TAGBLATT-Gutenachtgeschichte

Lesereihe in Nehren: Zwischen Himmel und Höhle

Beim Vorleseabend in Nehren ging es um eine frech formulierte Neufassung der Bibel und ein Zwergenmeeting in einer Hobbit-Höhle.

11.08.2022

Von Susanne Mutschler

Gutenachtgeschichte auf dem Nehrener Viehmarkt: Sören Frommer liest aus „Der kleine Hobbit“. Bild: Uli Rippmann

Gutenachtgeschichte auf dem Nehrener Viehmarkt: Sören Frommer liest aus „Der kleine Hobbit“. Bild: Uli Rippmann

Ein warmer Wind weht am Mittwochabend durch die hohen Linden, die den lauschigen Platz beschatten, auf dem in Nehren früher der Viehmarkt abgehalten wurde. Rund 80 Interessierte haben sich auf den Stühlen und den Steinquadern niedergelassen, die wie in einem kleinen Amphitheater in Stufen angelegt sind. Das achtköpfige Ensemble der „Steinlach Stompers“ steht bereit und bringt das Publikum mit bekannten Swing-, Jazz- und Dixie-Titeln in erwartungsvolle Stimmung.

TAGBLATT-Mitarbeiter und radelnder Steinlachbote Jürgen Jonas, der den ledernen Lesesessel seit 2003 allsommerlich moderierend begleitet, ist auf seiner Tour durch das Steinlachtal in seinem natürlichen Lebensraum angekommen. Seit vielen Jahren ist Nehren seine Heimat. Entsprechend hymnisch lobt er die Vorzüge des malerischen Dorfes. Dass nicht alle Leute aus dem Landkreis in Nehren wohnen wollen, erstaune ihn.

Seine Kindheit sei von den Büchern des Schriftstellers J. R. R. Tolkien geprägt gewesen, erzählt Vorleser Sören Frommer. Bevor der Mittelalterarchäologe sein Publikum mitnimmt in die behagliche, „very british“ eingerichtete Höhle von Bilbo Beutlin, zieht er nach Hobbit-Art die Schuhe aus. Bekanntlich gehen auch die kleinen klugen Fabelwesen auf haarigen Barfüßen durchs Leben.

Bilbo, der sich nichts mehr wünscht als ein Dasein mit möglichst vielen Mahlzeiten am Tag, bekommt Besuch vom Zauberer Gandalf und von einer Horde verfressener Zwerge, die seine Speisekammer plündern. Es ist offensichtlich, dass sich ein großes Abenteuer anbahnt. Frommer verwies dazu auf den Roman-Zyklus „Herr der Ringe“, warnte aber vor der Filmversion.

Mit der Buchauswahl von Sybil Harding, die ebenfalls Archäologin ist, geht es munter zwischen Himmel und Erde hin und her. Ihrem temperamentvollen Vortrag aus dem 2002 erschienenen Roman „Die Bibel nach Biff“ von Christopher Moore ist anzuhören, dass sie viel und „unheimlich gerne vorliest“. Biff, der eigentlich Levi bar Alphäus heißt, wird in himmlischem Auftrag für die Jetztzeit materialisiert.

Er soll seine Erinnerungen an seinen Kinder- und Jugendfreund Joshua, genannt Jesus, aufschreiben. In ziemlich schnodderiger Sprache arbeitet sich der Autor durch das Evangelium. Er lässt Biff erzählen, wie er mit Joshua im Rollenspiel die Geschichte von Moses und dem Pharao nachstellt und wie der zukünftige Messias Eidechsen tötet, um sie danach wieder zum Leben zu erwecken. „Den Trick hatte er schon als Sechsjähriger drauf.“ Erst im Rückblick sei ihm klargeworden, „dass Joshua für das übte, was aus ihm werden sollte“, so sieht es Biff.

Ob die Zuhörerschaft viel gerade von dieser Bibelversion hält, verliert sich dann gnädig im Rhythmus der Stücke „Old Kentucky Home“ und „Petite Fleur“, mit denen die Steinlach Stompers in die Gegenwart des lauen Sommerabends zurückführen. Versehen mit Jonas’ bewährtem Reisesegen streben alle wieder ihren Häusern entgegen.