Mehr als 600 000 Euro ergaunert

Landgericht verurteilt Familienvater wegen gewerbsmäßiger Untreue zu dreieinhalb Jahren Gefängnis

Wegen gewerbsmäßiger Untreue in 218 Fällen muss ein 51-Jähriger aus Metzingen dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Der zweifache Familienvater hat eine Talheimer Firma für Heizungs- und Gassicherheitstechnik um mehr als 600 000 Euro gebracht.

04.02.2016

Von DOROTHEE HERMANN

Tübingen / Talheim. Der Angeklagte hatte in einer Firma für Heizungs- und Gassicherheitstechnik in Talheim in großem Stil Ersatzteile auf eigene Rechnung verkauft. Von Ende August 2009 bis zur fristlosen Entlassung des gelernten Heizungsinstallateurs im Juli 2014 kam es zu 218 Taten.

Der Firma entstand ein Schaden von mehr als 600 000 Euro, die der Mann durch gewerbsmäßige Untreue für sich abzweigte. Er hatte in dem Unternehmen schon zuvor vergleichbare Taten begangen: Sie sind verjährt und können nicht mehr gerichtlich verfolgt werden.

„Es steht fest, dass der Angeklagte der Täter war“, sagte gestern der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski. Das Geständnis des Mannes und die Polizei-Ermittlungen bildeten eine sehr solide Grundlage für die Gerichtsentscheidung.

„Die spannende Frage war: Wie schwer wiegt die Schuld des Angeklagten?“, fragte der Richter. „Hat er Schrott zu Geld gemacht“, wie der Mann es selbst dargestellt hatte. „Oder hat er Produkte, die für die Firma noch von Wert waren, auf eigene Rechnung verkauft?“

Der Angeklagte hat ein kompliziertes System aufgebaut, um die Firma um ihr Geld zu bringen, sagte Polachowski. Gleichzeitig verschleierte der Mann sein Vorgehen nach innen wie nach außen.

Das geschädigte Unternehmen hatte drei Geschäftsfelder: Den meisten Umsatz brachten Spezialanfertigungen für namhafte Großkunden der Heizungsbau-Branche. Eine weitere Säule waren Heizungsventile aus Messing für den deutschen Großhandel. Der Angeklagte war für den dritten Geschäftsbereich, das Lager für Ersatzteile, quasi allein verantwortlich. „Man erwartet von einem Mitarbeiter mit seinen Befugnissen, dass er sich treu zur Firma verhält“, sagte der Richter. Stattdessen habe der Mann seine Position ausgenutzt: „Er achtete darauf, dass er die Inventur in diesem Bereich allein durchführte.“

Der legale Umsatz mit den Ersatzteilen lag bei zirka 60 000 Euro jährlich. Doch der Angeklagte brachte es in einem Jahr zu einem Spitzenumsatz von 170 000 Euro. Die Firma besteht mittlerweile nicht mehr. Die anderen drei Mitarbeiter und der Geschäftsführer hätten glücklicherweise neue Stellen gefunden, sagte der Richter. Womöglich hätte die Chefetage am spanischen Hauptsitz des Unternehmens die schwäbische Zweigniederlassung beibehalten, wären dort nicht die vom Angeklagten verursachten Verluste aufgelaufen. „Wenn der Umsatz in großem Stil wegbricht, ist das einfach ein Minusgeschäft.“ Das ergaunerte Geld verwendete der Angeklagte nicht für seine damaligen Gläubiger, sondern für Autos, teure Reisen und andere Annehmlichkeiten für seine Familie.

Wer einen derart hohen Schaden angerichtet und sechs Jahre in Saus und Braus gelebt habe, könne den Gerichtssaal nicht als freier Mann verlassen, sagte der Richter. Eine noch bewährungsfähige Strafe sei völlig unangemessen. Das Gericht folgte deshalb dem Antrag der Staatsanwältin Bianca Dahm.

Der Verteidiger hatte maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe für den nicht vorbestraften Angeklagten gefordert. Man habe es seinem Mandanten leicht gemacht.

Der Mann bediente sich einer Vielzahl von Konten bei unterschiedlichen Banken. Diese liefen teilweise auf seine beiden Kinder, weil er die transferierten Gelder dem Zugriff seiner damaligen Gläubiger entziehen wollte. Gegen eine Kaution von 10 000 Euro, die Freunde ihm geliehen haben, bleibt der Angeklagte vorläufig auf freiem Fuß – bis er zum Haftantritt vorgeladen wird.

Die spanische Mutterfirma verzichtet darauf, von dem Mann Schadenersatz zu fordern. Sie will nach dem 600 000-Euro-Schaden nicht auch noch 50 000 Euro Gerichtskosten aufbringen, sagte gestern der frühere Geschäftsführer. Die Ermittler von der Polizei hätten glaubhaft gemacht, „dass bei dem Angeklagten nichts zu holen ist“.

Info Vorsitzender Richter: Ulrich Polachowski; Beisitzer: Christian Mezger; Schöffen: Ute Bürger-Junger, Nils Kälberer. Staatsanwältin: Bianca Dahm.

Verteidiger: Reinhard Engel.

Der Angeklagte arbeitete mit doppelten Rechnungen

Der wegen gewerbsmäßiger Untreue verurteilte 51-Jährige war in einer Talheimer Firma für Heizungstechnik für Ein- und Verkauf, Angebotserstellung und für das Lager für Ersatzteile zuständig. Unter der Hand verkaufte er jahrelang Ersatzteile über einen Zwischenhändler, einen Heizungsbauer aus dem Großraum Stuttgart. Von diesem ließ er sich meist bar bezahlen. In der Firma erstellte er für die gelieferten Waren jeweils ein Rechnungs-Duplikat mit korrekten Daten anderer Kunden. Der Schwindel flog auf, als sich während eines längeren Urlaubs des Angeklagten Kunden direkt an die Firma wandten, wo man von ihren Bestellungen nichts wusste.