Die Opfer bekommen Geld

Landgericht schickt Tankstellenräuber für fünfeinhalb Jahre hinter Gitter

Wegen schweren Raubes fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis muss der 37-Jährige, der am 5. April 2014 drei Tankstellen in der Region überfallen hat. Staatsanwalt Florian Fauser hatte sechs Jahre und neun Monate Haft gefordert.

04.12.2015

Von DOROTHEE HERMANN

Tübingen/Mössingen. Der 37-Jährige aus dem Steinlachtal hatte am Abend des 5. April 2014 zwei Tankstellen in Tübingen und eine in Mössingen ausgeraubt (wir berichteten). Zum dritten Tatort in der Tübinger Weststadt hatte ihn seine 26-jährige Freundin chauffiert. Von ihr stammten auch die Sturmhaube und die Handschuhe, mit denen sich der Mann bei den Überfällen maskiert hatte. Die von ihm zur Bedrohung eingesetzte Schreckschusspistole hatte sie bereits im Februar 2014 von einem Cousin ausgeliehen.

Die 26-Jährige wurde gestern vom Landgericht Tübingen wegen Beihilfe in einem Fall zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Mehr lasse sich der Frau nicht nachweisen, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski. „Samstagnacht war der dritte Raubüberfall“, sagte er. „Am Montagmorgen floss ein Großteil der Beute auf das Konto der Frau.“ Mit den 1200 Euro konnte sie Mietrückstände ausgleichen. „Sie hatte damit zu tun. Sie hat profitiert.“ Dennoch gebe es bei den ersten beiden Überfällen keine Beweise für eine Beteiligung der 26-Jährigen. „Sie hat ihn nach Tübingen gefahren. Sie hat gesehen, dass er schon wieder die Pistole dabei hatte.“ Dennoch war der Richter überzeugt, dass sie den Angeklagten nicht hätte abhalten können, wenn er etwas durchziehen wollte.

Die Strafe der Frau wird auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Dabei spielte eine Rolle, dass sie mit dem Angeklagten ein Baby hat, um das sie sich kümmern muss. Als Bewährungsauflage wird sie den drei Tankstellen-Angestellten, die die Überfälle durchstehen mussten, jeweils 400 Euro Schmerzensgeld zahlen. Sie soll eine Suchttherapie machen und sich mit Unterstützung ihres Bewährungshelfers um sozialpädagogische Familienhilfe bemühen.

Der Angeklagte muss zunächst mindestens neun Monate im Gefängnis bleiben. Im Anschluss soll er in einer forensischen Klinik eine Suchttherapie machen. Der Mann ist seit 20 Jahren schwer drogenabhängig.

Konfrontiert mit den Videos der drei Tankstellen-Überwachungskameras, hatte der Angeklagte zunächst gesagt, die Person auf den Aufnahmen scheine er selbst zu sein. Doch er erinnere sich an nichts, er sei mittlerweile ein anderer. Erst als er diese Woche im Gerichtssaal mit den betroffenen Tankstellen-Angestellten konfrontiert war, habe sich die Haltung des Angeklagten geändert, so der Richter: „Er räumte ein, dass er der Täter war.“ Der psychiatrische Gutachter Dr. Heiner Missenhardt hatte bei beiden Angeklagten keine Einschränkungen der Schuld- und der Steuerungsfähigkeit erkennen können, berichtete Polachowski. Die Überwachungs-Videos zeigten, wie koordiniert der Mann vorgegangen war.

Doch nur wenige Tage nach den Überfällen war der Angeklagte durch eine Überdosis in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten. Das spreche dafür, dass er zumindest einen Teil der Beute tatsächlich für Drogen verwenden wollte. Auch der Angeklagte hatte ein Interesse daran, dass seine Freundin ihre Wohnung nicht verlor, so der Richter. Andernfalls hätte er nur bei seinen Drogenkumpeln unterkommen können.

Info Vorsitzender Richter: Ulrich Polachowski; Beisitzer: Christian Mezger; Schöffen: Holger Klinkmüller, Sarah Monika Meder. Staatsanwalt: Florian Fauser. Verteidiger: Markus Schwab, Ralf Steiner. Gutachter: Dr. Heiner Missenhardt.

Sie kannten sich von einer Drogentherapie

Das koordinierte Vorgehen des Angeklagten, der binnen drei Stunden drei Tankstellen ausgeraubt hatte, ließ Staatsanwalt Florian Fauser zweifeln, ob der Mann überhaupt durch Drogen beeinträchtigt war. Die mitangeklagte Freundin sei als Mittäterin verantwortlich. Sie solle drei Jahre und drei Monate in den Mutter-Kind-Vollzug, forderte Fauser. Verteidiger Markus Schwab sagte, der Angeklagte sei unfähig, ohne Hilfe von der Sucht wegzukommen. Die Freundin hatte den Mann wenige Monate zuvor bei einer Drogentherapie kennengelernt. „Die Beziehung war etwas unheilvoll. Beide sind komplett abgestürzt“, sagte Verteidiger Ralf Steiner und sprach sich für eine Bewährungsstrafe aus.

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Erstellt:
04.12.2015, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 48sec
zuletzt aktualisiert: 04.12.2015, 01:00 Uhr

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