu kontrollieren. „Wir haben nach wie vor keinen kursierenden Erreger“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Denn wir haben einen Überblick über die meisten Kontaktketten und reden nach wie vor von einzelnen Fällen oder von Clustern.“ Ein Dutzend der bisherigen 14 Fälle konnte eingegrenzt werden, bei zwei weiteren werde die Infektionskette abgeklärt. „Das ist der Unterschied zum Beispiel zu den nordrhein-westfälischen Fällen. In Baden-Württemberg haben wir außerdem relativ moderate Verläufe“, sagte Lucha. (dpa)

15.31 Uhr: Den insgesamt 14 mit dem Coronavirus infizierten Patienten in Baden-Württemberg geht es nach Angaben des Landessozialministeriums weiter vergleichsweise gut. Ihr Gesundheitszustand sei stabil, teilte das Ministerium am Samstag in Stuttgart mit. In Baden-Württemberg waren am Freitagabend noch zwei weitere Coronavirus-Fälle bekanntgeworden (wir berichteten im Live-Blog), darunter ein Bekannter eines 25-Jährigen aus dem Kreis Göppingen, dessen Fall als erster registriert worden war. (dpa)

14.41 Uhr: Auf dem Festplatz beim Tübinger Freibad wurde am heutigen Mittag die Familienausstellung FDF eröffnet. Im Vorjahr waren 71.000 Besucherinnen und Besucher gekommen. Zumindest zur Eröffnung kamen nun bereits weitaus weniger Menschen als in den vergangenen Jahren. Eine Absage der Veranstaltung aufgrund des neuartigen Coronavirus war keine Option, das betonten Veranstalter Michael Bartmann sowie Oberbürgermeister Boris Palmer unisono. Es ist eine größtenteils regionale Messe ohne Aussteller aus den Risikogebieten. Wer sich absichern möchte, woher die Aussteller kommen, findet hier eine entsprechende Liste. Zudem wurden spezielle Desinfektionsvorkehrungen getroffen – wie auch das Bild oben beweist. Die Messe dauert bis Sonntag, 8. März, an.

Wie gefragt Desinfektionsmittel inzwischen sind, wissen auch die Veranstalter der FDF in Tübingen. Die Flasche wurde kurzerhand festgebunden. Bild: Uli Rippmann

Wie gefragt Desinfektionsmittel inzwischen sind, wissen auch die Veranstalter der FDF in Tübingen. Die Flasche wurde kurzerhand festgebunden. Bild: Uli Rippmann

14.01 Uhr: Das Tübinger Landratsamt, unter dessen Obhut sich das hiesige Gesundheitsamt befindet, hat inzwischen auf die Kritik der „Neuen Westfälischen“ reagiert (siehe 9.55 Uhr und 11.50 Uhr). „Wir halten die Anschuldigungen der Neuen Westfälischen, die aus der Ferne gemacht wurden, für substanzlos“, teilt Sprecherin Martina Guizetti auf TAGBLATT-Nachfrage mit. „Sie tragen lediglich zur Verunsicherung der Bevölkerung bei. Solche reißerischen Formulierungen dienen höchstens dazu, Panik zu verbreiten.“ Das helfe niemandem.

Konkret ging es etwa darum, ob sich Kontaktpersonen (Kategorie 2, leichter Kontakt) des infizierten Tübinger Oberarztes in Quarantäne befinden. Die „NW“ hatte das bestritten. Guizetti sagt: „Wir haben bei denjenigen, die in der Patientenversorgung tätig sind, eine Risikoeinschätzung und Abwägung hinsichtlich des sicherzustellenden Klinikbetriebs vorgenommen. Diejenigen Mitarbeiter mit direktem Patientenkontakt wurden nach Hause geschickt.“ Die Mitarbeiter der Pathologie und ohne Patientenkontakt „dürfen zur Arbeit gehen, um den Klinikbetrieb aufrecht zu erhalten“. Eine freiwillige häusliche Absonderung entspreche den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (RKI). Die Personen seien symptomfrei und wissen, sie müssten sich sofort melden, sobald Erkältungssymptome auftreten. Das Tübinger Vorgehen sei auch mit dem Landesgesundheitsamt (LGA) abgestimmt.

Weiter wird in besagtem Artikel kritisiert, dass Familienmitglieder der Kontaktpersonen nicht abgesondert worden seien. Alle Kontaktpersonen der Kategorie 1 (enger Kontakt) befinden sich in häuslicher Quarantäne. „Sie wurden darüber aufgeklärt, dass gemäß der RKI-Richtlinien nach Möglichkeit eine räumliche und zeitliche Trennung zuhause hergestellt werden soll“, so Guizetti. „Grundsätzlich bestehen für die Familienmitglieder auch nach Rücksprache mit dem LGA keine Einschränkungen.“ Diese Familienmitglieder von Kontaktpersonen seien selbst keine Kontaktpersonen.

Abschließend betont Guizetti, dass das Amt seiner Arbeit verantwortungsbewusst und in engem Kontakt mit Klinik und Behörden nachgehe: „Die Klinik hat sofort gehandelt und die Kontaktpersonen nach Hause geschickt. Anschließend wurden die Kontaktpersonen dort ermittelt und die Daten an uns weitergegeben.“ Das Amt habe dann unmittelbar alle Kontaktpersonen Kategorie 1 und die in der Patientenversorgung tätigen Personen Kategorie 2 angerufen – mit den Hinweisen, sich für 14 Tage zu isolieren und auch gemäß der Hinweise des RKI räumlichen und zeitlichen Abstand zur Familie herzustellen.

12.52 Uhr: Der infizierte Tübinger Oberarzt hat sich in einem Interview gegenüber dem „Spiegel“ zu Wort gemeldet – er ist erst der zweite Corona-Patient, der über die Krankheit spricht. „Ich spüre nichts, habe meine volle Leibeskraft und staune über die Dinge, die da in der Außenwelt so vor sich gehen. Man riecht das Coronavirus nicht, man sieht es nicht, man schmeckt es nicht. Es ist einfach da. Ich selbst hätte es nicht bemerkt“, sagte er. „Als meine Tochter aus Mailand zurückgekommen ist, habe ich sie natürlich umarmt, weil ich mich gefreut habe. Dann haben wir noch gemeinsam Abend gegessen und am nächsten Morgen habe ich mich von ihr verabschiedet. Das hat gereicht.“

Der Eingangsbereich der Medizinischen Klinik in Tübingen. Auf der Infektionsstation werden die drei Tübinger Fälle in Räumen mit Unterdruck überwacht. Bild: Moritz Hagemann

Der Eingangsbereich der Medizinischen Klinik in Tübingen. Auf der Infektionsstation werden die drei Tübinger Fälle in Räumen mit Unterdruck überwacht. Bild: Moritz Hagemann

12.41 Uhr: Das ZDF berichtet am heutigen Samstag im Rahmen des „Länderspiegels“ zum Thema: „Coronavirus auf dem Vormarsch – Wie gut ist Deutschland vorbereitet?“ Dafür war das Kamerateam auch am Tübinger Uniklinikum. Die Sendung beginnt um 17.05 Uhr.

11.50 Uhr: Nach der Kritik der „Neuen Westfälischen“ an den Quarantäne-Maßnahmen des Tübinger Uniklinikums (siehe 9.55 Uhr), verweist UKT-Sprecherin Bianca Hermle an das Landratsamt: „Wir sind für die Kontakte (Kategorie 1 und 2) von mit dem Coronavirus infizierten Personen nicht zuständig. Das obliegt den Gesundheitsämtern.“

11.18 Uhr: In den 1990er Jahren prägte Fußballtrainer Peter Zeidler den SV 03 Tübingen und führte den Verein in die Verbandsliga. Nun führt der 57-Jährige mit dem FC St. Gallen überraschend die höchste Spielklasse der Schweiz an – doch das Coronavirus beeinträchtigt das Geschehen, der Spieltag an diesem Wochenende wurde verschoben. „Wir haben jetzt demnächst zwei Heimspiele, und falls dem wirklich so sein sollte, dass die unter Ausschluss der Zuschauer stattfinden müssten, dann wäre das für unseren Verein brutal“, sagte Zeidler der dpa. Der jedoch auch scherzte: „Wenn man jetzt die Meisterschaft beenden würde, dann hätten wir nichts dagegen. Denn dann wären wir jetzt Meister.“ (dpa)

10.55 Uhr: Flugreisende aus den Infektionsgebieten müssen künftig Aussteigekarten ausfüllen und Informationen über ihren Aufenthaltsort angeben. Das teilte das Bundesgesundheitsministerium mit. Es betrifft nun nicht mehr nur Flugreisende aus China, sondern auch aus Italien, Japan, Südkorea und dem Iran. Reisende sollen außerdem künftig nicht nur in Flugzeugen und Flughäfen, sondern auch in Zügen und Bussen Informationen darüber erhalten, wie sie die Atemwegserkrankung erkennen und wie sie sich davor schützen können. Der Krisenstab plane im weiteren Verlauf, medizinische Schutzausrüstung wie Atemschutz, Handschuhe und dergleichen zu beschaffen. Dafür sollen Produktionskapazitäten in Deutschland erhöht werden und die Ressourcen der europäischen Partner gebündelt werden. Außerdem gibt es eine Handlungsempfehlung für Großveranstaltungen.

10.38 Uhr: Nachdem zunächst 26 von 27 Kontaktpersonen des 29-jährigen Steinenbronners ermittelt waren, der am Donnerstagabend als dritter Corona-Infizierter nach Tübingen kam, befinden sich nun „alle Kontaktpersonen in häuslicher Isolation“, versichert Michael Moroff in einer Mitteilung. Der 38-jährige Moroff ist Kreisvorsitzender der CDU Böblingen, für die sich der Infizierte ebenfalls engagiert. Der Steinenbronner ist der Partner der 24-jährigen Infizierten, die am Sonntag aus Mailand zurückkam. Im Anschluss daran hatte der 29-Jährige noch Kontakt mit einigen Parteikollegen, die nun von der häuslichen Quarantäne betroffen sind. „Aus Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitgliedern und als reine Vorsichtsmaßnahme werden aber alle geplanten öffentlichen Veranstaltungen der CDU in den nächsten drei Wochen verschoben“, so Moroff weiter. Unter anderem betrifft das die CDU-Veranstaltungen am 2. und 3. März in Herrenberg.

Das Tübinger Uniklinikum gehört zu den renommiertesten Adressen in Deutschland. Bild: Moritz Hagemann

Das Tübinger Uniklinikum gehört zu den renommiertesten Adressen in Deutschland. Bild: Moritz Hagemann

9.55 Uhr: Die „Neue Westfälische“ titelt: „Fragwürdige Quarantäne-Maßnahmen am Uniklinikum Tübingen“. Darin wird unter anderem ein namentlich nicht genannter Hygiene-Experte zitiert. Im Artikel heißt es weiter, „dass die Quarantäne-Auflagen lediglich für jene gelten, die direkten Kontakt zu den Erkrankten hatten, so genannte Kontaktpersonen der Kategorie I“. Das Klinikum teilte dem TAGBLATT am gestrigen Freitag eine andere Information mit. Demnach bleiben auch die Kontaktpersonen Kategorie 2, die im Klinikum mit Patienten arbeiten, für 14 Tage in häuslicher Quarantäne. Weiter prangert das Blatt an, Familienangehörige der Kontaktpersonen könnten sich weiter in der Öffentlichkeit bewegen. Jedoch wird dabei der Fakt unterschlagen, dass inzwischen alle 65 Kontaktpersonen negativ getestet worden sind (16 der Kategorie 1, 49 der Kategorie 2). Die „NW“ schreibt lediglich von „den bislang getesteten Mitarbeitern und Kontaktpersonen“. Das TAGBLATT hat das Uniklinikum um eine Stellungnahme zur Berichterstattung gebeten.

9.31 Uhr: Am kommenden Mittwoch spielen die Volleyball-Frauen des MTV Stuttgart im Champions-League-Viertelfinale zuhause gegen Imoco Conegliano. Die Gegnerinnen kommen aus Norditalien, Conegliano liegt nördlich von Venedig – also etwas außerhalb des Risikogebietes. Aktuell könne das Spiel „unter besonderen Hygienebedingungen“ in der Scharrena stattfinden. Dazu zählen die üblichen Vorsichtsmaßnahmen. „Zudem werden die beiden Mannschaften nach dem Match das Spielfeld zügig verlassen, das obligatorische Abklatschen mit den Fans entfällt, den Hallenbesuchern wird kein Zutritt zu Spielfeld, Interviewzone oder den Katakomben gewährt. Der Einsatz von Security-Personal wird erhöht“, schreibt der MTV am Samstagmorgen in einer Pressemitteilung. Fans aus Italien wurde dringend empfohlen, nicht anzureisen. Bereits sicher ist, dass das Rückspiel am 10. März in Italien ohne Zuschauer ausgetragen wird.

8.59 Uhr: Wer den Samstag zum Einkaufen und Shoppen nutzen möchte, muss sich übrigens nicht davor fürchten, dass das Virus beim Bezahlen übertragen werden könnte. „Es gibt keinerlei Belege dafür, dass das Coronavirus durch Banknoten oder Münzen übertragen wurde“, zitiert die FAZ die Deutsche Bundesbank. Demnach gebe es regelmäßige Untersuchungen, ob die Verbreitung von Banknoten Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben könnte. Beim Coronavirus ist dies offenbar nicht der Fall. Dennoch gilt beim Kontakt mit Bargeld – insbesondere Münzen – dasselbe wie auch mit anderen Gegenständen des öffentlichen Lebens: Hände waschen hilft!

8.12 Uhr: Guten Morgen! Wir starten den Tag mit einem Blick nach Rottenburg. Dort gibt es derzeit glücklicherweise noch keinen Corona-Erkrankten. Den Rottenburger Hausarzt Karl Friedrich Baur erreichte TAGBLATT-Redakteurin Angelika Bachmann am Handy – in Berlin. Ob er sich davor scheue, in der U-Bahn zu fahren? Ach was, sagte Baur. „Man soll achtsam sein, es aber nicht übertreiben.“ Wichtig sei, die grundlegenden Hygieneregeln zu beachten: mehrmals täglich gründlich Hände waschen, Abstand halten, wenn jemand hustet oder schnäutzt. „Mehr kann man nicht machen“, sagte Baur. Noch am Vortag in der Praxis hat er übrigens die Erfahrung gemacht, dass die Leute selbst ganz vernünftig mit dem Thema umgingen und nicht sehr ängstlich waren.

Informationen zum Coronavirus

Illustration des Coronavirus (2019-nCoV) des Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Die Fortsätze auf der Oberfläche des Virus erinnern an eine Corona. Bild: Bild: Wikimedia - CDC/ Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAM [Public domain]

Illustration des Coronavirus (2019-nCoV) des Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Die Fortsätze auf der Oberfläche des Virus erinnern an eine Corona. Bild: Bild: Wikimedia - CDC/ Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAM [Public domain]

Das derzeit grassierende neuartige Coronavirus gehört zur Familie der Coronaviridae, deren Vertreter bei Wirbeltieren verschiedene Erkrankungen hervorrufen. Manche Coronaviren können Artenbarrieren überwinden und mehrere Wirtspezies infizieren.

Beim Menschen sind momentan sieben Coronavirusspezies als Erreger von leichten Erkältungskrankheiten bis hin zu schweren akuten Atemwegssyndromen bekannt (Stand Februar 2020). Neben dem sich aktuell weltweit ausbreitenden Sars-Cov-2 ist auch der Erreger der Sars-Pandemie 2002/2003 Sars-Cov sowie der 2012 aufgetretene Erreger Mers-Cov von Bedeutung.

Sars steht für Severe Acute Respiratory Syndrome (Schweres Akutes Atemwegssyndrom), Mers bedeutet Middle East Respiratory Syndrome (Atemwegssyndrom des Mittleren Ostens).

Der Begriff Corona bezieht sich auf das Erscheinungsbild dieser Viren: Die Fortsätze auf der Virenhülle sehen unter dem Elektronenmikroskop wie ein Strahlenkranz aus, der einer Sonnenkorona ähnelt. Corona kommt aus dem Spanischen und bedeutet Krone.

Die durch das Sars-CoV-2 (Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2) ausgelöste Erkrankung der Atemwege wurde Covid-19 genannt (Coronavirus-Disease-2019, deutsch: Coronavirus-Krankheit-2019).

Antworten auf häufig gestellte Fragen zum neuartigen Coronavirus Sars-Cov-2 gibt es von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Fachliche Informationen zu der neuen Atemwegserkrankung Covid-19 (verursacht durch das Coronavirus Sars-Cov-2) stellt das Robert-Koch-Institut zur Verfügung.

Das Tübinger Landratsamt hat unter der Telefonnummer 07071/207-3600 eine Hotline eingerichtet (täglich, auch am Wochenende, 8 bis 18 Uhr).

Zum Dossier: Alle Corona Live-Blogs

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Erstellt:
29.02.2020, 08:02 Uhr
Lesedauer: ca. 12min 35sec
zuletzt aktualisiert: 29.02.2020, 08:02 Uhr

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