Forschung

Lerntransfer gelungen

DeepLabCut analysiert mit Künstlicher Intelligenz Bewegungsabläufe von Tieren. Die von der Tübinger Universität mitentwickelte Software steht kostenlos zur Verfügung.

23.08.2018

Von ST

Die Software DeepLabCut analysiert Bewegungsabläufe von Tieren besonders effizient.Bild: Ella Maru Studio

Die Software DeepLabCut analysiert Bewegungsabläufe von Tieren besonders effizient.Bild: Ella Maru Studio

Eine neue Software soll künftig Tiervideos besonders schnell und präzise auswerten, dies teilt die Presseabteilung der Tübinger Universität mit. Das Programm DeepLabCut wurde von einem Forschungsteam der Universitäten Tübingen und Harvard entwickelt. Die Software basiert auf maschinellem Lernen und kann nach kurzem Training Bewegungsabläufe von Tieren in Videos analysieren. Es ist auf viele Versuchsanordnungen übertragbar, kann ohne Programmierkenntnisse bedient werden und ist frei im Internet verfügbar. Die Ergebnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu DeepLabCut wurden in der Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“ veröffentlicht.

„Bisher war es sehr aufwändig, Bewegungen von Körperteilen in Videos zu analysieren“, erklärt Alexander Mathis, Neurowissenschaftler am Bernstein Center for Computational Neuroscience an der Universität Tübingen sowie der Harvard University. „Deep-LabCut lernt anhand einiger Beispielbilder, die exakte Position von Körperteilen in allen Bildern eines Videos zu bestimmen.“ Gemeinsam mit Mackenzie Mathis vom Rowland Insitute at Harvard sowie Matthias Bethge, Professor für Computational Neuroscience and Machine Learning an der Uni Tübingen, hat er das Projekt geleitet. Es begann mit einem doppelten Dilemma: Mackenzie Mathis wollte erforschen, wie genau das Zusammenspiel von Händen und Gehirn bei Mäusen funktioniert und hatte dafür Mäuse bei Greifbewegungen auf Video aufgezeichnet.

Alexander Mathis hatte unter Laborbedingungen eine Maus gefilmt, die auf einem Laufband einer Riechspur folgt. Er wollte herausfinden, wie Mäuse die einzelnen Geruchsfetzen, die sich bei jedem Einatmen ergeben, zu einem Ganzen zusammenfügen. Für beide Vorhaben mussten die Forscher die Bewegungsabläufe genauestens dokumentieren, doch herkömmliche neurowissenschaftliche Methoden lieferten keine befriedigenden Ergebnisse. Alternativ hätten sie Reflektoren auf den Versuchstieren platzieren können, um die Körperteilerkennung zu vereinfachen, wie es in Biomechanikstudien üblich ist. „Das kam jedoch nicht in Frage, denn solche Marker beeinträchtigen auch das Verhalten des Tieres“, so Alexander Mathis. Sie suchten eine Alternative.

Forscherkollege Matthias Bethge schlug vor, ein bestehendes Netzwerk umzutrainieren – im Fachjargon transfer learning genannt. Denn fernab der Neurowissenschaften waren im Forschungsfeld des Maschinellen Sehens beeindruckende Methoden zur reflektorfreien Erkennung von Gliedmaßen von Menschen entwickelt worden. Diese, so glaubte Bethge, könnten als Basis für die Tierbewegungsforschung dienen. Die Forscher wählten als Grundlage den Algorithmus DeeperCut, der menschliche Körperhaltungen analysieren kann. In der Vorbereitung lernt DeeperCut anhand hunderttausender Bilder von Katzen, Hunden, Früchten viele verschiedene sogenannte visuelle Repräsentationen. Die Forscher vermuteten, dass das Netzwerk wegen dieses großen Vorwissens mit nur wenigen Beispielen zur Körperteilerkennung von Tieren umtrainiert werden kann. Nicht nur gelang der Lerntransfer vom einen auf das andere Netzwerk, auch der geringe Trainingsaufwand sorgte für Staunen. Der neue Algorithmus DeepLabCut konnte bereits ab einem Trainingsdatensatz von 200 Bildern die Körperteile der jeweiligen Tiere in Bewegung erkennen und sie so präzise wie ein Mensch zuordnen.

DeepLabCut kann mit etwas Training fast jedes Tierverhalten auswerten. Das Programm entspricht einem Baukasten und ist benutzerfreundlich konzipiert; Programmierkenntnisse sind hilfreich, aber nicht erforderlich. Mackenzie Mathis: „Wir wollen, dass möglichst viele Wissenschaftler und ihre Forschung davon profitieren.“ Mehr als fünfzig Labore nutzen das Programm schon, um beispielsweise die Gangart von Pferden zu vermessen, das Kriechverhalten von Blutegeln zu erforschen oder um Bewegungen von Operationsrobotern aufzuzeichnen.

Ohne die Arbeiten zum Algorithmus DeeperCut wäre den Forschern die Entwicklung von DeepLabCut so schnell nicht möglich gewesen. Als Würdigung der Arbeit der Forscherkollegen ist der Name von DeepLabCut an DeeperCut eng angelehnt. „Für den wissenschaftlichen Fortschritt ist das Teilen von Ergebnissen, Daten und auch Algorithmen essentiell wichtig“, betont Bethge.

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Erstellt:
23.08.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 46sec
zuletzt aktualisiert: 23.08.2018, 01:00 Uhr

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