Ausstellung

Licht, Geruch und viele Klänge

Der Sound ist unter dem Motto „Tune“ in diesem und im nächsten Jahr ein Schwerpunkt im Programm des Münchner Hauses der Kunst. Geplant ist eine Serie von musikalischen Performances.

29.07.2021

Von KNA

München. Moderne E-Autos fahren bekanntlich geräuschlos. Damit die Fahrer nicht ihr Zeitgefühl verlieren, entwickeln Mediendesigner und Klangkünstler für solche Fahrzeuge eigene Klangfolgen. An Geräuschen orientiert sich der Mensch nun einmal im Alltag. Sie sind für ihn essenziell. Das Münchner Haus der Kunst widmet sich deshalb ausgiebig dem Sound. Unter dem Motto „Tune“ soll es in diesem und im kommenden Jahr in den Ausstellungen um Geräusche, Klänge und Orientierung gehen, wie der neue Direktor Andrea Lissoni ankündigte.

Frischen Wind beziehungsweise Geruch erzeugt die multisensorische Installation von Lamin Fofana, die bis März nächsten Jahres den Terrassensaal des Gebäudes durchdringt. Weitere Performances sollen die Besucherinnen und Besucher im ganzen Haus zu „kollektiver Erfahrung und einzigartigen Hörerlebnissen“ verführen. Weil das englische Wort „Tune“ eine breite Palette von akustischen Formen der Wahrnehmung wie Melodien, Lieder, Stimmungen, Weisen und Songs beinhaltet, könnte das durchaus ein spannender Parcours werden. Einem historisch belasteten Museumskoloss, der einst nur einer gewissen deutschen Kunst dienen sollte, könnte man auf diese Weise vielleicht in neuer Leichtigkeit begegnen.

Die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler – dazu gehören neben Fofana auch Nkisi, Kelman Duran, Chuquimamani-Condori & Joshua Chuquimia Crampton, William Basinski, Abdullah Miniawy, Beatrice Dillon und JJJJJerome Ellis – reflektieren die heutige akustische Lärm- und Klangflut. Laute Töne, Krach und uneindeutige Hörszenarien können dabei durchaus auch für Verwirrung und Desorientiertheit sorgen. Klänge und einzelne Töne changieren zwischen Physis und Ätherischem, sie kommen traditionell und zudem neu codiert daher. Die einzelnen Aktionen sollen durch kurzzeitige Installationen ergänzt werden.

Klang sei die Ausdrucksform, die am leichtesten aus ihrem Zusammenhang zu befreien sei, sagen die Kuratoren. Er kann sich frei durch und zwischen Kulturen bewegen; dabei wird er ständig neu codiert und oft als Mittel zur Ausbeutung verwendet. Wer sich vom Klang berühren lasse, dem offenbare er jedoch seine ganze Fülle.

Die akustische Arbeit „A call to disorder“ von Fofana ist in dieser Hinsicht ein besonderes Erlebnis. Lichterspiel, Geruch und atmosphärische Töne verwandeln den sonst so nüchternen Terrassensaal des Hauses. Der Künstler und Produzent für elektronische Musik geht auf Abstand zur lauten Realität. Es beschäftigen ihn Fragen der Bewegung, Migration, der Entfremdung und der Zugehörigkeit. „Ich möchte die Unterscheidung zwischen Reflexion und Aktion zum Kollabieren bringen. Die Welt fällt auseinander. Wer bezieht dazu Stellung, und wer verhält sich passiv?“, erklärt Fofana.

Echo alter Erzählungen

Der gebürtige Westafrikaner wuchs in Sierra Leone und Guinea auf. 1997 kam er als Teenager in die USA, zog 2016 nach Deutschland und lebt mittlerweile in Berlin. Mit seinen elektronischen Klangkompositionen möchte Fofana imaginäre Traumwelten eröffnen, die wie ein Echo alter Erzählungen „unserer Vorfahren nachklingen“. In der Elegie „Here lies universality“ bedenkt er die Übermacht westlicher Musiktheorie und zugleich die Klangwelt als Raum für Begegnung.

Bekannt wurde der Künstler sowohl im Bereich der elektronischen Musik als auch in der bildenden Kunst. Seine jüngste musikalische Arbeit erschien 2020 auf drei Alben als Trilogie; sie betrachtet historische und epistemologische Verläufe zeitgenössischen gesellschaftlichen und politischen Denkens durch die Linse der Black Studies. Fofanas Kunst ist gefragt. In diesem Jahr beauftragte ihn die Biennale von Liverpool mit einer Arbeit. Auch auf der Biennale von Venedig und bei der documenta in Kassel war seine Kunst in der Vergangenheit erlebbar. Elisabeth Noske